Kandidatinnen und Kandidaten bekommen im Wahlkampf nichts geschenkt. Britta Jacob (Grüne), Michael Schrodi (SPD), Susanne Seehofer (FDP), Katrin Staffler (CSU) und Dagmar Wagner (Freie Wähler) wissen das schon. Sie bewerben sich bei der Bundestagswahl um das Direktmandat im Wahlkreis Fürstenfeldbruck-Dachau. Und ihre Erfahrung trügt sie auch bei der von der Volkshochschule veranstalteten Podiumsdiskussion in Gröbenzell nicht. Auch wenn diese, wie Moderator Achim Puhl erklärt, nach dem Tombola-Prinzip abläuft.
Drei Glasvasen stehen auf einem Tisch vor den Diskutanten. Gekennzeichnet sind die Gefäße mit den Worten „Wirtschaft“, „Klimawandel“ und „Migration“. Darin befinden sich je fünf Zettel. Auf denen steht jedoch kein Gewinn, sondern eine Frage zum angegebenen Thema. Britta Jacob ist die Erste, die ziehen muss. Mit welchen Strategien sich Deutschland im globalen Markt behaupten könne, das soll Jacob den etwa 150 Besuchern im Bürgerhaus erklären. Ein wenig mutet das an wie die TV-Rateshow „Wer weiß denn sowas?“ Einen Partner, der bei der Antwort helfen kann, gibt es allerdings nicht.

Jacob empfiehlt klimaneutrale Techniken. Mit denen könne Deutschland auch im Wettbewerb mit China und den USA mithalten. Sie fordert eine Abkehr von autoritären Regimen und lobt die Einigung mit den südamerikanischen Ländern auf das Mercosur-Abkommen. Zudem plädiert sie für „kräftige Investitionen in die Wirtschaft“. Dagmar Wagner sieht im dualen Ausbildungssystem sehr gute Chancen für den Nachwuchs an Fachkräften. Sie fordert Gleichwertigkeit von „Master und Meister“ und Anreize für Rentner, die weiterarbeiten können und möchten.
Abbau von Bürokratie
Dann geht es rasch um den Abbau von Bürokratie. Schrodi nennt dies als ein Element zur Senkung von Produktionskosten der Betriebe. Zu diesem Zweck würde der SPD-Politiker neue Gesetze gern einem Praxischeck unterziehen. Seehofer attestiert der Wirtschaft einen „Bürokratie-Burn-out“ und sieht in den vielen Regelungen das größte Innovationshemmnis. Sie erzählt von ihrem Praktikum in der Pflege. Drei Stunden am Tag sei eine Pflegerin mit der Dokumentation beschäftigt, anstatt sich um Patienten kümmern zu können, sagt die FDP-Kandidatin. Und auch Staffler, die die Frage beantworten soll, wie mehr Chancengleichheit in der Gesellschaft erreicht werden kann, kommt über die Bildung auf die Sorge der Betriebe über viele Regelungen und Dokumentarpflichten zu sprechen.
Als die CSU-Politikerin niedrigere Steuern für die Mittelschicht fordert und proklamiert, dass sich Leistung wieder lohnen müsse, entspinnt sich eine Diskussion zwischen den Kandidaten. Schrodi zitiert eine veröffentlichte Studie, nach der die Steuerpläne von CSU, FDP und AfD vorwiegend denen zugutekommen, die viel verdienen. Dagegen würden SPD und Grüne die Normalverdiener entlasten, sagt er.
Beim Thema Klimaschutz gibt es mehr Rede und Gegenrede. Jacob wirft CSU, FDP und SPD vor, in den jeweiligen Merkel-Regierungen die deutschen Hersteller von Solarmodulen im Stich gelassen und damit China einen Vorteil auf diesem Markt verschafft zu haben. Seehofer fordert dagegen, dass der Markt über neue Techniken entscheiden müsse. Jacob entgegnet, dass es in der Konkurrenz mit den vom Staat hochsubventionierten chinesischen Unternehmen keinen fairen Wettbewerb gebe. Schrodi erkennt an diesem Disput über Industriepolitik einen der großen Unterschiede in der Ampel-Regierung.
Wie gut ist Bayern beim Ausbau erneuerbarer Energien?
Dann geht es um den Ausbau der erneuerbaren Energien. Seehofer zeigt sich erfreut über den großen Anteil von Wind und Sonne an der Stromproduktion. Jacob fordert ein Kurshalten auf dem Weg zu grüner Energie. Staffler betont, wie gut Bayern bei diesem Ausbau dastehe: bei Solar auf Platz eins, bei Biomasse auf zwei. Lediglich bei der Windkraft reicht es ihren Worten nach nur zu einem Mittelfeldplatz. Aber der Freistaat stehe immer noch vor Baden-Württemberg, wo ein Grüner Ministerpräsident ist. Es liege also wohl auch an geografischen Gegebenheiten, sagt die CSU-Bundestagsabgeordnete.
Wagner und Schrodi sind sich einig, dass öffentlicher Nahverkehr und die Bahn ausgebaut werden müssen. Beim Thema Wasserstoff gibt es aber Differenzen. Die Kommunalpolitikerin der Freien Wähler will nicht nur auf E-Mobilität setzen, sondern auch Wasserstoffautos fahren sehen. Schrodi hält nichts von Wasserstoffantrieben im Individualverkehr. Der teuer produzierte Energieträger müsse der Industrie zur Verfügung gestellt werden, um Wirtschaftswachstum und Klimaschutz verbinden zu können. Als ein Beispiel nennt Schrodi die Produktion von grünem Stahl.
Kritik an Migrationsdebatte
Einigkeit besteht darin, dass die Zuwanderung von Arbeitskräften nötig ist. Damit das auch klappt, plädiert Seehofer für mehr Weltoffenheit. Jacob, Schrodi und Staffler beharken sich wegen der Parlamentsdebatten in der vergangenen Woche. Seehofer und Wagner formulieren deutliche Kritik an diesen Debatten über die Migrationsanträge der Union. Das sei keine „Sternstunde des Parlamentarismus“ gewesen, sagt die FDP-Bewerberin. Wagner nennt die Debatten „für mich unerträglich“ und fordert von den Abgeordneten demokratischer Parteien, dass sie Argumente austauschten und Lösungen fänden.
Die Partei Die Linke wies vor der Veranstaltung darauf hin, trotz Interesses an einer Teilnahme nicht eingeladen worden zu sein. Direktkandidat Alexander Bayas aus Puchheim vertrete mit seinen 19 Jahren die Sichtweise junger Erwachsener, hieß es in einer Pressemitteilung. Diese werde damit ebenso wenig berücksichtigt wie eine kritische Stimme zur Migrations-, Friedens- und Sozialpolitik, insbesondere in Bezug auf Rente, Bürgergeld und Mieten. Die Auswahl des Podiums begründete Julia Engelmann von der Volkshochschule Gröbenzell damit, dass nur die Direktkandidaten von Parteien eingeladen worden seien, die im Bund oder im Land an einer Regierung beteiligt sind.