Süddeutsche Zeitung

Olching:Filmreifes Rathaus

Lesezeit: 3 min

Eine neue Serie des Bayerischen Rundfunks setzt die Untiefen einer fiktiven Verwaltung satirisch in Szene. Bei der Suche nach möglichst abwegigen Drehorten ist die Stadt erste Wahl des Produktionsteams

Von Julia Bergmann, Olching

Vom Himmel regnet es Bindfäden und unter den Plastikpavillons auf dem Schotterplatz beim Olchinger Rathaus drängt sich die Crew des Bayerischen Rundfunks beim Mittagessen um die Bierbänke. Pure Tristesse. "Gerade so ein Wetter freut uns total", sagt Rafael Parente. Er ist der Produzent der neuen BR-Serie "Willkommen in Hindafing", die momentan im Olchinger Rathaus gedreht wird. "In Hindafing steht ein Rathaus aus Beton und es regnet viel." Schlichte Worte, die doch eine Idee der Bildsprache des neuen Sechsteilers entstehen lassen. Denn die "moderne Heimatserie" soll, so sagt es Parente, auf satirische Weise "mal ein anderes Bild des ländlichen Bayerns" zeigen. Das ganze orientiere sich stilistisch an den Verfilmungen der Brenner-Krimis von Wolf Haas, in denen Josef Hader die Hauptrolle spielt. "Land ist nicht nur Lederhose und grüne Wiesen, sondern Funktionskleidung und Swingerclubs", sagt der Produzent, der selbst in Puchheim aufgewachsen ist.

Gemeinsam mit Niklas Hoffmann und Boris Kunz hat Parente das Drehbuch entwickelt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht der junge Bürgermeister Alfons Zischl, gespielt von Maximilian Brückner. Die fiktive bayerische Gemeinde, inmitten veralteter Industrie und touristisch kaum erschlossen, versucht ihr Image aufzupolieren. Zu diesem Zweck macht Zischl gemeinsame Sache mit dem Landwirt und Bio-Metzger Sepp Goldhammer, gespielt von Andreas Giebel. Gemeinsam wollen Rathauschef und Landwirt im Ort ein modernes Shopping-Center errichten, das vom Erfolg des gerade grassierenden Ökotrends profitieren soll. Doch dann muss Hindafing plötzlich 50 Flüchtlinge aufnehmen und alles kommt anders als geplant.

Die Idee zu "Willkommen in Hindafing" wurde bereits vor etwa zwei bis drei Jahren geboren. Damals hat der BR gemeinsam mit der Hochschule für Fernsehen und Film über eine Ausschreibung nach "jungen Fernsehstoffen" gesucht. "Zu diesem Zeitpunkt war die Flüchtlingskrise sehr aktuell", sagt Parente. Deshalb sei sie als Aspekt aufgegriffen worden, allerdings dominiere sie den Plot nicht. Erzählt werde ein Sammelsurium an Themen. "Geschäftemacherei, natürlich Vetternwirtschaft", sagt Parente. Assoziativ fällt auch der Ortsname Miesbach, wobei Hindafing und seine Einwohner frei erfunden sind. "Erzählt wird aber auch die Geschichte der Frau, die von ihrem Mann nicht das bekommt, was sie will und sich deswegen nachts heimlich auf den Weg zur Autobahnraststätte macht."

Das alles spielt sich vor einer Kulisse ab, die Bayern fernab von geranienbehangenen Holzbalkonen zeigt. Vielmehr war es dem Produktionsteam ein Anliegen, klischeefreie und in diesem Sinne möglichst "abwegige" Motive zu finden. Das Olchinger Rathaus war da erste Wahl. Natürlich sei es bei der Auswahl der Drehorte, die in ganz Bayern verstreut liegen, ein Vorteil gewesen, dass die jungen Filmemacher, allesamt Anfang 30, selbst zum großen Teil aus der Region stammen. "Und natürlich hat uns das geprägt", sagt Parente über das Aufwachsen auf dem Land.

Überrascht waren Parente und seine Kollegen darüber, dass die Drehortsuche so unkompliziert abgelaufen ist. Vorbehalte habe es nicht gegeben. "Zum Teil stehen ja schon sehr freche Dinge im Drehbuch", erklärt der Produzent. Ein Beispiel? "Naja, der Bürgermeister hat in seiner Freizeit ein latentes Drogenproblem."

Die Schauspieler für das Projekt zu gewinnen, war für Parente, Boris Kunz und Niklas Hoffmann, die zusammen das Drehbuch geschrieben haben, kein Problem. Ziemlich schnell hätten sie gutes Feedback auf die Bücher bekommen. So gut, dass die Darsteller bei den Testaufnahmen ehrenamtlich mitgewirkt haben. "Zum Glück haben wir sehr gute Schauspieler", betont auch Kunz. Unter ihnen etwa Katrin Röver, Petra Berndt und Heinz Josef Braun. Sie erleichterten und bereicherten die Dreharbeiten ungemein.

Der Regen reißt ab, der Dreh geht weiter. In der Schwojerstraße taucht Maximilian Brückner auf - auf seiner Stirn eine blutige Schramme. Unter seiner Regenjacke trägt er einen piefigen hellblauen Anzug, während das Produktionsteam die Plane von einem Polizeiauto zieht. Hinter dem Einsatzfahrzeug steht ein offenbar in Eile abgestellter wuchtiger Geländewagen halb auf der Fahrbahn, halb auf dem Bürgersteig. Bilder, die zumindest auf die Ausstrahlung 2017 neugierig machen. "Es wird am Ende sehr zugespitzt sein", verspricht Parente. Und voller schwarzem Humor.

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Quelle:
SZ vom 11.08.2016
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