Kultur:Pfad der Waldgeister

Kultur: Bei einigen Kunstwerken, wie bei diesem Gesicht, muss der Besucher schon genau schauen, um sie zu entdecken.

Bei einigen Kunstwerken, wie bei diesem Gesicht, muss der Besucher schon genau schauen, um sie zu entdecken.

(Foto: Günther Reger)

Am Mühlbach gestalten die Olchinger Künstler ein Land-Art-Projekt. Aus Naturmaterialien entstehen dort Werke, die bis zum Herbst zu sehen sind.

Von Florian J. Haamann, Olching

Irgendetwas ist anders an diesem Samstagvormittag auf der beliebten Spazierroute entlang des Olchinger Mühlbachs, zwischen Kraftwerk und Wehr, an dem der Kanal von der Amper abzweigt. Ja, es regnet, und deshalb ist die Dichte an Flaneuren überschaubar. Hier und da ein Jogger oder ein tapferer Hundebesitzer, auf dem Wasser eine Gruppe unerschütterlicher Kanufahrer auf ihrem Weg von Emmering flussabwärts. Aber das ist es nicht. Vielmehr sind es die vielen ungewöhnlichen Formationen von Ästen und anderem Gehölz, die alle paar Meter entlang des Auwäldchens am Rande des Weges - oder darüber - zu entdecken sind. Stellenweise wirkt es, als seien die Waldgeister erwacht und hätten ein wenig Schabernack getrieben.

Und tatsächlich wähnt man sich plötzlich einem von ihnen gegenüber. An einen Baum lehnt er frech, mit Beinen, Armen und Körper aus Holz, Steinen als Augen und einer Flechte als Mund, auf dem Kopf haariges Moos. Doch den wahren Verantwortlichen trifft man erst weiter oben, direkt am Wehr. Er trägt getönte Brille, Kappe, geblümte Hosenträger, grauen Oberlippenbart.

Kultur: Giorgio di Bernardo ist Vorsitzender der Olchinger Künstler und Initiator des Land-Art-Projekts.

Giorgio di Bernardo ist Vorsitzender der Olchinger Künstler und Initiator des Land-Art-Projekts.

(Foto: Günther Reger)

Giogiro di Bernardo ist Vorsitzender der Olchinger Künstler und Organisator des Land-Art-Projekts am Mühlbach, das er an diesem Vormittag gemeinsam mit neun Mitgliedern der Gruppe aufbaut. Komplett aus Naturmaterialien haben sie in den vergangenen Wochen etwa 40 Kunstwerke gestaltet, die nun entlang des Flüsschens aufgebaut werden, trotz der widrigen Wetterbedingungen.

Auf dem Anwesen eines Freundes in den norditalienischen Bergen ist er auf ein Land-Art-Projekt gestoßen, das zahlreiche Künstler dort gestaltet haben. Am Ende gab es noch ein Buch, in dem die Arbeiten zusammen gefasst worden sind. Land-Art, das bedeutet in seiner Ursprungsform, dass Künstler meist zurückhaltend, ab und zu aber auch radikal, gestalterisch in die Landschaft eingreifen und dort Werke schaffen, die den natürlichen Eindruck durchbrechen und so im besten Fall dafür sorgen, dass der Betrachter die Umgebung aufmerksamer wahrnimmt und sich mit dem Gesehenen, Kunst und Natur, neu auseinandersetzt. Meist sind Land-Art-Arbeiten vergänglich, im Laufe der Entwicklung dieser Kunstgattung sind aber immer wieder auch Werke entstanden, die auf Dauer angelegt waren.

Kultur: Wie ein Waldgeist erscheint dieses Kunstwerk.

Wie ein Waldgeist erscheint dieses Kunstwerk.

(Foto: Günther Reger)

Di Bernardo, der aus dem Friaul stammt und am Ufer des Tagliamento schon immer gerne Steinpyramiden und -figuren gebaut hat, war sofort klar, dass er so etwas in Olching auch machen will. In Deutschland freilich entscheiden trotz aller Kunstfreiheit Behörden und andere Einrichtungen über die Schicksal eines solchen Projekts. In diesem Fall die Amperwerke, Umwelt- und Ordnungsamt. "Wie weit müssen die Werke vom Wasser weg?", "wo müssen sie hin, damit Spaziergänger nicht behindert werden?, "wie müssen sie gesichert sein, damit keine Gefahr für Mensch und Bach droht?", "welche Materialien dürfen verwendet werden?". All das musste di Bernardo klären und sicherstellen. Überall da, wo ein Kunstwerk geplant ist, hängt ein Fähnchen aus Absperrband. Zahlreiche Arbeiten hängen und stehen nach den ersten Stunden Aufbau bereits, an den anderen Stellen finden sich laminierte Skizzen.

Kultur: Einige Arbeiten hängen von Ästen herab - so gesichert, dass keine Gefahr für Spaziergänger besteht.

Einige Arbeiten hängen von Ästen herab - so gesichert, dass keine Gefahr für Spaziergänger besteht.

(Foto: Günther Reger)

Das Spektrum der Arbeiten ist breit, und manchmal muss man genau hinschauen, um sie zu entdecken. Wie etwa bei dem Gesicht, das auf ein verwittertes Stück Holz gemalt wurde und zwischen zwei Stämmen versteckt ist. Andere sind offensichtlicher, wie die vielen bunten Wollfäden, die in den noch nackten Ästen eines Busches zu Rechtecken gespannt sind.

Kultur: Diese Silhouette eines Menschen hat di Bernardo auf einen Baum gemalt.

Diese Silhouette eines Menschen hat di Bernardo auf einen Baum gemalt.

(Foto: Günther Reger)

Immer wieder hängen auch nest- und mobileartige Werke von den Ästen herab. Andere erinnern an germanische Kultsymbole, wie ein geflochtener Kreis, zu dessen Mitte sich drei Stränge spiralförmig erstrecken. Auffällig auch die mit weißer Farbe gemalte und einem Efeustrang als Gürtel verzierte Menschen-Silhouette, die di Bernardo selbst auf den Baumstamm angebracht hat. Vorbild für einige Werke sei das Buch, das auf den Anwesen seines Freundes entstanden ist, andere haben die Künstler bei ihren Treffen selbst entworfen.

Der Organisator hofft vor allem auf zwei Dinge: Dass die Kunstwerke die vielen Spaziergänger auf der meist belebten Route erfreuen und inspirieren - und vor allem, dass die liebevolle Arbeit der Künstler erhalten bleibt. Etwa einen Monat lang haben sie das Projekt geplant, am kommenden Wochenende wird der Land-Art-Weg offiziell eröffnet. Bis dahin wird weiter fleißig daran gearbeitet. Ein paar besonders aufwändige Werke will di Bernardo erst kurz vor der Eröffnung aufbauen. Danach sollen die Land-Art-Kunstwerke mindestens bis zum Herbst hängen.

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