Fürstenfeldbruck:Erinnern, mahnen und verzeihen

Fürstenfeldbruck: "Ich bitte Sie um Vergebung", sagt Steinmeier gegen Ende seiner Rede, es ist der zentrale Satz. Und er wird gehört. Ankie Spitzer (re.) und Ilana Romano (li.) mit dem Bundespräsidenten.

"Ich bitte Sie um Vergebung", sagt Steinmeier gegen Ende seiner Rede, es ist der zentrale Satz. Und er wird gehört. Ankie Spitzer (re.) und Ilana Romano (li.) mit dem Bundespräsidenten.

(Foto: Guido Bergmann/dpa)

Der 50. Jahrestag des Olympia-Attentats wird auf dem Fliegerhorst mit einem Staatsakt begangen. Dabei gibt Landrat Thomas Karmasin ein Versprechen ab.

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

"Wir bleiben da, Jahr für Jahr", verspricht Landrat Thomas Karmasin (CSU) an diesem historischen Tag für Fürstenfeldbruck. Es sind die Schlussworte seiner kurzen Ansprache, die er am Ende der Rednerliste an die mehr als 800 Gäste im Zelt vor dem alten Tower im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck richtet. Er verspricht vor allem den Angehörigen der Opfer des Olympia-Attentats von 1972, dass sich die Menschen im Landkreis jeden 5. September wieder vor der Gedenkstätte am Kasernentor treffen, mindestens so lange, bis der Tower als authentische Erinnerungsstätte genutzt werden kann. Doch ob Karmasins Worte nach dem Staatsakt bei jenen politischen Entscheidern nachhallen werden, kann an diesem Montagnachmittag niemand wissen.

Es ist der Tag der Erinnerung und des Gedenkens an die zwölf Opfer des Anschlags auf die israelische Olympiamannschaft. Vor 50 Jahren ist in München und Fürstenfeldbruck Schreckliches passiert, bis dahin Unvorstellbares. Gerhard Landgraf, im September 1972 gerade zwei Monate im Amt des Bürgermeisters und ein großer Sportfan, erinnert sich an seine Ausflüge nach München, wo er auf der Suche nach Eintrittskarten war. "Wir haben auch vor den Stadien getauscht, was ja eigentlich verboten war", erzählt er verschmitzt, um sogleich ernst zu werden: "Und dann passiert diese Katastrophe." Von seinem Balkon in Maisach hört er die Schüsse, sieht Lichtblitze und weiß doch nicht genau, was an jenem Abend wirklich vor seiner Haustür passiert.

Fürstenfeldbruck: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder legt zusammen mit seiner Frau und Landrat Thomas Karmasin und dessen Frau Kränze vor dem alten Tower nieder.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder legt zusammen mit seiner Frau und Landrat Thomas Karmasin und dessen Frau Kränze vor dem alten Tower nieder.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Landgraf sitzt an diesem Montagnachmittag als Gast in dem weißen Zelt, umrahmt von politischen Weggefährten. Hans Thurner, ehemals Bürgermeister von Mammendorf ist da, auch der Maisacher Gemeinde- und Kreisrat Gottfried Obermair hat sich in Landgrafs Nähe gesetzt. Sie erleben den Staatsakt mit dem Bundespräsidenten, dem israelischen Staatspräsidenten und den Angehörigen aus der Distanz der hinteren Reihen, aber sie haben zum Glück einen Sitzplatz in der Nähe eines Eingangs erwischt. Das Zelt hat sich aufgeheizt, das Programmheft wird zum Fächer, und die Ehrenamtlichen der Rettungsdienste sind vorbereitet und bauen schon ihre fahrbaren Tragen auf. Einige wenige trauen sich an die Bar und begehren Mineralwasser.

Es sind nur wenige, denn es wird von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Bitte an die Angehörigen um Vergebung zu erwartet. Im Vorfeld des 50. Gedenktages war der Streit um Entschädigungszahlungen eskaliert, bis eine Einigung erzielt werden konnte und die Familien samt Israels Staatspräsident Isaac Herzog die Einladung nach Fürstenfeldbruck dann doch annahmen. Steinmeier bekennt sich zur "deutschen Verantwortung" und sagt, an diesem Ort, dem Fliegerhorst, sei Vertrauen beschädigt worden. Jene, die dort und in München starben, nennt er beim Namen: Amitzur Shapira, Kehat Shor, Mark Slavin, Moshe Weinberg, Eliezer Halfin, Yossef Gutfreund, Yossef Romano, Yakov Springer, Ze'ev Friedmann, David Berger, Andrei Spitzer und der bayerische Polizeibeamte Anton Fliegerbauer. Isaac Herzog nennt im Anschluss Steinmeiers Einlassungen "eine mutige historische Rede".

Fürstenfeldbruck: Israels Staatspräsident Isaac Herzog

Israels Staatspräsident Isaac Herzog

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Es sind die Worte, auf die die überlebenden Sportler, die Familien der Opfer und viele in Israel wohl gewartet haben. Viel zu lange, wie Stimmen im Publikum vor und nach der Gedenkfeier betonen. Menschen, die die Polizeiaktion in Fürstenfeldbruck miterlebt haben und die Toten sahen, oder, wie Ankie Spitzer, die Sprecherin der Hinterbliebenen, am folgenden Tag den Tatort besichtigten, haben das alles nicht vergessen. Hans Völkl, damals ein junger Luftwaffensoldat und im Tower beschäftigt, hat ebenfalls schwer zu schleppen an dem Trauma dieses Septemberabends.

Er sah aus unmittelbarer Nähe, wie der Polizist Anton Fliegerbauer tödlich verletzt wurde. Hölzl ist dieses Jahr mehrmals eingeladen worden, um als Zeitzeuge zu berichten. 50 Jahre später auf den Fliegerhorst zu kommen, sagt er, "ist jedes Mal wieder ein Härtetest." Aber auch er wird sicher wiederkommen, wenn das Zelt für den Staatsakt längst abgebaut ist.

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