Süddeutsche Zeitung

Porträt:Allinger Uhrwerk

Läuferin Anja Kobs eilt unermüdlich von Erfolg zu Erfolg - für einen guten Zweck

Von Karl-Wilhelm Götte, Alling

Langstreckenläuferin Anja Kobs aus Alling nimmt sich viel Zeit für ihr Hobby und scheint dabei einen gewaltigen Ehrgeiz und Willen zu haben. 15 Stunden pro Woche trainiert sie durchschnittlich. 15 Stunden ist ein semiprofessioneller Aufwand, den die 44-jährige Dauerläuferin betreibt. Profis schaffen auch kaum mehr als 20 Stunden wöchentlich, um keine Verletzungen zu riskieren. Für ihr Hobby hat die Personalleiterin ihre Arbeitszeit um ein Viertel auf etwa 30 Stunden reduziert. Das zahlt sich aus, denn gerade im Coronajahr 2020 hat die ehemalige Triathletin ihre Bestzeiten am laufenden Band verbessert. Anja Kobs läuft aber nicht nur, sondern nutzt ihr Hobby, um karitative Projekte zu organisieren und um beim Laufen Geld einzusammeln, wie kürzlich beim weltweiten "Wings4Life World Run".

An diesem Benefizlauf haben sich 151 Nationen mit 184 236 Personen beteiligt. Exakt 1 656 840 Kilometer wurden absolviert, wie Kobs mitteilte. Dabei wurden 4,1 Millionen Euro an Spendengeldern für die Rückenmarksforschung gesammelt. Die Allingerin hat 43,22 Kilometer beigesteuert. Die ist Kobs an einem heißen Mai-Sonntag um die Olympia-Regattastrecke in Oberschleißheim herumgelaufen. Dabei musste sie bei etwa 30 Grad drei Stunden und acht Minuten lang zwischen sicherlich tausend Spaziergängern hindurch kurven. Mit ihr war noch eine gute Hundertschaft an Läufern und Läuferinnen unterwegs, die sie jedoch auf dem Rundkurs schnell hinter sich ließ. Jeder "Wings-Life"-Teilnehmer konnte die Länge der Strecke frei wählen, nur die Kilometeranzahl zählte.

Es war kein so guter Lauftag für Kobs. Die Hitze machte ihr zu schaffen. Bereits ab Kilometer fünf schnellte in der Mittagshitze der Puls auf maximale Höhe. Aufgeben? Nein, kommt nicht in Frage. "Ich habe gekämpft und ich bin ziemlich bitter an meine Grenzen gegangen." Kobs hatte sich 47 Kilometer und 9,7 Runden an der Regattastrecke vorgenommen. Moralisch unterstützt und versorgt wurde sie unterwegs auf dem Fahrrad von ihrer Freundin Manja Kunz. Auch Läuferkollege Andreas Brünnert gab ihr nach jeder Runde einige hundert Meter lang Windschatten. Bei 43,22 Kilometer hatte sie dann doch ein Einsehen mit sich selbst und beendete ihr Rennen gegen die Uhr, um erschöpft auf den Rasen zu sinken. Sie war beim "Wings-Life" die beste deutsche Läuferin und rangierte im weltweiten Vergleich auf Rang sieben.

Anja Kobs war früher 16 Jahre lang Handballerin. Sie war eine "flinke Linksaußen", wie sie sagt, die fürs Konterspiel sorgte und auch schon mal im Tor stand, um Siebenmeterwürfe der Gegnerinnen abzuwehren. "Sport war immer mein Leben", resümiert sie heute mit 44 Jahren. 2010 beim beruflichen Auslandeinsatz in Chicago begann sie mit dem Laufen und versuchte sich dort gleich an einem Marathon, den sie aber nach 25 Kilometern beendete. Wieder zu Hause, widmete sich Kobs mit schon 35 Jahren ihrer sportlichen Laufbahn in den Seniorenklassen und feierte Erfolge als Triathletin in den Altersklassen. Aber auch der Marathonlauf ließ sie nicht mehr los. 2012 schaffte sie die 42,2 Kilometer bereits in 3:24 Stunden. 2019 stieg sie ganz aufs Laufen um. Mehr Lauftraining führte zu besseren Zeiten. 2020 verbesserte sie sechsmal ihre Bestzeiten über zehn Kilometer, auf der Halbmarathon-Strecke und auch im Marathon, den sie im vergangenen Jahr dann erstmals knapp unter drei Stunden absolvierte. Drei Stunden sind für ambitionierte Hobbyläuferinnen ein persönlicher Triumph.

Kobs wagte sich per Fahrrad an die mehr als 400 Kilometer lange Alpenstraße, um für den ambulanten Hospiz- und Palliativdienst der Caritas in Fürstenfeldbruck Geld zu sammeln. Sie versuchte sich auch als Ultraläuferin: Im April absolvierte sie einen Lauf durch den Landkreis über 50 Kilometer. 2017 begann ein weiterer wichtiger Lebensabschnitt für die Dauerläuferin. "Ich brauchte ein zweites Standbein", erzählt sie. Sie hat dann eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleiterin gemacht. Kobs ist fest überzeugt: "Das gibt mir viel mehr, als wieder 40 Stunden zu arbeiten." Laufen und den Menschen als Sterbebegleiterin nahe sein, das füllt sie aus. In der Corona-Pandemie hat sie in den vergangenen 14 Monaten sieben neue Laufbestzeiten aufgestellt. "Ich habe mich nicht demotivieren lassen, so wie viele Sportler", sagt sie. Ihre sportliche Karriere ist noch nicht zu Ende. Das Kraft-Last-Verhältnis der schlanken Allingerin spricht für weitere Verbesserungen und Erfolge, wiegt sie doch bei 1,67 Meter Größe nur 50 Kilogramm.

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Quelle:
SZ vom 21.05.2021
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