Entschädigung und Gedenkstätte:Fürstenfeldbrucker Stadträte wenden sich an den Bundespräsidenten

Entschädigung und Gedenkstätte: Bislang gibt es in Fürstenfeldbruck zur Erinnerung an die Opfer des Olympia-Attentats nur die Gedenkstätte vor dem Fliegerhorst.

Bislang gibt es in Fürstenfeldbruck zur Erinnerung an die Opfer des Olympia-Attentats nur die Gedenkstätte vor dem Fliegerhorst.

(Foto: Johannes Simon)

Weil es in vielen Fragen rund um das Olympia-Attentat vor 50 Jahren kaum vorangeht, schlagen Klaus Wollenberg (FDP) und Georg Jakobs (CSU) nun eine internationale Stiftung vor - und hoffen dabei auf Unterstützung durch das Staatsoberhaupt.

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Im Streit um die Entschädigungsleistungen für die Hinterbliebenen des Olympia-Attentats von 1972 kommt ein neuer Vermittlungsvorschlag nun aus Fürstenfeldbruck. Aus der Stadt, die vor 50 Jahren Schauplatz des Massakers auf dem Fliegerhorst war, melden sich die beiden Fürstenfeldbrucker Stadträte Klaus Wollenberg (FDP) und Georg Jakobs (CSU) zu Wort. Zwei Wochen vor dem Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Gedenkfeier für die Opfer des Olympia-Attentats von 1972 haben sie dem deutschen Staatsoberhaupt nun per Mail die Gründung einer Stiftung vorgeschlagen. Die solle sich nicht nur um die Erinnerungsarbeit und das Gedenken an die Opfer kümmern, sondern könnte auch die Angehörigen der elf ermordeten israelischen Sportler entschädigen. Eine Antwort haben die beiden Kommunalpolitiker noch nicht in ihrem E-Mail-Eingang, aber sie sind zuversichtlich, mit ihrem Vorstoß etwas zu bewirken.

Zum 50. Jahrestag des Terroranschlags auf die israelische Nationalmannschaft sollen am 5. September sowohl der Bundespräsident als auch Israels Staatspräsident Isaac Herzog an der Gedenkfeier im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck teilnehmen. Für Wollenberg und Jakobs die Gelegenheit, damit "ein neues Kapitel der Verständigung und Versöhnung aufgeschlagen werden könnte". Die beiden Stadträte eint die Erkenntnis, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten weder die Bundesrepublik noch der Freistaat intensiv mit dem Gedenken an die Attentatsopfer und den bayerischen Polizeibeamten Anton Fliegerbauer gekümmert hätten. "Es war eine Politik des Verdrängens und des Vergessens", kritisiert Wollenberg. Jetzt, da noch Zeitzeugen und Angehörige leben, sei es an der Zeit, sich zu der Verantwortung für das Scheitern des Befreiungsversuchs zu bekennen und den Hinterbliebenen angemessene Entschädigungen zu bezahlen. Ebenso passiv hätten sich Bayern und der Bund bei den Bemühungen zur Errichtung einer Gedenkstätte verhalten: "Sie machen sich einen schlanken Fuß", so Wollenberg.

Entschädigung und Gedenkstätte: Bei der Trauerfeier für die ermordeten Sportler am 6. September 1972 weht die Olympiafahne auf halbmast. Die Spiele werden fortgesetzt.

Bei der Trauerfeier für die ermordeten Sportler am 6. September 1972 weht die Olympiafahne auf halbmast. Die Spiele werden fortgesetzt.

(Foto: Horstmüller/imago)

Zusammen mit seinem Stadtratskollegen Jakobs ist er der Ansicht, dass eine internationale Stiftung gegründet werden sollte, getragen durch die Bundesrepublik Deutschland und den Staat Israel, den Freistaat Bayern, den Landkreis und die Stadt Fürstenfeldbruck sowie vom Nationalen und dem Internationalen Olympischen Komitee. Nachdem man diesen Gedanken unlängst der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, vorgetragen habe, wende man sich nun vor dem Gedenken am 5. September an den Bundespräsidenten. Denn Jakobs und Wollenberg können sich vorstellen, dass sich eine Stiftung nicht nur um die Aufarbeitung der Geschehnisse von 1972 und um die Gedenkarbeit kümmern könnte, sondern auch in Entschädigungsfragen tätig werden könnte. Wollenberg stellt sich vor, dass eine Stiftung im direkten Kontakt mit dem Angehörigen eine Entschädigung "ganz praktisch umsetzen" könne.

Dringend sei auch die Entscheidung zu fällen, den alten Tower als historischen Schauplatz nicht in die Konversion, also die Immobilienverwertung zu geben, sondern im Bundes- oder Stiftungseigentum zu belassen. So bekäme man zu dem derzeit entstehenden digitalen Erinnerungsort auch einen realen.

Entschädigung und Gedenkstätte: Olympia-Attentat: Nach Mitternacht wird in einem der Hubschrauber auf dem Flugfeld Fürstenfeldbruck eine Handgranate gezündet.

Olympia-Attentat: Nach Mitternacht wird in einem der Hubschrauber auf dem Flugfeld Fürstenfeldbruck eine Handgranate gezündet.

(Foto: Max Scheler/SZ Photo)

Was damals dort passiert ist, hat Klaus Wollenberg noch heute vor Augen. Als 20-Jähriger hat er die Ereignisse in Fürstenfeldbruck unmittelbar mitbekommen. Zu Hause in der Flurstraße habe am Fernsehen das Geschehen in München verfolgt und als er das typische Knattern der Grenzschutz-Hubschrauber über Fürstenfeldbruck gehört habe, sich sofort zusammen mit seinem drei Jahre älteren Bruder zur Kaserne aufgemacht. Am Haupttor sei zu viel los gewesen, deshalb seien sie mit dem Auto zum Maisacher Tor am Flugplatzzaun gefahren und hätten dort den Beginn der Schießerei erlebt, berichtet Wollenberg.

Entschädigung und Gedenkstätte: Ausgebrannt steht einer der beiden Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes auf dem Vorfeld des Militärflugplatzes Fürstenfeldbruck. Die Geiseln kamen darin ums Leben.

Ausgebrannt steht einer der beiden Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes auf dem Vorfeld des Militärflugplatzes Fürstenfeldbruck. Die Geiseln kamen darin ums Leben.

(Foto: Heinz Gebhardt/imago)

Der 70-Jährige erinnert sich daran, dass ihnen mit zunehmender Dauer des Schusswechsel "mulmig geworden" sei und sie mit dem Auto auf eine Anhöhe bei Lindach gefahren seien. Von dort hätten sein Bruder und er den hell erleuchteten Vorplatz am Tower gesehen, seien aber nach zwei Stunden nach Hause zurückgekehrt. Mit der frisch eingetroffenen, aber völlig falschen Nachricht, dass alle Geiseln befreit worden wären, seien sie ins Bett gegangen und am nächsten Morgen mit der viel schrecklicheren Nachricht vom Tod der Israelis und des Polizisten konfrontiert worden. Seither sei dieses Versagen des Staates am 5. September 1972, in den darauf folgenden Tagen und Wochen sowie den späteren Jahrzehnten nicht offiziell eingeräumt worden. Der Initiative von Landrat Thomas Karmasin sei es zu verdanken, dass es vor dem Fliegerhorst einen Gedenkstein gebe und der Landkreis jährlich an die Opfer des 5. September erinnere.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: