Mobilität:Zwischen Autoschlangen und Radwegen ins Nichts

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Mit dem Rad zum Bahnhof und weiter mit öffentlichen Verkehrsmitteln, diese Art von Mobilität wünschen sich die Experten. (Foto: Jana Islinger)

Experten diskutieren in Puchheim Herausforderungen der Mobilität in der Region München und des Klima- und Umweltschutzes.

Von Katarina Bergmann, Puchheim

Mit dem Fahrrad ist er aus dem Münchner Norden nach Puchheim gekommen – und schildert eindrücklich, wie chaotisch die Situation für Radfahrer in der Region ist: Tobias Ruff, Stadtrat in München, Gewässerökologe und Co-Landesvorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) in Bayern spricht bei der Podiumsdiskussion im Puchheimer Kulturzentrum über die Herausforderungen von Mobilität, Klima- und Naturschutz. „Zwischen Autoschlangen, Linksabbiegern, Rechtsabbiegern und Radwegen, die im Nichts enden, ist der Verkehr für Fahrradfahrer ein einziges Durcheinander – das muss sich ändern!“, betont er gleich zu Beginn seines Impulsreferats.

Die Veranstaltung der Unabhängigen Bürger Puchheim (UBP) bringt Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen zusammen: Edi Knödlseder von den UBP und dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club, Jennifer Getzreiter vom Bund Naturschutz, Michael Dippold vom Klimanetz und Harald Rösch vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz machen sich Gedanken darüber, wie sich Klimaschutz, Artenschutz und Mobilität in Puchheim und der Region verbessern lassen. Denn obwohl diese Themen viele Menschen unmittelbar betreffen, geraten sie oft in den Hintergrund – zwischen geopolitischen Krisen, Wirtschaftswachstum und Infrastrukturdebatten.

Besonders die wachsende Stadt München und ihr Umland stünden vor großen Herausforderungen, so Ruff. 500 000 Menschen pendelten täglich in die Stadt – oft unter schlechten Bedingungen für Natur, Klima und Mensch. „Wir sitzen auf einem Schatz – der Münchner Schotterebene – und wir verlieren ihn durch Versiegelung“, warnt er.  Auch beim Thema Ernährung sieht er Handlungsbedarf: Viele Landwirte hätten bereits verstanden, dass sie den Menschen einen Mehrwert bieten müssten – das bedeute keine Pestizide und regionale Produkte. Schlussendlich müsse aber jede und jeder einzelne Verantwortung übernehmen: „Was essen wir? Was essen unsere Kinder in den Schulen und Kitas? Steigen wir ins Auto, in den Bus oder aufs Rad? Richten wir unsere Gärten so ein, dass Wasser auch versickern kann?“, fragt Tobias Ruff das Publikum.

Diskutieren in Puchheim (von links): Tobias Ruff, Jennifer Getzreiter, Harald Rösch, Edi Knödlseder und Michael Dippold. (Foto: Johannes Simon)

Handlungsbedarf bei Klima und Verkehr

UBP-Vorsitzender Edi Knödlseder beleuchtet den Stand der Klimapolitik: „Bei den letzten Bundestagswahlen hat sich gezeigt, dass Klima- und Artenschutz für die meisten Parteien kaum eine Rolle spielen.“ Auch in aktuellen Koalitionsverhandlungen seien nachhaltige Mobilität und Umweltpolitik kaum präsent, obwohl sich die Probleme verschärften: Versiegelte Flächen, Hochwasser, ausgetrocknete Bäche – das betreffe alle, betont er. Puchheim hat viele Stärken – doch reicht das aus? Während sich die Stadt mit Projekten wie „Stadtnatur“ von anderen Orten abhebt – etwa durch artenreiche Blumen- und Streuobstwiesen oder die Umgestaltung von Grüninseln – sehen die Diskutierenden noch viel Luft nach oben. Besonders beim Thema Mobilität gebe es Probleme: Edi Knödlseder lobt zwar die Fahrrad-Reparaturstationen und Lastenrad-Angebote, doch fehlende witterungsgeschützte Stellplätze und eine schlechte Busanbindung machen es vielen schwer, auf das Auto zu verzichten. Harald Rösch betont, wie wichtig es sei, Grünflächen nicht nur zu erhalten, sondern auch ökologisch aufzuwerten – Kiesgärten und versiegelte Flächen seien eine Gefahr für Artenvielfalt und Klima. Auch Jennifer Getzreiter sieht Handlungsbedarf: Streuobstwiesen seien ein anschauliches Beispiel für gelungene Naturräume, doch es fehle eine klare Vision für die Zukunft. Am wichtigsten aber, so sind sich die Sprechenden einig, sei die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. „Wenn die Menschen kein Interesse an Klimaschutz haben, spiegelt sich das in der Politik wider. Und wenn die Politik nichts für den Klimaschutz tut, wirkt sich das wiederum auf die Menschen aus“, sagt Michael Dippold.

Besonders die Mobilitätsfrage bewegt auch das Publikum. Eine Bürgerin beklagt sich über eine gefährliche Kurve, in der Radfahrende schlecht sichtbar seien. Eine andere Teilnehmerin erzählt von den Schwierigkeiten, mit dem Fahrrad aus Puchheim nach Gröbenzell zu kommen. Ein weiterer Bürger fragt: „Wenn in Paris Straßen zu Fußwegen umgebaut werden, warum schaffen wir das hier nicht auch?“ – eine Frage, die für viel Kopfnicken sorgt.

Veränderung sei nur durch Engagement möglich, da sind sich alle im Raum einig. „Wenn man sich dauerhaft beharrlich einsetzt, kann man etwas erreichen“, sagt Knödlseder. Münchner Stadtrat Tobias Ruff ergänzt: „Gerade jetzt, ein Jahr vor den Kommunalwahlen, ist der richtige Zeitpunkt, um sich einzumischen.“ Jedes bisschen Engagement könne viel verändern –und dazu führen, dass man selbst eine Vorbildfunktion für andere innehabe, sagt Getzreiter.

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