Süddeutsche Zeitung

Olympia-Attentat 1972:Widerstand mit dem Leben bezahlt

Der Gewichtheber Yossef Romano stellt sich im September 1972 den Terroristen in den Weg. Jetzt erinnert der Eichenauer Sportverein mit einem Turnier an den ermordeten Gewichtheber.

Von Erich C. Setzwein, Eichenau

Bevor der Fliegerhorst Fürstenfeldbruck im September Schauplatz für das Gedenken an die vor 50 Jahren dort ermordeten neun israelischen Sportler und einen bayerischen Polizisten sein wird, werden an diesem Freitag schon Sportler dort stehen, wo die Tragödie 1972 ihr Ende nahm. Es werden die Teilnehmer eines Gedächtnisturniers für Yossef Romano sein, das der Eichenauer Sportverein (ESV) zusammen mit dem Historischen Verein für den Landkreis Fürstenfeldbruck am Wochenende ausrichtet. Yossef Romano war eines der beiden Opfer, das Mitglieder der palästinensischen Terrorgruppe Schwarzer September bei ihrem Überfall auf die israelische Nationalmannschaft im olympischen Dorf in München erschossen. In diesem Jahr erinnert ein gemeinsames Projekt "Zwölf Monate - Zwölf Namen" unter Leitung des Jüdischen Museums München jeden Monat an eines der vor 50 Jahren getöteten Opfer. Im Juni ist es der Gewichtheber Romano.

"Mir ist das alles erst im Laufe der Planungen bewusst geworden", sagt Max Schamberger, 32 Jahre alt, Zweiter Vorsitzender des Eichenauer SV und ehemaliger Gewichtheber. Die Friesenhalle in Eichenau war während der Olympischen Spiele von München Trainingsort für Gewichtheber. Noch heute stehen den Eichenauer Gewichthebern Geräte von 1972 zur Verfügung, wie etwa eine Schale für das für die Hände benötigte Magnesia, auch Gewichtsscheiben sind noch vorhanden, auch wenn sie nicht mehr benützt werden, wie Schamberger berichtet. Am Eichenauer Olympiastützpunkt trainierten damit Gewichtheber aus der damaligen Sowjetunion.

Für die Eichenauer Sportler ist die Beschäftigung mit dem israelischen Gewichtheber eine Zeitreise. In eine Zeit eben, die sie nicht erlebt haben. Freilich weiß man im Landkreis Fürstenfeldbruck durch die jahrelange Erinnerungsarbeit und das jährliche Gedenken vor dem Fliegerhorst, was in Fürstenfeldbruck 1972 geschehen ist. In diesem Jahr wird den Opfern mehr Zeit gewidmet als sonst, im Juni eben Yossef Romano. Ihm sowie seinen ebenfalls ermordeten Gewichtheberkollegen David Berger, Zeev Friedman und dem Kampfrichter Yakov Springer ist das Gedächtnisturnier gewidmet, von dem Max Schamberger sagt: "Es ist uns eine Ehre, dass wir es veranstalten dürfen."

Yossef Romano wird 1940 im libyschen Bengasi geboren, muss aber mit seinen elf Geschwistern und seinen Eltern wegen antisemitischer Unruhen ins damalige Palästina fliehen. Er geht in Herzlya zur Schule, macht eine Lehre als Raumausstatter und wird per Zufall als Gewichtheber-Talent entdeckt. In den Sechzigerjahren dominiert er die israelischen Meisterschaften im Mittelgewicht, wie das Jüdische Museum in seiner Biografie schreibt. Mit 32 Jahren nimmt er an den Olympischen Spielen in München teil. Als er sich beim "Drücken" eine Sehne im Knie reißt, sind für ihn die Wettbewerbe vorzeitig zu Ende. Am Morgen des 5. September wird er wie alle anderen seiner Mannschaft von dem Überfall der palästinensischen Terroristen überrascht, setzt sich aber zur Wehr und wird angeschossen und schwer verletzt. Weil es keine ärztliche Versorgung gibt, verblutet Romano im Apartment an der Connollystraße.

Die am Gedächtnisturnier teilnehmenden Sportler aus Bayern sowie dem Jugendkader der israelischen Nationalmannschaft werden am Freitag im Fliegerhorst zusammenkommen, sich am Samstag treffen und gemeinsam essen und am Sonntag, 19. Juni, von 9.30 Uhr an in der Friesenhalle heben. Veranstalter sind der Eichenauer Sportverein und der Historische Verein für die Stadt und den Landkreis Fürstenfeldbruck, der Eintritt ist frei.

Der ESV selbst könnte ein wenig Werbung gut vertragen, hat doch die Gewichtheberabteilung nicht mehr den großen Zulauf. "Wir haben kaum noch Nachwuchs und nehmen in der Bayernliga in einer Hebergemeinschaft mit dem ASV Neu-Ulm teil", sagt Max Schamberger. In der Hochphase des Eichenauer Gewichthebens um die Jahrtausendwende war die erste Mannschaft in der ersten Liga, die zweite Mannschaft in der zweiten Liga.

Zwölf Monate- Zwölf Namen: Im Landkreis Fürstenfeldbruck fanden in diesem Jahr die Gedenkveranstaltung für den beim Befreiungsversuch der israelischen Geiseln ums Leben gekommenen Polizeibeamten Anton Fliegerbauer (Februar), eine Ausstellung auf dem Jexhof über den Gewichtheber Zeev Friedman (März), sowie eine Ausstellung im Landratsamt über den Ringer Eliezer Halfin statt (Mai). Im September soll an Mark Slavin erinnert werden, und im November befasst sich das Graf-Rasso-Gymnasium mit dem Schicksal Yakov Springers.

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