Olching:Ungerechte Steuern

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Beifall von der SPD: Jesuitenpater Jörg Alt (rechts) erntet für seine Kritik an der mangelhaften Besetzung bayerischer Steuerämter Zustimmung. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bei einer Diskussion fordern SPD-Politiker und Fachleute, der Staat solle aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit stärker kontrollieren, ob Vermögende und Gutverdienende auch die von ihnen verlangten Abgaben zahlen

Von Manfred Amann, Olching

Gegen soziale Ungerechtigkeit anzukämpfen, ist eine der Kernmotivationen für das politische Engagement der Sozialdemokratie. Um beim Wähler wieder mehr als glaubwürdige Partei des Volkes wahrgenommen zu werden, fordert der Landtagsabgeordnete der SPD, Herbert Kränzlein, dass sich die Partei dieser "Kernkompetenz" wieder mehr zuwendet und "verloren gegangenes Terrain zurückerobert". "Parteimitglieder müssen wieder als Botschafter für soziale Gerechtigkeit erkannt werden, die gegen das Auseinanderdriften der Gesellschaft in immer mehr Arme, die keine Lobby haben, und wenige Reiche, die ihren Einfluss immer und überall geltend machen können, etwas unternehmen", ermunterte der Abgeordnete aus Eichenau am Montag bei einem "Fachgespräch über Finanzen", in dem unter der provokanten Frage: "Ist der ehrliche Steuerzahler der Dumme?", insbesondere die "Steuer(un)gerechtigkeit" im Fokus von Vorträgen und Diskussion stand. Sozialdemokraten sollten wieder zum "Sprachrohr der sozial Schwächeren werden, die in der Politik kaum Fürsprecher haben, riet Kränzlein. Soziale Ungerechtigkeit führe zur Spaltung der Gesellschaft. Unzufriedene würden sich Populisten zuwenden, die versprechen, alles besser zu machen, wenn sie nur gewählt würden.

Schützenhilfe bekam der frühere Bürgermeister von Puchheim vom finanzpolitischen Sprecher der SPD im Landtag, Harald Güller, von Ernst Wolowicz, der seit 2004 die Münchner Stadtkämmerei leitet, und vom Jesuitenpater und Wirtschaftswissenschaftler Jörg Alt, der anprangerte, dass in Deutschland insbesondere der "Steuervollzug" im Argen liege. Dies werde von der Regierung aber "im Wohlwollen vor allem gegenüber den Großunternehmen" in Kauf genommen, mit der "fadenscheinigen Begründung", Arbeitsplätze nicht gefährden zu wollen. Dieses "Totschlagargument", lässt der Geistliche jedoch nicht gelten. "Etwa eine Milliarde Euro geht Bayern jährlich verloren, und die Armut nimmt zu", sagte Alt. Zudem sei die Zahl der Unternehmen stark angestiegen, doch nur ein kleiner Prozentsatz davon könne aufgrund von Personalmangel einer Steuerprüfung unterzogen werden. Anhand von Erhebungen und Statistiken lasse sich nachweisen, dass sowohl Armut und Reichtum wüchsen und der Mittelstand sowie die Umverteilungswirkung der Sozialsysteme dadurch abnehme, erläuterte Alt. In der Folge sei mit einer Polarisierung in der Gesellschaft zu rechnen.

Wie Harald Güller erläuterte, sind in den bayerischen Finanzämtern rund 1500 Stellen unbesetzt. Auch wenn man zugestehen müsse, dass es nicht einfach sei, Fachkräfte zu finden, weil diese in der freien Wirtschaft deutlich mehr verdienten, sollte Finanzminister Markus Söder (CSU) aktiver werden, befand der 54-jährige Abgeordnete aus dem Augsburger Land im Gretl-Bauer Saal im Kom in Olching vor etwa 40 Zuhörern, überwiegend Parteimitglieder. Einkommen und Vermögen müssten nach der jeweiligen Leistungsfähigkeit besteuert werden und man dürfe nicht zulassen, dass "diejenigen, die sich am besten abschotten können", steuerliche Vorteile haben, ergänzte Kränzlein. Münchens Kämmerer Wolowicz hält es für unabdingbar, dass international Vereinbarungen getroffen werden, die Steuerflucht und Spekulationen mit Schwarzgeld vereiteln. Bestrebungen, auch über Grenzen hinweg Finanzdaten auszutauschen seien der richtige Weg. In der Diskussionsrunde machte Kränzlein auf die "Problematik" aufmerksam, dass die SPD in die nicht gerade förderliche Ecke "Steuerpartei" geraten könnte, wenn sie sich gegen Steuerungerechtigkeit stark macht, woraufhin der Jesuitenpater dazu ermunterte, sich davon nicht abschrecken zu lassen. "Das Thema ist tatsächlich nicht sehr sexy", stellte Alt fest, man könne aber entgegenwirken, indem man im Wahlprogramm statt allgemeiner Zielvorstellungen klar formuliert, dass die SPD zum Beispiel mehr Finanzbeamte einstellen will, um durch einen konsequenten Steuervollzug mehr Steuergerechtigkeit und damit auch mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen.

© SZ vom 11.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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