Olching:Besuch im Klo-Museum: Am Arsch der Welt

Olching: Lösungen für die Notdurft aus der ganzen Welt hängen an den Wänden im Klo-Museum des Olchingers Hans-Joachim Gregor.

Lösungen für die Notdurft aus der ganzen Welt hängen an den Wänden im Klo-Museum des Olchingers Hans-Joachim Gregor.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Hans-Joachim Gregor trägt Dinge zusammen, mit denen sich der Mensch behelfen muss, wenn Wasser und sanitäre Anlagen fehlen.

Von Christian Hufnagel, Olching

Wer als Gast bei Hans-Joachim Gregor diesen winzigen Raum aufsuchen muss, weil ihn ein grundlegendes Bedürfnis dazu nötigt, wird dort sicherlich länger verweilen, als er es im Sinn hatte, was immer ihn auch drückt. Und während er sich dort niederlässt und um sich blickt, wird ihn wohl unweigerlich das Gefühl der Demut übermannen, und das gänzlich unabhängig von der Schwere einer möglichen physischen Pein und der Hoffnung auf rasche Erleichterung.

Er wird froh und dankbar sein, dass er auf etwas einigermaßen Bequemen sitzt, unter ihm jederzeit Wasser dahinrauschen kann, er ein weiches Stück Papier zur Hand hat und an einem Waschbecken samt Seife und Handtuch die Angelegenheit zum Schluss endgültig bereinigen kann. Was die Gefühle auslöst und zugleich das Verweilen verlängert, sind die Fotografien, Texte und Objekte an den Wänden, die zusammen das "kleinste private Klomuseum der Welt" darstellen und eine höchst interessante Entwicklungsgeschichte dieses speziellen und unabdingbaren Aspekts des Menschseins abbilden - vom Schiffstau über die Mönchskordel bis zum Wüstensand.

Auf seiner Toilette widmet sich der Olchinger in seinem Haus gewissermaßen einem wissenschaftlichen Nischenfach. Die Leidenschaft am Er- und Nachforschen hat Gregor früh für sich entdeckt: "Mit zehn Jahren habe ich einen Bericht über Dinosaurier gelesen. Da wusste ich: das studiere ich." Folgerichtig wurde der gebürtige Münchner Paläontologe, beschäftigt sich seither "mit dem, was Dinosaurier gefressen haben", mit der Pflanzenwelt der Urzeiten.

"Ich bin neugierig, etwas herauszufinden und zu rekonstruieren", sagt der 73-Jährige und nennt ein Beispiel aus der Region: Bei Hohenkammer wurden unlängst im Untergrund Tausende Blätter gefunden. Darunter welche von einer Baumart, die bei uns längst ausgestorben ist, heute aber in Asien vorkommt: dem Ginkgo.

Allein dieser Erkenntnisgewinn verdeutlicht, dass sein Beruf ihn seit jeher um die Welt führt. Und das meist in Landstriche, die mit wenig zivilisatorischem Komfort ausgestattet sind. Doch in jede Ödnis hinein begleitet den Menschen die biologische Gesetzmäßigkeit der Verdauung und dem damit verbundenen Beseitigungsproblem der Ausscheidungen des Darmes.

Eine Erfahrung, die der Wohlstandsbürger nur mal bei einem feinen exotischen Urwald-Trip durchlebt, die einen Paläontologen bei seiner Arbeit aber stets begleiten können. So hatte Gregor sein Erweckungserlebnis für sein späteres Hobby bei einer Sahara-Expedition im Jahre 1979.

Einfallsreichtum - wegen der täglichen Notlage

Abends beim gemütlichen Zusammensitzen seien die ägyptischen Kollegen einer nach dem anderen mit einer leeren Konservenbüchse in der Dunkelheit verschwunden und ohne den offensichtlich zweckentfremdeten Gebrauchsgegenstand zurückgekehrt.

Auf seine Nachfrage hin habe man ihm erklärt, sie gingen ihr Geschäft verrichten und die Büchse diene als Toilettenpapier: "Da war mein Interesse geweckt", beschreibt Gregor den Beginn einer jahrzehntelangen Recherche über diesen Hygieneartikel in der ganzen Welt. Seine Forschungen münden in einen simplen Satz: "Man nimmt, was man hat."

Den Einfallsreichtum, den diese tägliche Notlage hervorbringt, dokumentieren nun seine WC-Wände. Die Konservenbüchse hängt da, blank poliert und an den Rändern abgeschliffen. Das große Blatt eines Gummibaums erweist im Dschungel von Guatemala den gleichen Dienst wie ein flacher Stein aus der Wüste Gobi.

Andere der rund 50 Objekte tragen bereits geschichtliche Patina wie die Kordel der Mönche, ein Stück Schiffstau, der schlichte Porzellan-Nachttopf aus Großmutters Zeiten oder die abgenagten Maiskolben, mit denen sich die Weltkriegssoldaten auf den Feldern der Ehre zu helfen wussten.

Fotografien erinnern zudem daran, dass der Mensch schon vor Jahrtausenden eine hygienische Lösung gefunden hatte. Die Cloaca Maxima in Rom nutzte einen Abwasserkanal, die Toilette am Hadrianswall war mit einer Wasserspülung ausgestattet. Seltsamerweise folgten auf diesem Gebiet wirklich dunkle Jahrhunderte.

Die Errungenschaften der Römer waren mit ihnen untergegangen. So wurde die Notdurft in der Hochzeit der Schlösser laut Überlieferung überall verrichtet - in den Parkanlagen, in den Korridoren und Raumecken. Es stank in all dem Prunk. In den Burgen machten es Aborterker, die ins Freie führten, auch nicht besser, was gleichfalls in diesem musealen Raum mit dem Bild von einer diesbezüglichen Einrichtung in einem mittelalterlichen Bauwerk in Südtirol veranschaulicht ist.

Zum Welttoilettentag öffnet auch das Klo-Museum

Bei wem nun Interesse an dieser außergewöhnliche Sammlung geweckt ist, der hat die Möglichkeit, diese sich am Samstag, 19. November, anzusehen. Da lädt der Olchinger zu einem Tag der offenen Tür ein. Anlass ist der Welttoilettentag, den die Vereinten Nationen ausgerufen haben und der für Gregor zeigt, dass es sich bei seinem Hobby um eine äußerst ernste Sache handelt: "40 Prozent der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu sanitären Anlagen", sagt er und verweist auf die verheerenden Folgen etwa von Epidemien, an denen bis heute viele Menschen sterben.

Er selbst war im Laufe seines Berufsleben oftmals mit dem hygienischen Missstand konfrontiert: "Ich habe Toiletten gesehen, von denen man nur flüchten konnte." Und so begreift der Paläontologe seine ungewöhnliche Freizeitbeschäftigung durchaus als einen "lokalen Beitrag zur Enttabuisierung der Toilette". Eine Ansicht, der man sich nicht entziehen kann, sitzt man beim Hausherrn auf dem "Thron" und studiert die Wände.

Das dürfte durchaus nachdenklich stimmen, was so manche Skurrilität aber doch wieder aufhellt. Zar Peter der Große etwa benutzte das Körperteil eines frisch geschlachteten Tieres, um sich vom Stuhlgang zu reinigen. In ausgestopfter Form findet sich auch dieses Hilfsmittel im kleinsten Klomuseum der Welt: der Hals einer Gans. Wer auf so etwas zurückgreifen musste, war wohl wirklich am...

Tag der offenen Tür im Klo-Museum von Hans-Joachim Gregor, Samstag, 19. November, Olching, Daxerstraße 21, von 9 bis 17 Uhr.

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