Besser hätte der Zeitpunkt wohl nicht gewählt sein können: Erst diese Woche wurde bekannt, dass Kreisheimatpfleger Toni Drexler nach 35 Jahren sein Amt abgibt. Nun erscheint an diesem Samstag ein Buch, das man ohne Übertreibung Drexlers Lebenswerk nennen darf. Es ist sein Verdienst, dass das Haspelmoor historisch kartografiert ist, wie kaum ein anderer Fleck im Landkreis. Und all die Erkenntnisse, die er in den vergangenen Jahrzehnten über das Moor gewonnen hat, hat er nun in einem interessanten und spannenden Buch mit dem Titel "Das Haspelmoor" zusammengefasst.
Der Verdienst Drexlers ist es, herausgearbeitet zu haben, was für eine spannende Region dieses Moor ist. Denn es gibt nicht nur ein bisschen Lokalgeschichte zu erzählen, sondern viele Erkenntnisse über die Entwicklung der Menschheit von der Steinzeit bis in die Moderne. Wie unter einem Brennglas kommt im Haspelmoor nämlich einiges zusammen: früheste steinzeitliche und römische Besiedlung, technischer Fortschritt, soziale Spannungen in Folge der Industrialisierung, frühe Umweltzerstörung, Nutzung durch die Nationalsozialisten. Das Buch schafft es, den Bogen über mehr als 10 000 Jahre Besiedlungsgeschichte zu schlagen, dabei jeder Epoche den richtigen Raum einzuräumen und - ganz wichtig - dabei nie zu langweilen. Ergänzt wird dieser umfassende historische Teil um ein Kapitel mit Kunst, Kultur und Anekdoten und einem Gastbeitrag von Siegfried Hagspiel über die biologische und geologische Geschichte des Haspelmoors. Die Fotografien von Robert Hoiss dokumentieren die Vielfalt der Natur- und Pflanzenwelt.
Der historische Teil beginnt mit den Funden aus dem Mesolithikum, also etwa 9600 bis 5500 Jahre vor Christus. Etwa 15 000 Exponate liegen aus dieser Zeit vor. Interessant ist etwa eine Obsidianklinge, die eindeutig von der ägäischen Insel Melos stammt. Sie ist der bislang einzige Nachweis von Obsidiannutzung in dieser Zeit, andere Funde sind wesentlich jünger. Und sie legt den Schluss nahe, dass bereits zu dieser Zeit irgendeine Art von Handel über Tausende Kilometer bestanden hat. Mit vielen Karten und Grafiken macht Drexler für den Leser gut nachvollziehbar, worüber er schreibt.
Ziemlich spannend wird die Geschichte des Moores dann wieder mit dem Bau der Eisenbahnstrecke München-Augsburg, deren Planungen im November 1835. Anhand ausführlicher Zitate aus Originalquellen zeichnet das Buch die Baugeschichte nach - mitsamt der Auswirkung auf die Menschen. Vor allem der nach dem Bau folgende Torfabbau ist für die Region prägend. Zahlreiche Arbeitslose aus ganz Bayern strömen in der Hoffnung auf eine Beschäftigung ins Moor. Das führt zu sozialen Spannungen, Armut, Krankheiten. Gerade in diesem Kapitel erzählt Drexler ganz nah an den Menschen, beschreibt die unwürdigen Bedingungen. Wichtige Personen stellt er immer wieder mit herausgehobenen Kurzbiografien vor.
Ausführlich geht er auch auf die Geschichte des Moores in der Zeit der Nationalsozialisten ein - vom Freiwilligen Arbeitsdienst über den Einsatz von Zwangsarbeitern bis zur Bombardierung durch die Alliierten. Dazu hat Drexler mehrere Zeitzeugen befragen können, die er auch ausführlich zu Wort kommen lässt.
Freilich ist das Buch keines, das man an einem Wochenende durcharbeiten kann. Es ist vielmehr ein im besten Sinne populärwissenschaftliches Lesebuch, in dem es sich immer wieder lohnt zu stöbern und Neues zu entdecken. Egal, ob es einem gerade nach leichten Anekdoten ist, nach Erkenntnissen aus der Frühzeit der Menschheitsgeschichte oder biologischem Fachwissen.
"Das Haspelmoor", Buchvorstellung mit dem Autor Toni Drexler, diesen Samstag von 19 Uhr an im Gasthaus Eberl in Hattenhofen. Erschienen ist das Buch im Wißner Verlag, 280 Seiten, 18 Euro