Olching:Christlicher Orden kündigt alleinerziehender Mutter die Wohnung

Olching Ordensgemeinschaft kündigt alleinerziehender Mutter

Stefanie H. hat den Redemptoristen angeboten, auszuziehen - allerdings mit Abfindung. Laut Mieterbund keine unübliche Praxis in München und Umgebung.

(Foto: Johannes Simon)
  • Die alleinerziehende Mutter Stefanie H. muss mit ihren beiden Söhnen aus einer Wohnung in Olching ausziehen.
  • Ihr Vermieter, eine christliche Ordensgemeinschaft, hat Eigenbedarf angemeldet. Die Wohnung wird für einen Pater gebraucht.
  • Die Gemeinschaft ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Als solche darf sie eigentlich keine Kündigungen wegen Eigenbedarfs aussprechen. Doch die Situation ist juristisch gesehen komplizierter.

Von Julia Bergmann, Olching

Fassungslos, das ist das Wort mit dem Stefanie H. beschreibt, wie sie sich gefühlt hat, als sie am 2. Januar die Eigenbedarfskündigung für ihre Olchinger Wohnung im Briefkasten fand. "Dass sie mir am 2. Januar mit einem Boten so ein Schriftstück zustellen, ohne zuvor auch nur ansatzweise mit mir gesprochen zu haben", sagt sie und pausiert kurz. "Mir ist heiß und kalt geworden. Der erste Gedanke war: Oh Gott, was machst du mit den Kindern?"

Vor vier Jahren ist Stefanie H. mit ihren beiden Buben, die heute sechs und zehn Jahre alt sind, von München nach Olching in ihre 120 Quadratmeter große Wohnung gezogen. Auch ihre Praxis hat sich die 43 Jahre alte Osteopathin dort eingerichtet. Zwei Jahre nach ihrem Einzug wurde das Wohnhaus von ihrem damaligen Vermieter an einen neuen Eigentümer verkauft: die Provinz der Redemptoristen München-Wien, deren Mitglieder der römisch-katholischen Ordensgemeinschaft der "Kongregation des Heiligsten Erlösers" angehören.

Während Stefanie H. nun meint, die Eigenbedarfskündigung zeige, dass die Redemptoristen christliche Werte nicht einhielten, da sie eine alleinerziehende Frau mitsamt ihrer Kinder ungerechtfertigt zum Auszug drängten, fühlen sich die Redemptoristen von Stefanie H. mit Absicht in ein falsches Licht gerückt. Denn die Fakten, so meint ein Vertreter der Redemptionisten, lägen anders.

Fest steht: Die Frau soll so schnell wie möglich aus der Olchinger Wohnung ausziehen und Platz für einen Pater machen, der die Räume als Dienstwohnung nutzen will. Für Stefanie H. ist das unverständlich. "Die Wohnung schreit nach Kindern. Wir haben vier Räume, eine Terrasse und Garten", sagt sie. "Ziemlich viel Platz für eine Person allein. Zumal es im Haus auch zwei kleinere Wohnungen gibt."

Nachdem die Kündigung bei Stefanie H. eingetroffen war, hat sie Rat beim Mieterbund gesucht. Dort habe man ihr versichert, eine Körperschaft öffentlichen Rechts könne keine Eigenbedarfskündigung aussprechen. "Die Anwälte haben mich ziemlich beruhigt. Trotzdem ist es beängstigend, wenn plötzlich ein Schreiben vom Anwalt kommt", sagt sie.

Nach ihrem Gespräch mit den Anwälten des Mieterschutzbundes sucht die 43-Jährige den Kontakt zu ihrem Vermieter und dem Anwalt der Redemptoristen, Hans Werner Bauer. Weil sie zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon ein schlechtes Gefühl beim Gedanken daran gehabt habe, in der Wohnung zu bleiben, habe sie ihrem Vermieter ein Angebot unterbreitet. Darin habe sie versichert, dass sie sich eigenständig um die Wohnungssuche kümmern werde und so schnell wie möglich ausziehe, wenn der Vermieter ihr einen finanziellen Ausgleich zahle.

Unter anderem auch für eine Mietminderung, von der Stefanie H. sich sicher ist, sie habe ihr wegen des Schimmelbefalls in ihrer Wohnung zugestanden. "Ich habe in einem Brief davon geschrieben, dass am Münchner Mietmarkt derzeit 20 000 Euro bezahlt werden, wenn Menschen aus den Wohnungen ausziehen sollen", erklärt sie. Das habe ihr der Mieterbund geraten.

Die Redemptoristen wollen Räumungsklage einreichen

Ein Vertreter der Redemptionisten, der namentlich nicht genannt werden will, sowie der Anwalt der Gemeinschaft sagen, Stefanie H. habe als Ausgleich für ihren Auszug zwischen 20 000 und 25 000 Euro gefordert. Eine außergerichtliche Lösung mit finanziellem Ausgleich, wie sie Stefanie H. bevorzugen würde, schließen die Redemptionisten aus. Das letzte, was Stefanie H. vom Anwalt der Redemptoristen gehört hat, war die Ankündigung, er wolle am Donnerstag, 20. April, Räumungsklage einreichen. Nicht aber, weil es der Gemeinschaft an Mitgefühl fehle, wie der Redemptorist betont. "Es muss geklärt werden, ob wir das Recht haben, zu kündigen. Das ist für uns etwas ganz Elementares", sagt er.

Denn die christliche Gemeinschaft habe das Haus in Olching in der Absicht gekauft, dass sich ihre Mitglieder dort im Alter zur Ruhe setzen oder dass es als Dienstwohnung für Ordensmitglieder nutzen zu können. Hintergrund dieser Überlegung ist, dass viele Orden ihre großen Anlagen nicht auf Dauer halten können. Wegen schwindender Mitgliederzahlen werden Klöster aufgelöst. Eine Entwicklung, von der auch die Redemptoristen betroffen seien, erklärt ihr Vertreter. Wie viele Wohnungen seine Gemeinschaft besitzt, kann er nicht sagen. Nur so viel versichert er: "Wir sind keine Wohnungsgesellschaft, und wir nutzen das auch nicht als Geldanlage."

Eine andere Möglichkeit, den Pater unterzubringen, gebe es nicht, sagt der Redemptorist. Die beiden kleineren Wohnungen, die Stefanie H. erwähnt hat, seien ungeeignet. Denn der Pater ist Theologie-Dozent und allein seine Bibliothek brauche viel Platz. In den Räumlichkeiten müsse er wohnen, aber auch arbeiten und Studenten empfangen können. Und nicht zuletzt ziehe der Pater dort nicht alleine ein. Auch sein Haushälter oder seine Haushälterin werde in den Räumen leben.

Gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärt Hans Werner Bauer, der Anwalt der Redemptoristen: "Meine Mandantin (die Provinz der Redemptoristen München-Wien, Anm. d. Red.) möchte, dass hier nach Recht und Gesetz verfahren wird." Er ist der Meinung, die Mieterin wolle aus der Situation Gewinn schlagen. Das streitet Stefanie H. ab. "Wenn ich mich nicht im Recht fühlen würde, würde ich einfach ausziehen", sagt sie.

"Ich kann jetzt nur hoffen und darauf vertrauen, dass der Richter die Klage gar nicht erst annimmt. Oder dass er so entscheidet, wie es die Anwälte beim Mieterbund gesagt haben", sagt Stefanie H. Sie ist sich nach Beratung beim Mieterschutzbund sicher, dass eine Körperschaft öffentlichen Rechts, um die es sich bei ihrem Vermieter handelt, grundsätzlich keine Eigenbedarfskündigung aussprechen darf.

Michael Ginkel, Geschäftsführer des Mietvereins Fürstenfeldbruck und Umgebung räumt zwar ein, dass das stimme. Eine Eigenbedarfskündigung dürfe nur zum Zweck des Wohnens ausgesprochen werden. Allerdings könne man sich, verkürzt gesagt, auf ein dem Eigenbedarf "artverwandtes Interesse" berufen. "Hier wäre nach unserer Auffassung auch die Vermietung einer Wohnung an Mitarbeiter ("Betriebsbedarf") grundsätzlich als Kündigungsgrund denkbar", sagt Ginkel. Um einen solchen Fall aber vollumfänglich einschätzen zu können, bedürfe es einer genaueren juristischen Prüfung etwa unter Einsichtnahme des Mietvertrags.

"Diese Situation ist ein bisschen emotional gefärbt", findet der Redemptorist. Und das wundere ihn, denn im Dialog mit Stefanie H. handle es sich eigentlich, so meint er, um Kommunikation auf Augenhöhe. "Immerhin ist sie Juristin und war als Anwältin tätig, wie man auf einer ihrer Homepages nachlesen kann", sagt er. Natürlich könne es sein, dass verschiedene Anwälte die Sachlage unterschiedlich einschätzen, meint der Redemptorist abschließend. Aber für solche Fälle gebe es schließlich juristische Instanzen. "Hier wird ein Richter entscheiden müssen", sagt er.

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