Olching:Pädagogin für Groß und Klein

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Gretl Bauer, Gründerin der Volkshochschule im Landkreis, hat ein viel beachtetes Kinderheim in Esting geleitet

Margarethe, genannt Gretl, Bauer ist die treibende Kraft hinter der Gründung der Volkshochschule Fürstenfeldbruck. Sie ist eine an Kunst und Kultur interessierte Frau, die es gewohnt ist, unabhängig zu denken. Das liegt an ihrer Herkunft und auch an ihrem Beruf. Bauer betreibt ein besonderes Kinderheim, ehe sie dieses unter dem Druck der Nationalsozialisten aufgeben muss. Geboren wird Gretl Bauer als Tochter von Elise und Josef Elkan. Sie kam am 22. November 1894 in München als zweites von drei Geschwistern auf die Welt. Der Vater arbeitet als Bücherrevisor, die Mutter ist Erzieherin. Im Jahr 1911 stellt Elise Elkan beim Bezirksamt Bruck den Antrag, in Neu-Esting ein Kinderheim errichten zu dürfen. Sie muss sich gedulden. 1913 erhält sie die Genehmigung und eröffnet ein Kinderheim an der heutigen Palsweiser Straße.

Da die Eltern mit dem Anthroposophen und Gründer der Waldorfschulen, Rudolf Steiner, befreundet sind, soll die Erziehung der ihnen anvertrauten zehn Kinder anders ablaufen, als es damals üblich ist. Schläge und eine Erziehung zur Härte lehnen die Elkans ab, wie die Estinger Ortshistorikerin Christine Müller 1992 in einem Beitrag für die Zeitschrift "Amperland" schreibt. Modern war Müllers Angaben zufolge auch das 1911 entstandene Haus, in dem das Heim untergebracht ist. Es hat unter anderem elektrisches Licht, eine Zentralheizung und ein Telefon. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1924 führt Elise Elkan das Heim. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1925 übernimmt Gretl, die seit ihrer Heirat mit einem Lehrer Bauer heißt, das Kinderheim. Zuvor hat sie ein Kindergarten-Seminar absolviert.

Auch unter ihrer Führung erwirtschaftet das Kinderheim gerade so viel, dass die Kosten gedeckt werden können. 1934 werden Gretl Bauer und ihr Mann geschieden. Sie zieht den gemeinsamen Sohn nun alleine auf. Zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesellen sich politische. Da Gretl Bauers Vater Josef Elkan Jude war, gilt sie im Nazi-Jargon als Halbjüdin. Deshalb wollen ihr die braunen Machthaber nicht die Erziehung von Kindern überlassen. Es kommt zu Hausdurchsuchungen durch die Gestapo. 1935, im Gefolge des Nürnberger Parteitags und der Rassegesetze, wird ihr verboten, als arisch geltende Kinder im Heim aufzunehmen. Der Historiker Tobias Weger, der sich mit der Geschichte der jüdischen Bürger von Olching und Esting beschäftigt hat (Amperland, 1998), schreibt, dass Bauer ihr Heim nun für jüdische Kinder öffnet. 1938 muss das Kinderheim aber schließen.

Schon in Bauers Elternhaus verkehren Schriftsteller wie der Dichter Christian Morgenstern, schreibt Müller. Die Beziehung zu diskussionsfreudigen und kunstsinnigen Personen führt nach dem Kriegsende zur Gründung eines Kreises geistig interessierter Menschen, dem Nukleus der Fürstenfeldbrucker Volkshochschule. Laut Müller gehören dem Kreis auch Bauers Sohn Wolfgang und dessen Freunde an.

Erst nach Kriegsende kann Bauer das Kinderheim wieder eröffnen. Zunächst nimmt sie Berliner Kinder auf, deren Familien ausgebombt worden sind. Diese Kinder gehen in Esting zur Schule. Das Heim führt Bauer bis 1963. Ihr Sohn, der Kinderarzt Wolfgang Bauer, betreibt dort zwischen 1965 und 1970 eine Säuglingsstation. Zwei Jahre später wird das Haus abgerissen und das Grundstück mit Reihenhäusern bebaut. Gretl Bauer stirbt am 3. März 1984. Sie wird im Waldfriedhof Fürstenfeldbruck begraben. Im Olchinger Kulturzentrum Kom erinnert der Gretl-Bauer-Saal an die Gründerin der Volkshochschule im Landkreis.

© SZ vom 19.09.2019 / ano - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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