Süddeutsche Zeitung

Wohneigentum:Vor dem Nichts

19 junge Familien wollen sich ihren Traum vom eigenen Haus in Olching erfüllen. Nun ist die Baufirma pleite. Wann die Häuser fertig gestellt werden, steht in den Sternen. Auch die Handwerker müssen bangen

Von Ingrid Hügenell, Olching

Den Albtraum jedes Häuslebauers - 19 Familien, die am Olchinger Schwaigfeld bauen, erleben ihn gerade. Die Firma, die ihre Häuser errichten sollte, ist seit Montag insolvent. Alle Arbeiten an den Gebäuden, die eigentlich bis 31. Dezember 2018 hätten bezogen werden sollen, wurden eingestellt. Dabei sind die meisten keineswegs fertig. Von den 28 Gebäuden sind nur neun Reihenhäuser schon bezogen. Sieben Einfamilienhäuser und sechs Doppelhaushälften stehen kurz vor der Fertigstellung.

Am schlimmsten hat es aber die Familien getroffen, die die sechs "Gartenhofhäuser" gekauft haben. Denn die stehen noch im Rohbau da, an einen Einzug ist nicht zu denken - fünf Monate, nachdem die Häuser eigentlich bezugsfertig sein sollten. Für alle bedeutet das große Unsicherheit, eine enorme finanzielle Belastung, existenzielle Ängste. Auch die beteiligten Handwerksbetriebe sind betroffen, alle warten noch auf die Bezahlung bereits geleisteter Arbeit, einige stehen offenbar ihrerseits vor dem Bankrott.

Das Immobilienzentrum Regensburg, das beim Verkauf den Bauherren zufolge immer als der große Garant angepriesen wurde, will keine Verantwortung übernehmen. Denn die Käufer haben die Verträge mit dem Immobilienzentrum Fürstenfeldbruck und der Firma Siwo-Bau, die jetzt insolvent ist, geschlossen und nicht mit dem IZ Regensburg selbst. Letzteres ist in die Spendenaffäre um den früheren Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs verwickelt, der frühere IZ-Geschäftsführer Thomas Dietlmeier hat in der Sache einen Strafbefehl akzeptiert. Gesellschaftsrechtlich ist die Siwo-Bau nicht mit dem IZ Regensburg verbunden, und laut einer Mitteilung der Immobilien Zentrum Holding AG vom Freitag auch das IZ Fürstenfeldbruck nicht mehr. Das Bauprojekt in Olching findet man jedoch noch auf der Homepage des IZ als Referenz.

Personelle Verbindungen gab es sehr wohl: Der Gesellschafter der Siwo-Bau, Ulrich Berger, gehörte bis vor einer Woche dem Vorstand des IZ an. Lange residierten beide an der selben Adresse in Regensburg. Der Vorstandsvorsitzende des IZ Regensburg, Reinhard Griebl, war bis April auch Geschäftsführer des IZ Fürstenfeldbruck, ist es nach eigenen Angaben nun aber nicht mehr. Der vorgebliche "Sicherheitsgarant" hat sich aus jeglicher Verantwortung für die Bauherren in Olching gezogen. Laut dem Schreiben vom Freitag rät das IZ Regensburg dem IZ Fürstenfeldbruck, den Olchingern ein Angebot zur Fertigstellung der Häuser zu machen, wie es mehr als 80 von der Pleite betroffene Bauherren in Regensburg erhalten haben. "Wir haben auch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass unabhängig der gegebenen rechtlichen Situation Hilfestellungen für die Bauherren erfolgen sollten", teilt Griebl mit. Ob ein solches Angebot kommt und ob es eine Lösung bietet, war am Freitag bei Redaktionsschluss unklar.

Viele der Olchinger Familien sind wütend über das Verhalten des IZ Regensburg, hoffen aber dennoch auf eine einvernehmliche Lösung. Ob die Siwo-Bau noch zu retten ist, muss der vorläufige Insolvenzverwalter Ivo-Meinert Willrodt klären. Der renommiert Fachanwalt, der viel Erfahrung in der Sanierung von Unternehmen hat, sei gegenwärtig in Gesprächen mit allen Beteiligten, teilt seine Pressesprecherin mit. Ziel sei es, "dem Unternehmen eine Zukunftsperspektive zu ermöglichen". Die Siwo-Bau ist Generalunternehmer des IZ und hat auch in München, Weilheim, Regensburg und Ingolstadt gebaut.

Die Perspektive der Olchinger Bauherren ist eher düster. Völlig unklar ist, ob und wann sie in ihre Häuser ziehen können, für die sie schon hohe Summen bezahlt haben. Dabei sei das meiste Geld, nämlich der Kaufpreis für die Grundstücke, je nach Größe um die 500 000 Euro, schon lange an das IZ Fürstenfeldbruck bezahlt worden. Für den Bau wurde weniger berechnet, für die Gartenhofhäuser etwa 380 000 Euro. Diese Summe sei von vornherein zu niedrig angesetzt gewesen, sagen die Bauherren jetzt. Aber man habe sie immer mit dem Hinweis auf das IZ Regensburg beruhigt, berichten sie.

Für Clemens und Nadine Schneider und ihren Sohn Elias wird die hohe finanzielle Belastung zunehmend existenzbedrohend. 4000 Euro zahlen sie momentan fürs Wohnen - pro Monat: "1800 Euro Miete, 2000 Euro Raten für das Haus und 250 Euro Bereitstellungszinsen", rechnet Nadine Schneider vor. Die Familie hat beim Hausbau knapp kalkuliert, die Eigentumswohnung, in der sie vorher wohnte, bereits verkauft und lebt in einem relativ teuren Übergangsquartier.

Die Lochs sind etwas besser dran. Denn sie haben zum Glück ihre Wohnung in München noch nicht verkauft. Robert Loch rechnet damit, dass er am Ende immerhin nicht pleite sein wird. Wenn sein Haus überhaupt fertig werden soll, muss er, wie die anderen Bauherren, vermutlich noch mal viel Geld hineinstecken. Er rechnet mit mindestens 50 000 bis 70 000 Euro zusätzlich. "Vielleicht können Familie oder Freunde einspringen", hofft er. Die Handwerker werden höhere Preise verlangen, wenn sich denn überhaupt welche finden, die die angefangenen Gewerke zu Ende bringen und die Gewährleistung übernehmen, und es braucht eine Bauleitung. Alle Bauherren haben sich einen Anwalt genommen, auch das kostet Geld.

Nicht nur die Bauherren, auch die beteiligten Handwerker sind existenziell bedroht. Die kaufmännische Leiterin einer Firma, die für eines der Hauptgewerke zuständig ist, berichtet von Außenständen in Höhe von 250 000 Euro. Für ihre relativ große Firma sei das vermutlich verkraftbar, sagt die Frau, die namentlich nicht genannt werden will. Kleinere Betriebe seien gefährdet, selbst in den Bankrott zu rutschen. "Bestimmt 30 Betriebe haben die letzten zwei Jahre umsonst gearbeitet." Die Bauherren erzählen die Geschichte eines Handwerkers, der weinend zusammengebrochen sei, als er von der Insolvenz der Siwo-Bau erfahren habe. Robert Loch sagt: "Wir haben alles bezahlt, wir Kunden, aber die Siwo-Bau hat es nicht weiter gegeben." Richtig um die Baustelle habe sich die Siwo auch nicht gekümmert, sagt die Kauffrau. So habe es in 20 Monaten fünf Bauleiter gegeben.

In ihrer Verzweiflung haben sich die Bauherren auch an die Stadt Olching und an Landrat Thomas Karmasin gewandt. Olchings Bürgermeister Andreas Magg ist derzeit nicht da, aber auch der geschäftsleitende Beamte Jürgen Koller weiß Bescheid. "Dieses Thema ist bei uns extrem hoch angesiedelt auf der Agenda", sagt er. "Aber die Stadt hat auch extrem wenig Einflussmöglichkeiten. Sie tut alles, was in ihren Kräften steht." Stephanie Deimhard, Sprecherin des Landrats, verspricht: "Wir tun alles, was geht. Aber wir haben wahrscheinlich keine große Handhabe."

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Quelle:
SZ vom 01.06.2019
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