Olching:Wenn ein Graffiti tief blicken lässt

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"Eine vollbusige Bedienung in direkter Nähe mit dem Wappen" hält die Stadt Olching für unangemessen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Stadt Olching verbietet dem Gastwirt Peter Helfer die Verwendung des Wappens für eine Wandmalerei im Biergarten

Von Christian Hufnagel, Olching

Im Stil liegen die beiden Werke nicht weit auseinander. Im Gegenteil: Fern jeder naturalistischen Darstellung zeichnet die Bilder eine naiv-reduzierte Formen- und damit einfache Symbolsprache aus. Einerseits ist da ein Naturmotiv: ein grünes Schilfrohr mit schwarzem Kolben wird eingerahmt von grünen Halmen mit goldenen Ähren, durchzogen von einem blauen Wellenbalken, gewissermaßen gekrönt von einem Band bayerischer Rauten. Der Bezug wird hergestellt zu Landwirtschaft, moorigen Böden und zur Amper. Das andere Bild offenbart eine noch einfachere Symbolik, nämlich die überschäumende bayerische Biergenusskultur, der etwa jeder Wiesnbesucher auf diese Weise ansichtig wird. Der Blick fällt in ein tiefes Dirndl-Dekolleté einer blonden Bedienung, mit knallroten Lippen, durchaus verführerischem Blick und Krügen mit Schaumkronen in den Händen.

Letztgenanntes reizvolle Motiv empfängt nun die Gäste des Biergartens des Olchinger Daxerhofes. Wirt Peter Helfer hat sich die adrette Bedienung von den Graffitikünstlern Christian "Cis-Cis" Böck und Leander Holzapfel auf eine Wand des Innenhofes sprühen lassen. Seine Intension war "ein bisschen Belebung", welche ihm - neben anderen Motiven - vor allem mit der flotten Kellnerin im Stile einer Comic-Heldin zweifelsfrei gelungen ist. Und weil der Gastronom ein gebürtiger Olchinger und seinem Heimatort sehr verbunden ist, wollte er neben seiner "hübschen Dame" das Wappen der Stadt platzieren. Doch hier erfährt die künstlerische Freiheit ihre Grenzen. Die Verwendung eines Wappens unterliege strengen Auflagen, erklärt Julia Henderichs, und müsse genehmigt werden. Schließlich handle es sich um ein hoheitliches Signet, um eine Art Gütesiegel, so die Pressesprecherin. Im vorliegenden Fall wurde die Verwendung verboten. Grund: "Eine vollbusige Bedienung in direkter Nähe mit dem Wappen repräsentiert nicht unbedingt die Stadt Olching", lautete das sittlich-ästhetische Urteil

Den Wirt enttäuscht diese Entscheidung. Dass die weibliche Figur zu attraktiv sei und das Wappen verunglimpfen würde, diese Sicht kann Helfer nicht verstehen. Noch drastischer empfinden es die Künstler: Ihr Werk in die Nähe der Pornografie zu rücken, sei eine "Frechheit", sagt Böck, vor allem auch für seinen Kollegen, den kreativen Kopf, welcher den Künstlernamen "Lando Graffiti" trägt: "Das Verbot greift uns ein wenig an", kritisiert Böck, der hauptberuflich als DJ unterwegs ist. Und er führt weiter an, dass bereits während der Entstehung alle begeistert gewesen wären, die zufällig vorbeigekommen sind. 40 bis 50 Menschen hätten den Graffiti-Künstlern zugesehen, niemand hätte Anstoß genommen. Im Gegenteil: Im gegenüberliegenden Altenheim wären die männlichen Bewohner vom neuen Ausblick ganz erfreut: "So eine hübsche Dame", zitiert Auftraggeber Helfer die wohl allgemeine Meinung.

Anstelle des städtischen Wappens hat der ehemaligen Vizepräsident des TSV 1860 München einen für ihn guten Ersatz gefunden: ein Löwe, das Emblem des populären Fußballklubs, prangt nun dort, blickt ganz mutig der hübschen Blondine entgegen - und scheint in jedem Fall von deren Attraktivität nicht unangenehm berührt zu sein.

© SZ vom 22.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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