Olching:Weya Haya vorm Tipi

Indianer

In Olching treffen sich Mitglieder der Free Bavarian Indians mit befreundeten Stammesmitgliedern.

(Foto: Günther Reger)

Die Free Bavarian Indians gehören zu einem Indianerstamm, den es nur im Olchinger Stadtteil Esting gibt.

Von Karl-Wilhelm Götte

Zwei Indianerinnen und zwei Indianer haben sich vor ihrem Tipi zusammengefunden. Indianer sind es zwar nicht, aber es sind weißhäutige Menschen, die sich als Indianer verkleidet haben. Sie schlagen auf ihre Trommeln und singen "Weya Haya". Den Rundtanz ersparen sich die Vier. Die Bedeutung von "Weya Haya" ist nicht bekannt. "Häufig sind das Silben ohne Bedeutung", sagt Norbert Voß. Die Gesänge der nordamerikanischen Indianer fußen häufig auf ihrer religiösen Kultur. "Es sind Laute, auch Gebete, die bei Indianern einfach ein inneres Gefühl ausdrücken oder ihr normales Leben beschreiben."

Treffen im Garten

Norbert Voß ist einer der Indianer, die sich Free Bavarian Indians nennen und sich 1993 im Olchinger Stadtteil Esting als Verein gegründet haben. "Wir stellen Angehörige der Plains-Stämme, der Prärieindianer, die 1850 bis 1900 lebten, dar", erzählt Voß weiter. "Wir sind keine Indianer", sagt er zur Klarstellung. Es gehe ihnen darum, vor allem die Kultur der Indianer nachzuempfinden. Diesmal sind zu Norbert Voß und seiner Frau Sabine noch eine Indianerin und ein Indianer von außerhalb zum monatlichen Vereinstreffen auf dem großzügigen Grundstück der Familie Voß gekommen.

Deren Garten bietet genügend Platz, um ihr Hobby auszuleben. Alle verkörpern mit ihrer Kleidung und den Accessoires einen nordamerikanischen Indianerstamm, den sie sich einst ausgesucht haben, weil sie sich mit ihm persönlich verbunden fühlen. "Das, was wir anhaben, ist überwiegend selbst gemacht", sagt Irene Ehrmann, die aus Kaufering zum Treffen gekommen ist. Sie trägt ein Rehledergewand mit vielen Fransen. Die 55 Jährige ist Lerntherapeutin von Beruf. "Mich berührt die Ideologie der Indianer", erläutert sie ihre Motivation. "Was sie innerlich erlebt haben, versuchen wir in Schulen den Kindern zu vermitteln." Seit sieben Jahren gehört sie dem Verein an.

Mit Schaffell und Glocken verziert

Helmut Strehler fällt mit seinem langen geflochtenen dunklen Haaren auf. Sein Teint schimmert braun-rötlich. "Das Haareflechten habe ich heute früh gemacht", erzählt Strehler, "das dauert eine dreiviertel Stunde." Strehler trägt einen Lendenschurz, eine Hirschlederweste und einen Brustpanzer aus Knochen. An den Füßen trägt er Mokassins mit Schaffell und mit Glocken versehen. "Indianer" ist er seit 20 Jahren, im Hauptberuf aber Metalldesigner. Kaum konnte der heute 54-jährige Erdinger lesen, verschlang er die Karl-May-Romane. "Beim Cowboy-und-Indianer-Spiel war ich immer der Indianer", erinnert sich Stehler gut. "Ich hatte das wohl schon immer im Blut." Mit seinem Hobby ist er viel unterwegs.

Demnächst fährt er wieder auf ein Tanzfest, zu einem "Powwow", ins Siegerland. Dort kommen 150 Tänzerinnen und Tänzer in indianischer Montur zusammen. Früher haben sich die verschiedenen Stämme der Indianer auch einmal im Jahr zu einem Powwow getroffen. Das Tipi im Garten der Familie Voß, dass geräumige Zelt mit Feuerstelle in der Mitte, ist für den Sommer gedacht.

Federn vom Steinadler

Doch an diesem etwas kühleren Herbstnachmittag ziehen es die vier Indianer vor, in den zu einer gemütlichen Hütte umgebauten Pferdestall hinten im Garten zu gehen. Alle vier tragen Festkleidung. Sabine Voß trägt zudem einen Kopfschmuck mit zwei Federn. "Die sind die eines Steinadlers", erzählt sie. Eine hängt noch herunter, die stammt von einem Seeadler. Sabine Voß trägt eine Kette mit vielen tausend Perlen und hat auch ihre "Liebesflöte" aus Zedernholz dabei.

Aber ein exaktes Nacharbeiten von alter Kleidung ist nicht die Ambition des Vereins. "Das halten wir gegenüber den damaligen Künstlern und Handwerkern für nicht angebracht", sagt Sabine Voß. Die Grundschullehrerin ist in ihrer Schule für ihr Indianerhobby bekannt. Zu Schuljahresbeginn begrüßt sie jedes Mal die neuen Kinder in der Aula mit ihrem Flötenspiel. "Das ist keine Kasperlaufführung, die Kinder nehmen das sehr ernst", erzählt Sabine Voß.

Vorbild Winnetou

Manchmal nimmt sie einen Stapel Federn mit und unterhält sich mit den Schülern über die Bedeutung der Federn. Am Ende eines Schuljahres organisiert sie mit ihrer Klasse ein Indianerfest. Sabine Voß kam wie viele andere auch über die Winnetou-Filme mit Pierre Brice mit dem Indianerthema in Berührung. Sie zieht mit ihren Indianern durch Kindergärten, Schulen oder Behinderteneinrichtungen. Sie wollen dort über die Ureinwohner Amerikas aufklären und Irrtümer bereinigen. So gibt es keinen Stamm der Sioux, sondern es ist eine Sprache der Indianer.

Momentan out

Der Verein lädt sich ab und zu einen Indianerkenner ein, um das Wissen zu erweitern. Norbert Voß, der Vorsitzende des Vereins, war als Beamter bei der Stadt München beschäftigt und mittlerweile 66 Jahre alt. Er würde sich über Nachwuchs bei den freien bayerischen Indianern. Doch das gestaltet sich schwierig. Indianer scheinen bei der Jugend momentan out zu sein. Karl Mays Romane lesen sie wohl nicht.

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