Polizei ermittelt:Virus im Krankenhaus

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Die Notaufnahme an der Kreisklinik in Fürstenfeldbruck kann derzeit nur bedingt Patienten aufnehmen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Weil Schadsoftware die EDV in der Kreisklinik lahm gelegt hat, können die Rettungsdienste Patienten vorerst nicht nach Fürstenfeldbruck bringen. Andere Häuser müssen einspringen

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Die Kreisklinik in Fürstenfeldbruck kann derzeit viele Notfälle nicht aufnehmen. Die Rettungsdienste müssen deshalb die umliegenden Krankenhäuser in Dachau, Starnberg, Herrsching und München anfahren. Grund dafür ist, dass - wie erst jetzt bekannt wurde - bereits seit Donnerstag voriger Woche die komplette EDV der Klinik wegen eines Computervirus ausgefallen ist.

Man habe sich deshalb "aus Kapazitätsgründen" bei der Integrierten Leitstelle (ILS) abgemeldet, die die Notrufe entgegen nimmt und die Einsätze der Rettungsdienste koordiniert, sagt Klinikchef Alfons Groitl der SZ. Ihm ist wichtig, dass lebensbedrohliche Notfälle sehr wohl aufgenommen und behandelt würden, ebenso Menschen, die von sich aus die Notaufnahme aufsuchten: "Nicht, dass die Leute meinen, sie können nicht mehr kommen." Da "die Versorgung sichergestellt ist", sei man auch nicht von sich aus an die Öffentlichkeit gegangen. Wann die ILS wieder Patienten in die Brucker Klinik vermitteln kann, vermag Groitl derzeit jedoch noch nicht zu sagen.

Seit einer Woche überstellt die für die Landkreise Fürstenfeldbruck, Dachau, Starnberg und Landsberg zuständige Leitstelle in Fürstenfeldbruck keine Notfallpatienten mehr in die Kreisklinik. Der Ärztliche Bereitschaftsdienst und die niedergelassenen Ärzte, die Transporte von Kranken und Verletzten bei der ILS anmelden, habe man seit Donnerstag voriger Woche darauf hingewiesen, erläutert ILS-Schichtführer Jürgen Fischer. Das EDV-Problem von Fürstenfeldbruck wirkt sich damit auch auf die Krankenhäuser im näheren Umland aus. Durch die zusätzlichen Patienten dort merke man, "dass man an Grenzen stößt", sagt Fischer.

Insgesamt hat die Leitstelle für ihren gesamten Bereich 22 Rettungswägen zur Verfügung. Die freilich sind jetzt auf längeren Fahrten unterwegs, wenn sie etwa eine Münchner Klinik anfahren müssen, und stehen deshalb nicht so schnell für den nächsten Einsatz bereit. Dies zu organisieren, nennt Fischer "eine Herausforderung". Ihm zufolge hat man aber bislang darauf verzichten können, zusätzliche Fahrzeuge aus dem Katastrophenschutz einzusetzen, die dann wiederum von ehrenamtlichen Helfern gefahren würden. Diese ehrenamtlichen Helfer müssten von ihren Arbeitsplätzen abgerufen werden.

Trotz der Computerprobleme müssen Groitl zufolge geplante Operationen nicht verschoben werden, auch der Bereich Herzkatheter ist nicht betroffen. Grundsätzlich werden nach dem Vorfall sämtliche medizinischen Geräte überprüft, die ins Netzwerk eingebunden sind. Ziel ist, dass möglichst schnell auf jeder Station zumindest ein Rechner für den ärztlichen und einer für den Pflegebereich wieder einsatzbereit ist, kündigt Groitl an. Auch die Lohn- und Gehaltsabrechnung soll von nächster Woche an wieder funktionieren.

Die Mitarbeiter der Kreisklinik arbeiten derzeit "so, wie wir das vor der EDV gemacht haben", sagt Groitl. Nicht alle Daten sind digitalisiert, sondern stehen als Papierakten zur Verfügung. Bei ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus erhalten die Patienten nun anstelle eines am Computer erstellten Arztbriefes einen handschriftlich verfassten.

Ausgelöst hat die Probleme mutmaßlich ein Virus "speziell für den Bankenbereich, der zum Beispiel Pin-Nummern ausspäht", sagt Groitl. Weil die Kreisklinik ihren gesamten Geschäftsverkehr über Digitalbanking abwickelt, ließ sie sämtliche Konten sperren. Auf Cyberkriminalität spezialisierte Fachleute der Kriminalpolizei wurden eingeschaltet. Bei sämtlichen etwa 450 Computern werden Groitl zufolge nun ein Sicherungs- und Cleaningprogramm aufgebracht und die Software aktualisiert. Seit vorigen Samstag sind auch zwei externe IT-Firmen eingeschaltet. Auch wurde ein zertifizierter Auditor von der Klinik beauftragt, das gesamte EDV-System genau unter die Lupe zu nehmen und, wenn nötig, Verbesserungsvorschläge zu machen. "Dass es uns so treffen kann, das ist uns so nicht bewusst gewesen", sagt Alfons Groitl. Wie sich die nunmehr verringerte Zahl von Patienten finanziell auswirken wird, muss sich noch zeigen. Das Krankenhaus hatte für das Jahr 2018 einen kleinen Überschuss von 82 000 Euro errechnet.

© SZ vom 16.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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