Polizei:Sieben Straftaten gegen Asylbewerber

Die Vorfälle aus dem Landkreis im Jahr 2016 sind weitgehend unbekannt. Die Polizei hat die Öffentlichkeit seinerzeit nicht informiert - aus ermittlungstaktischen Gründen, wie es heißt

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Sieben gegen Flüchtlinge gerichtete Straftaten hat es im vergangenen Jahr im Landkreis Fürstenfeldbruck gegeben. Das geht aus der Antwort des bayerischen Innenministeriums auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Katharina Schulze (Grüne) hervor. Sie wollte wissen, wie viele Straftaten im Jahr 2016 gegen Flüchtlinge, Flüchtlingsunterkünfte oder Einrichtungen, die sich unmittelbar um Belange von Asylsuchenden kümmern, begangen worden sind. Zu keiner der Straftaten hatte es im vergangenen Jahr eine Pressemitteilung der Polizei gegeben. Auch das geht aus der Antwort hervor. Meist aus ermittlungstaktischen Gründen, wie die Pressestelle des zuständigen Polizeipräsidiums Oberbayern Nord im Bezug auf die Fälle im Landkreis auf Nachfrage erklärt.

Bekannt geworden war bisher bereits ein Fall aus Maisach nach einer Kleinen Anfrage der Partei Die Linke im Bundestag. Am 3. Januar 2016 fand ein Betreuer einer Asylunterkunft in Gernlinden zwei mit einem Paketband umwickelte Böller, auf die jemand "Jude" und "Himmla" geschrieben hatte. Einen Schaden am Gebäude hatten die Böller nicht verursacht, ein vom Betreuer informierter Sicherheitsangestellter informierte die Polizei. Die Kripo Fürstenfeldbruck übernahm die Ermittlungen wegen eines Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz. Außerdem wurde zur Einschätzung der Böller ein technisches Gutachten des LKA angefordert, das allerdings nur einen geringen Gefährdungsgrad feststellte. Bis heute konnte laut Hans-Peter Kammerer, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord, kein Tatverdächtiger ermittelt werden. Nachdem damals weder die nähere Tatzeit noch die tatsächliche örtliche Verwendung der Böller eingegrenzt werden konnte, wurde auf eine Veröffentlichung des Falls als Pressemitteilung "zum Zwecke der Erlangung von Hinweisen über die Medien" verzichtet, so Kammerer.

Der zweite Fall ereignete sich am 5. Januar 2016 am Bahnhof Buchenau. An einem Treppenabgang befanden sich mehrere Schmierschriften, die obwohl sie übermalt wurden, noch eingeschränkt lesbar waren. Den Inhalt der Schmierereien bewertete die Polizei als Straftat, da der oder die Täter Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendeten. Weil es keine Anhaltspunkte gab, die auf die Tatzeit hinwiesen und weil die Schmierereien bereits übermalt waren, habe man auch hier auf eine Presseinformation verzichtet, erklärt der Sprecher. Schmierereien mit fremdenfeindlichen Inhalt fand auch ein Rentner aus Gröbenzell am 6. Februar an seinem Garagentor. Die Polizei nahm eine Anzeige wegen Volksverhetzung und Sachbeschädigung auf. Täter konnten auch in diesen beiden Fällen bisher nicht gefunden werden.

Am 30. Januar spielte ein polizeibekannter Jugendlicher gegen 23 Uhr am S-Bahnhof Fürstenfeldbruck das Lied "Sturmführer" vor und verbreitete so Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen. Der Mann, dem er das Lied vorspielte, erstattete später Anzeige.

In einem weiteren Fall ermittelt die Polizei gegen einen bislang unbekannten Täter wegen Volksverhetzung und Beleidigung. Der Unbekannte hatte Anfang März mehrere E-Mails verschickt, sowohl an Einzelpersonen als auch an Verbände, die sich für Flüchtlinge engagieren. "Eine Veröffentlichung dieses Umstandes ist in polizeitaktischer Hinsicht nur sinnvoll, wenn ein konkreter Tatverdacht vorliegt und mit der Bekanntgabe eine generalpräventive Wirkung erzielt werden kann", sagt Hans-Peter Kammerer. Zwei weitere Straftaten ereigneten sich ebenfalls im Internet - am 14. Januar in Maisach und am 14. Juli in Fürstenfeldbruck. In Maisach kommentierte ein Facebook-Nutzer einen Beitrag in volksverhetzender Weise und wurde von einem anderen Nutzer deshalb angezeigt. In Fürstenfeldbruck postete ein 47-Jähriger Verdächtiger unter verfremdeten Profilnamen in einem Chatverlauf volksverhetzende Parolen gegen Flüchtlinge und löste so Ermittlungen der Kripo aus. In beiden Fällen wurde aus ermittlungstaktischen Gründen auf eine Pressemitteilung verzichtet.

Die sieben im Landkreis registrierten Taten ereigneten sich in den ersten drei Quartalen des Vorjahres. In der Antwort des Innenministeriums wurden sämtliche Straftaten bis Oktober 2016 berücksichtigt. Ob es danach noch andere Vorfälle gab, ist deshalb nicht bekannt.

Bayernweit wurden insgesamt 429 Straftaten gegen Flüchtlinge, Unterkünfte und Helfer verzeichnet. 415 davon stuft das Innenministerium als rechtsmotiviert ein. Die Grünen-Politikerin Katharina Schulze meint, die Bekämpfung rechter Gewalt müsse zur obersten Priorität der Sicherheitsbehörden gemacht werden. Durch höheren Fahndungs- und Ermittlungsdruck sollten zudem auch mehr Täterdingfest gemacht werden, fordert sie.

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