Süddeutsche Zeitung

Plastische Grafiken:Fünf Elemente, zwei Seiten

In seinem neuen Werk beschäftigt sich der Türkenfelder Künstler Gerd Jacobsen mit dem Verhältnis des Menschen zur Welt und warnt vor einem Weiter-so

Von Florian J. Haamann, Türkenfeld

In der Kunst von Gerd Jacobsen gibt es nie nur die eine Ebene. Es sind Arbeiten, die viel anbieten und erst mit dem Betrachter und seiner Interpretation vollständig werden. Aber auch rein physisch verlassen die Arbeiten ihre Leinwand in die Dreidimensionalität. Jacobsen selbst bezeichnet sie als "plastische Grafiken", es sind kleine Installationen, die er in einem einen Meter großen, quadratischen Rahmen entwickelt. Pünktlich zu seinem 83. Geburtstag an diesem Sonntag hat der Türkenfelder nun eine neue Arbeit fertiggestellt: "Das fünfte Element: Mensch!". Genauer gesagt sind es zwei Arbeiten, quasi ein Zwillingsbild.

Die linke Arbeit, in blau, stellt den Jetzt-Zustand dar. Oben und unten und an beiden Seiten findet sich jeweils mittig eine Kugel. Rot, grün, anthrazit, blau. Feuer, Erde, Luft, Wasser. Der Mensch als "fünftes Element" befindet sich in der Mitte. Dadurch, dass das Gesicht auf zum Betrachter hin zulaufende Dreieckshölzer gemalt ist, lässt er sich aber nur erkennen, wenn man nicht mittig vor der Arbeit steht, sondern weit seitlich. Und - der Clou der Werke - je nachdem, auf welcher Seite man steht, sieht man entweder ein männliches oder ein weibliches Gesicht. So schafft es Jacobsen, der Arbeit eine Dualität zu verleihen. Das zweite Bild ist ähnlich aufgebaut. Nur, dass die Grundfarbe dort rot ist. Die bedrohliche Wirkung ist dabei gewollt. Für den Künstler blickt dieser Teil der Arbeit in die Zukunft. Wenn der Mensch als "fünftes" Element mit den anderen vier weiter so umgeht wie bisher, dann geht es nicht gut aus. Die Elemente sind hier nicht mehr rund und harmonisch, sondern zu kantigen Würfeln geworden. Die Erde verändert sich. Und wer genau hinschaut, der erkennt, dass es nicht nur sie ist. Während auf der blauen Arbeit die Gesichter klar und kraft gemalt sind, verblassen sich im roten Teil deutlich, verschwimmen, beginnen zu verschwinden.

Zu sehen sind die Arbeiten aktuell nur in Jacobsens Wohnzimmer. Denn obwohl seine Kunstwerke viel Platz brauchen, ist es dem gebürtigen Hamburger wichtig, sie auch sehen zu können. Die Begeisterung, die er für seine Arbeiten empfindet, die nahezu kindliche Freude mit der er über sie spricht, erklärt, was er sich dabei gedacht hat, wo die Schwierigkeiten im Schaffensprozess waren, all das ist ansteckend und unbedingter Teil seiner Kunst.

Die Leidenschaft für die Kunst, die bis heute in ihm brennt, hat Jacobsen mit Anfang zwanzig, also Anfang der Sechzigerjahre, - wie sollte es auch anders sein - in Paris entdeckt. Der selbe Glanz, der Anfang des 20. Jahrhunderts Künstler wie Picasso und Autoren wie Hemingway in die französische Hauptstadt gezogen hat, hat auch den jungen Jacobsen gelockt. Es war auch eine Flucht aus der Enge der Familie. In Frankreich lernt er schnell andere junge Kunstinteressierte kennen, zieht mit ihnen durch die Museen. Dort sind es vor allem die Impressionisten und die Expressionisten, die Jacobsen faszinieren. Inspiriert durch das, was er dort sieht, beginnt er selbst zu zeichnen. Überall, jederzeit, wie er sagt. Zurück in Deutschland lernt er seine Frau kennen, als das erste Kind unterwegs ist, lässt er die Kunst ruhen, arbeitet in einem Verlag.

Erst als er 2006 in Rente geht, fängt er wieder damit an. Wieder so intensiv wie damals, eigentlich jeden Tag steht er in seinem Atelier im Dachgeschoss. Regelmäßig sind Jacobsens Werke auch in Ausstellungen in der Region zu sehen. Wann es das nächste Mal soweit ist, weiß er momentan nicht. Aktuell arbeitet er an der Bewerbung für die Nord-Art, eine große Ausstellung in Büdelsdorf, einem kleinen Ort westlich von Kiel. Einen Eindruck seiner Arbeiten gibt er außerdem auf seiner Homepage www.plastische-grafiken.de.

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Quelle:
SZ vom 28.10.2021
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