Parteiaustritt:Herwig Bahner wechselt zur FDP

Bruck: Konstituierende Stadtratssitzung / Stadtrat / RATHAUS

Direkt nach der Kommunalwahl 2014 ist Herwig Bahner noch gut drauf - das ändert sich bald darauf.

(Foto: Johannes Simon)

Der 57-Jährige begründet seinen Austritt aus der CSU und der Fürstenfeldbrucker Stadtratsfraktion mit Unzufriedenheit über die Politik der Union

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die CSU-Fraktion im Stadtrat verliert ein profiliertes Mitglied: Herwig Bahner, seit 28 Jahren Stadtrat, davon 21 an der Spitze der CSU-Fraktion, tritt aus. Das teilte er Fraktionschef Andreas Lohde in einem Brief mit. Der 57-Jährige gibt nach 34 Jahren auch gleich noch sein CSU-Parteibuch zurück und wechselt zur FDP. Bahner war mit mancher Personalentscheidung "auf örtlicher Ebene" nicht einverstanden, begründet seinen Entschluss aber mit der Bundespolitik. Bei den Christsozialen herrscht Katerstimmung, während sich FDP-Stadtrat Klaus Wollenberg über die Verstärkung freut.

Der Austritt hatte sich bereits seit Monaten angekündigt, hatte der Volkswirt und Jurist, der das auf dem Fliegerhorst ansässige Dienstleistungszentrum der Bundeswehr leitet, doch kaum eine Gelegenheit ausgelassen, über Merkel oder Seehofer herzuziehen. Auch das Sozialministerium und die Regierung von Oberbayern kamen in der Debatte um die Belegung der Flüchtlingsunterkunft am Fliegerhorst bei dem kantigen Politiker nicht gut weg.

In seinem dreiseitigen Brief an Lohde, der mit den Worten: "Nimm's nicht persönlich und viele Grüße", endet, macht Bahner klar, dass er Persönlichkeiten vom Schlage eines Franz Josef Strauß vermisst. Er geißelt Debatten über "völlig bedeutungslose" Themen wie die Autobahnmaut und schimpft, dass Bayern 2015 nichts gegen die Flüchtlingswelle unternommen habe. Gleichwohl macht Bahner deutlich, dass er eine Obergrenze für verfassungswidrig hält. Und er bekennt sich zum grundgesetzlich verbrieften Asylrecht und der von der Genfer Konvention garantierten - zeitlich befristeten - Aufnahme von Flüchtlingen. Allerdings hält er "weniger als ein Prozent" der Anträge für berechtigt. Bahner plädiert für ein Einwanderungsgesetz und auch für die Beibehaltung von Euro und EU.

Das Angebot Lohdes, als Parteifreier weiter der CSU-Fraktion anzugehören, hat sich durch die Mitgliedschaft bei der FDP erledigt. "Zumindest bleibt er so dem bürgerlich-konservativen Lager erhalten", sagte Lohde am Montag. Lohde bedauert den Schritt Bahners und betont, man gehe "nicht im Streit auseinander". Gründe in der Fraktion gibt es nach Überzeugung Lohdes nicht. So sei Bahner nach der zurückliegenden Kommunalwahl ausdrücklich einverstanden gewesen, seinen Posten als Fraktionschef abzugeben.

In Fraktion und Ortsverband schwankt die Stimmung zwischen Schulterzucken und Kopfschütteln. Bahner habe sich trotz des Vizepostens seit zwei Jahren zunehmend aus der Arbeit zurückgezogen, heißt es. Er sei jemand, der beim Atomausstieg oder in der Flüchtlingspolitik ausgefahrene Wege nicht verlassen wolle und auf die Einhaltung überholter Verträge poche, statt auf ihre zeitgemäße Überarbeitung zu drängen. Ein anderer erinnert daran, dass Bahner bei der Kommunalwahl auf Platz elf und damit "weit nach hinten" durchgereicht worden sei. Man solle ihn ziehen lassen, "wenn er keine Lust mehr hat" - statt ihn mit einer Rolle rückwärts nach dem Parteiaustritt zum Bleiben in der Fraktion zu überreden. Nach großer Wehmut klingt das nicht.

Andererseits gilt Bahner sehr wohl als kompetent. Und deshalb freut sich Klaus Wollenberg, dass Bahner zur FDP will und nicht etwa zur Fraktion der Freien Wähler, die von den beiden Ex-Christsozialen Franz Neuhierl und Georg Stockinger gebildet wird. "Ich finde das richtig toll", sagt der liberale Einzelkämpfer im Stadtrat. In Bahner sieht er einen "tollen Verbündeten und einen der brillantesten Köpfe im Stadtrat", mit dem es kaum politische Streitpunkte gebe. "Menschlich ticken wir ziemlich gleich."

Eng werden könnte es allerdings für Dieter Kreis von der ÖDP, mit dem Wollenberg bislang eine Ausschussgemeinschaft bildet. Wird Bahner FDP-Mitglied und ermöglicht damit wieder die Bildung einer Zwei-mann-FDP-Fraktion, so wie dies bereits bis 2014 der Fall war, dann wäre Kreis das fünfte Rad am Wagen. Wollenberg bezeichnet es als echten Wermutstropfen, dass die gemeinsamen Tage mit Dieter Kreis gezählt sein könnten, obwohl er sich exzellent mit dem ÖDP-Politiker verstehe und diesen gerne im Boot behalten würde. Sollte Kreis bleiben wollen, müsste er freilich der dann neuen FDP-Fraktion beitreten - und 2020 erneut 250 Unterschriften sammeln, um für die ÖDP an der Kommunalwahl teilnehmen zu können. Alternativ könnte er sich gleich der parteilosen Ausschussgemeinschaft Alexa Zierl/Florian Weber anschließen. Kreis hat zurzeit andere, familiäre Sorgen und will sich erst in den nächsten Tagen mit der Thematik beschäftigen. Die Aufnahme Bahners sei jedenfalls kein "Nogo", sagte er am Montag.

Herwig Bahner wird nun OB Erich Raff offiziell informieren, so dass bereits in der nächsten Stadtratssitzung am 24. Oktober die Sitzverteilung in den Fachausschüssen neu geregelt werden kann. Dann dürfte Bahner bereits Mitglied der Partei sein, zu der seine Frau längst gewechselt ist und die ihm vor der Bundestagswahl auch der Wahlomat empfohlen hat: die FDP (zweiter Platz: Bayernpartei).

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