Olching:Eine Kapelle aus Dankbarkeit

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Das Graßlfinger Wirtsehepaar Ernst und Monika Sirtl hat ein kleines Gotteshaus ganz nach traditioneller Bauweise errichten lassen

Von Julia Bergmann, Olching

Erst vor Kurzem hat einer seiner Stammgäste Ernst Sirtl dafür gelobt, dass er die vermeintlich alte Kapelle vor der Gastwirtschaft zum Haderecker renoviert. Der Wirt lacht und schüttelt den Kopf, als er von dem Gespräch erzählt. Denn die kleine weiße Kapelle am Rand des Parkplatzes ist nicht alt. Sirtl hat sie in den vergangenen beiden Jahren von Grund auf errichten lassen. Am Sonntag, 22. Juli, soll sie eingeweiht werden.

Josef Feig vom Josefiverein und das Wirtsehepaar Monika und Josef Sirtl sind mit dem neuen Gotteshaus mehr als zufrieden. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Dass nun offensichtlich einigen seiner Gäste gar nicht aufgefallen war, dass das Bauwerk erst seit Kurzem dort steht, wertet Sirtl nicht als mangelnde Aufmerksamkeit. Im Gegenteil, er freut sich: "Das bedeutet, es schaut aus, als würde die Kapelle schon immer da stehen", sagt er. "Genau das wollten wir." Deshalb wurden auch bei der Errichtung ausschließlich Materialien und Techniken verwendet, die im Kapellenbau Tradition haben, erklärt Josef Feig, der Vorsitzende des Josefivereins Graßlfing-Allach. Der Verein, der sich der Brauchtumspflege rund um den Josefitag verschrieben hat, gab den Anstoß zum Bau und übernimmt die Patenschaft für die Kapelle, die Josef von Nazareth geweiht ist. Ernst Sirtl, stellvertretender Vorsitzender, und seine Frau Monika sind die Bauherren. Für sie ist die Kapelle allerdings nicht nur Vereinszweck, sondern auch Ausdruck der Dankbarkeit für ihre fünf Kinder und drei Enkel. Das wird sofort deutlich, als Ernst Sirtl die Tür öffnet und den Blick auf die Gemälde freigibt.

Das Deckenbild mit den Engeln, die den drei Enkelkindern der Sirtls gleichen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die sanfte Sekkomalerei der Ungarin Eszter Segattini-Csávás an der Decke des Innenraums zeigt drei Engel, wie sie für die traditionell-westliche Kirchenmalerei außergewöhnlich sind. Denn zwei der Engel sind dunkelhäutig. "Zwei von unseren drei Enkelkindern sind adoptiert und sie haben auch eine dunklere Hautfarbe", sagt Sirtl. Mindestens ebenso ungewöhnlich: einer der geflügelten Figuren hält einen Kochlöffel in der Hand. Monika Sirtl erklärt: "Er schafft den Bezug zur Küche und zum Wirtshaus." Wer sich in der Kapelle umsieht, entdeckt viele solcher kleinen Details, die den Sirtls wichtig sind. Wie etwa die beiden sich gegenseitig umgreifenden Hände, eine hell, die andere dunkel, über dem Ausgang. Umschlungen werden sie von einer Banderole, die den Schriftzug trägt: "Reicht euch die Hände, wir sind alle Brüder und Schwestern."

Die Apsis, die halbrunde Wölbung der Stirnseite des Innenraums, ziert das Gemälde eines sehr jungen und gütigen Josefs, der offenen Armes auf die Betenden zuzutreten scheint. Obwohl die Gemälde stilistisch an den Barock angelehnt sind, schlagen sie durch kleine Details, wie die dunkelhäutigen Engel und den ins Bildnis integrierten Kochlöffel doch eine Brücke in die Gegenwart. Das Gebäude selbst fügt sich in die Landschaft ein, als stünde es dort bereits seit Jahrzehnten. Vielleicht liegt das auch daran, dass beim Bau ausschließlich traditionelle Materialien in ursprünglicher Bauweise verwendet werden. Das beginnt bereits bei der Tür, die aus dem 120 Jahre altem Holz einer früheren Giesinger Schultreppe gefertigt wurde. Die Granitschwelle besteht aus einem umgearbeiteten Grabmal, die Fassadenfarbe, wie es im traditionellen Kapellenbau üblich war, aus Löschkalk. Sogar die Fenstergläser und Rahmen sind handgearbeitet und im Mauerwerk wurden 2500 Ziegel verbaut, die etwa 100 Jahre alt sind. Entstanden ist ein Ort des stillen Innehaltens und des Gebets, der völlig neu ist und dennoch die eigentümliche Ruhe ausstrahlt, die Ernst Sirtl an alten Kapellen so schätzt.

Bis alles so geworden ist, wie er und seine Frau es sich vorgestellt haben, benötigte es Monate der Vorbereitung und der Inspiration. Ernst Sirtl ist in den vergangenen Jahren von Kapelle zu Kapelle gereist, um sich darüber klar zu werden, wie der neue Graßlfinger Sakralbau einmal aussehen soll. Mit Hilfe der Kirchenmalerin, des Architekten und Olchinger Bauamtsleiters Markus Brunnhuber, mit dem Stuckateur Thomas Decker und vielen anderen konnte Sirtl seine Vorstellungen verwirklichen. Obwohl es bei der Errichtung der Kapelle auch einige Hindernisse zu überwinden galt.

Der Innenraum der fertiggestellten Kapelle. (Foto: Carmen Voxbrunner)

"Mit dem Bauen bei uns im Moos ist es so eine Sache", sagt Josef Feig. Der Untergrund ist häufig nicht fest genug. "Wir haben deswegen einen Bodenaustausch gemacht", sagt Sirtl. 13 Lastwagen-Ladungen Erdreich wurden entfernt, mit Schotter und Kies aufgefüllt und schließlich wurde die Grundplatte betoniert. Den Bauherren war es ein Anliegen, dabei so wenig Fläche wie möglich zu versiegeln. Auch ausreichend antike Ziegelsteine zu bekommen, war nicht einfach, und schließlich mussten die Handwerker den Löschkalk, den es laut Sirtl in der benötigten Menge nicht mehr so leicht zu kaufen gibt, selbst herstellen. Für das Wirtsehepaar und den Vorsitzenden des Josefivereins hat sich der Aufwand aber gelohnt. "Es ist eine einzigartige Kapelle geworden", sagt Feig. Am Gebäude gebe es keinen einzigen Kompromiss, was den Einsatz traditionellen Handwerks angehe.

Sirtls Tochter wird zwar demnächst in der Kapelle heiraten. Das soll allerdings eine Ausnahme bleiben. In Zukunft sollen dort keine Sakramente gespendet werden, denn die Kapelle ist als Ort der stillen Andacht gedacht. Sie soll ein Platz zum Innehalten und zum Reflektieren sein. Aber auch als Ort, der eine ganz klare Botschaft für seine Besucher bereithält. Nämlich, dass ein friedliches Miteinander keine Frage der Herkunft sein sollte.

Feierliche Einweihung der Kapelle. Sonntag, 22.Juli, 10 Uhr, Allacher Straße 67, Olching.

© SZ vom 11.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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