Pflege:Hilfe für ein selbstbestimmtes Leben

Die Niederbronner Schwestern sind seit 160 Jahren in Bruck tätig. Im Seniorenheim Theresianum unterstützen vier Ordensmitglieder mit einem Gut, das in der Pflege zur Mangelware geworden ist: Zeit

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die Niederbronner Schwestern feiern ein Jubiläum: Seit 160 Jahren engagieren sie sich in der Altenpflege, bis heute im Seniorenheim Theresianum, das mittlerweile als gemeinnützige Gesellschaft betrieben wird. Dort helfen heute noch vier Schwestern mit - von weltweit 1021 Frauen in den Ländern Deutschland, Österreich, Slowakei, Angola, Kamerun, Indien sowie Argentinien. Pflegedienstleiterin Daniela Stark und Geschäftsführer Armin Seefried nehmen das Jubiläum zum Anlass, die großen Veränderungen in der Betreuung zu beleuchten und zu erklären, auf welche Weise sie den Bewohnern ein Höchstmaß an Eigenständigkeit ermöglichen wollen.

Pflege: Dieses Bild wurde 1959 bei einer Profess vor der Klinik Fürstenfeldbruck aufgenommen.

Dieses Bild wurde 1959 bei einer Profess vor der Klinik Fürstenfeldbruck aufgenommen.

(Foto: Theresianum)

Das Thema "Selbstbestimmtes Leben" ist bereits im Leitbild des Trägerordens verankert. Dort heißt es: "Die unverlierbare Würde jedes Menschen ist Grundlage unseres Handelns." Vor dem Hintergrund nicht zuletzt des Kostendrucks im Pflegebereich ist es wichtig, qualifiziertes Pflegepersonal effizient einsetzen zu können. Denn Helfer, die für "Gottes Lohn" sowie für Kost und Logis arbeiten, wie dies in den vergangenen Jahrhunderten durchaus üblich war, gibt es immer weniger. Für die drei Ordensschwestern, die von Oberin Schwester Agnes, 67, angeführt werden, ist dies selbstverständlich. Für sie ist es nicht nur Beruf, sondern Berufung. Auch wenn sie schon jenseits der 80 sind, können sie mit einem Gut unterstützen, das gerade in der Pflege zur Mangelware geworden ist: Zeit. Sie unterstützen "im Hintergrund", wie es Schwester Agnes ausdrückt, machen Krankenbesuche, beten gemeinsam mit Bewohnern den Rosenkranz, geleiten zum Gottesdienst, helfen beim Essen, übernehmen die Sterbebegleitung - oder schenken den Bewohnern Aufmerksamkeit, wenn man sich im Flur trifft. Erst wenn es gesundheitlich gar nicht mehr möglich ist, kehren Schwestern für ihren Ruhestand in ihr Stammkloster in Neumarkt zurück.

Pflege: Den Altenpflegern steht heute moderne Technik zur Verfügung - wie Sensormatten und Niederflurbetten für Praktikantin Jule Michl und Bewohnerin Clara Meiereder, 84.

Den Altenpflegern steht heute moderne Technik zur Verfügung - wie Sensormatten und Niederflurbetten für Praktikantin Jule Michl und Bewohnerin Clara Meiereder, 84.

(Foto: Theresianum)

"Es ist einfach erfüllend, helfen zu können", sagt Schwester Agnes, die vor elf Jahren nach Fürstenfeldbruck gekommen ist, "es ist das, was ich immer machen wollte." Gleichwohl registriert sie, dass der Arbeits-, Kosten- und Zeitdruck im Pflegebereich zugenommen hat. Zudem kommen die Menschen mittlerweile erst im höheren Alter ins Heim, wenn sie zumeist bereits sehr pflegebedürftig sind. Und für die Mitarbeiter ist auch die Bürokratie gestiegen, alles muss mittlerweile dokumentiert werden. "Da bleibt manchmal schon etwas auf der Strecke", sagt Schwester Agnes. Gerade deswegen wissen die Bewohner das Wirken der Schwestern sehr zu schätzen.

1859 beginnt eine Ära

Am 28. August 1849 gründet Elisabeth Eppinger, die spätere Mutter Alfons Maria, in ihrem Heimatort Bad Niederbronn im Elsass die Kongregation der Schwestern vom Göttlichen Erlöser (Niederbronner Schwestern). Ihre Zielsetzung war es, die Kranken und Armen "Gottes nie endende Zuwendung und Barmherzigkeit erfahren zu lassen" - an Leib und Seele. Im Januar 1859 übernahmen zwei Niederbronner Schwestern die Pflege im Brucker Krankenhaus. Sie waren zugleich auch noch in der Hauskrankenpflege tätig. In der Kirchstraße, an der Stelle des heutigen Theresianums, entstand in den Zwanzigerjahren durch Um- und Ausbau eines alten Stadels Wohnraum für die Kommunität der Niederbronner Schwestern samt Jugendheim. Der 1932 fertig gestellte Neubau wurde nach der Heiligen Teresia von Avila benannt - als Theresianum.

Es gab den Niederbronner Schwestern Wohnung und war zugleich ein Alters- und Ledigenheim sowie eine Schule für Hauswirtschaft und ambulante Krankenpflege. Bis 1979 war zeitweilig auch ein Kindergarten untergebracht. 1979 wurde mit der Fertigstellung des Westflügels das Theresianum zum heutigen Alten-, Wohn- und Pflegeheim erweitert. Bis 1985 war es Kloster, Schule mit Internat und Heim für alte Menschen in einem. Schule und Internat wurden wegen des Mangels an Schülerinnen für Hauswirtschaft und Kinderpflege geschlossen. In die freigewordenen Räume zogen zunächst Niederbronner Schwestern im Ruhestand ein. Nach und nach wandelte sich das Theresianum zu jenem Alten- und Pflegeheim, das es heute ist. 2008 wurde ein neuer Erweiterungsbau eingeweiht. Am Rande der 150-Jahr-Feier wurde der alte Rassoschulhof in Niederbronnerplatz umbenannt. slg

Immerhin stehen heute viel mehr technische Hilfsmittel zur Verfügung, die die tägliche Arbeit der Pflegekräfte erleichtern. So gibt es im Theresianum seit einigen Jahren so genannte Sensormatten und Niederflurbetten. Sie seien für die Pflege ein technischer Segen, sagt Daniela Stark. Betritt eine Person die Sensormatte, so sendet diese automatisch ein Signal an die Mitarbeiter. Diese können reagieren, ohne beispielsweise demente Senioren ständig im Auge behalten zu müssen. Niederflurbetten helfen zudem, Stürze zu verhindern. Gerade die Kombination dieser beiden Hilfsmittel trägt laut Seefried dazu bei, "dass wir keine Fixierungen mehr anwenden müssen. Seit mehreren Jahren mussten wir keine derartigen freiheitsentziehenden Maßnahmen mehr anwenden."

Pflege: Die Frühstücksrunde im geronto-psychiatrischen Bereich.

Die Frühstücksrunde im geronto-psychiatrischen Bereich.

(Foto: Theresianum)

In Verbindung mit dem "hervorragend qualifizierten Pflegepersonal" könne damit gewährleistet werden, dass die Bewohner auch bei hohem Pflegebedarf noch selbstbestimmt am Leben teilhaben. Jeder Bewohner könne zudem sein Zimmer selbst gestalten, habe freie Arztwahl und erhalte eine gesundheitsvorsorgende Beratung und Betreuung. Auch kulturelle Veranstaltungen seien wichtig. "Gerne besuchen unsere Bewohnerinnen und Bewohner zum Beispiel den Marktsonntag, den Leonhardi-Ritt, das Volksfest und viele weitere traditionelle Feste und Veranstaltungen." Durch die enge Zusammenarbeit mit der Pfarrei gebt es auch immer wieder Begegnungen mit Menschen außerhalb des Hauses. "So können Kontakte und Bekanntschaften gepflegt werden", betont Daniela Stark. Stolz sind sie und Armin Seefried auch auf den vor einem Jahr neu gestalteten gerontopsychiatrischen Bereich, in dem viele Patienten mit Demenz leben, mit seiner täglichen Frühstücksrunde. Da gibt es keine vom Personal eingedeckten Tabletts, sondern die Bewohner bedienen sich selbst. In den Pflegebereichen können diese selbst entscheiden, was sie frühstücken möchten. Grundsätzlich kann man etwa beim Mittagessen aus drei verschiedenen Menüs wählen, oder einzelne Komponenten verändern, wenn etwa Krankheiten, Allergien oder Lebensmittelunverträglichkeiten vorliegen.

Im Wohnbereich "Magdalena" leben bis zu 25 der insgesamt um die 150 Bewohner des Theresianums in Einzel- oder Doppelzimmern. Das Herzstück des Bereichs ist die etwa hundert Quadratmeter große Wohnküche mit Sitzgruppen, Herd, Küchenmaschinen, einer großen Tafel sowie bunten Vorhängen an den Wänden.

Die Feierlichkeiten zu 160 Jahre Niederbronner Schwestern in Fürstenfeldbruck finden am Sonntag, 8. September, unter dem Motto "Mut - Ausdauer - Tatkraft" statt. Ein Festgottesdienst mit Domkapitular Prälat Lorenz Kastenhofer in der Gartenanlage im Theresianum beginnt um 10.30 Uhr. Von 13.30 Uhr an folgen weitere Programmpunkte und eine historische Präsentation in der Kapelle. Von 14 Uhr an gibt es Kaffee und frischen Blechkuchen aus "Großmutters Zeiten". Der Tag wird um 16.30 Uhr mit einer Vesper in der Kapelle abgeschlossen.

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