Süddeutsche Zeitung

Öffentliches Gesundheitswesen:Corona verändert den Klinikbetrieb

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Auf die Pandemie-Hochphase folgt die neue Normalität: Vorsorgeuntersuchungen und nicht lebensnotwendige Operationen sind wieder möglich, doch etliche Schutzregeln bleiben in Kraft, vor allem bei der Patientenaufnahme

Von Andreas Ostermeier, Fürstenfeldbruck

Die Corona-Pandemie hat das Arbeiten im Kreisklinikum stark verändert. Mund-Nasen-Masken sind für Ärzte und Pflegepersonal ebenso alltäglich geworden wie Schichten auf anderen Stationen. Auch Besucher sind von neuen Regelungen betroffen. Besonderen Aufwand verursacht die Patientenaufnahme, denn jeder neue Patient wird auf eine Infektion mit dem Coronavirus untersucht und entsprechend dem Ergebnis auf eine bestimmte Station verlegt. Klinikdirektor Alfons Groitl spricht deshalb von einer "Zäsur", die die Pandemie in der Geschichte der Klinik gesetzt habe und einer "neuen Normalität" im Krankenhaus. "Mit großem Aufwand" könne ein "nahezu normaler Klinikbetrieb" mit sicheren Bedingungen für Patienten und Mitarbeiter gewährleistet werden, sagten Landrat und Klinikleitung. Aufgeschobene Behandlungen können nachgeholt, Vorsorgetermine wahrgenommen werden. Die Veränderungen verursachen allerdings mehr Kosten und weniger Einnahmen. Groitl rechnet deshalb mit einem Defizit in diesem Jahr.

Landrat Thomas Karmasin warnte davor, wegen der gesunkenen Infektionszahlen das Virus für besiegt zu halten. Er verglich die Situation mit dem gelöschten Feuer eines Brandes. Der Einsatz der Feuerwehr sei damit nicht zu Ende, nun müsse darauf geachtet werden, dass sich das Feuer aus kleinen Glutnestern heraus nicht wieder entzündet. Ähnlich äußerte sich Florian Weis, der ärztliche Direktor der Klinik. Experten rechneten nicht mit einer zweiten Welle, sagte er, sondern mit einem steten Fluss der Pandemie. Sie tauche ständig wieder an anderen Orten auf, wie die Zunahme von Erkrankungen in einigen Balkanländern gerade zeige. Im Landkreis ist ein solches Auftauchen bislang ausgeblieben. Nach zwei Erkrankungshöhepunkten Anfang und Mitte April ist die Infektionskurve abgeflacht. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist gesunken. Karmasin bedauerte, dass das Angebot an einer zentralen Testung nicht aufrecht erhalten werden könne. Das Landratsamt habe dies nur für einige Zeit tun können, quasi im Katastrophenfall, sagte er, nun sei die kassenärztliche Vereinigung zuständig.

928 Bewohner des Landkreises sind bis Mittwoch positiv auf das Coronavirus getestet worden. 96 von ihnen wurden im Krankenhaus behandelt, also gut zehn Prozent. Sie wurden in der Zeit zwischen 14. März und 23. Mai in der Klinik therapiert, was das medizinische und das Pflegepersonal vor etliche neue Aufgaben stellte. So mussten einmal zur gleichen Zeit elf Patienten auf der Intensivstation künstlich beatmet werden. Überhaupt habe die Klinik noch nie gleichzeitig so viele Beatmungsgeräte in Betrieb gehabt, berichtete Groitl. Um für die an Covid-19 erkrankten Patienten - Anfang April waren es gleichzeitig 34 - genügend Ärzte und Pfleger zu haben, wurden Mitarbeiter der Chirurgie auf anderen Stationen der Klinik eingesetzt. Möglich war dies, weil Operationen nur noch in Notfällen stattfanden.

19 Klinikmitarbeiter steckten sich mit dem Virus an. Fast alle konnten sich zu Hause auskurieren, in einem Fall aber war der Krankheitsverlauf schwerwiegend, der Mitarbeiter musste beatmet werden. Von den 96 an Covid-19 erkrankten Patienten starben 16. Diese Patienten waren nach Auskunft von Florian Weis, dem ärztlichen Direktor, im Durchschnitt deutlich älter als die Personen, die geheilt entlassen werden konnten, und litten unter mehr den Krankheitsverlauf verstärkenden Vorerkrankungen.

Zu den Erkenntnissen der Corona-Zeit gehört auch, dass die Patienten, die momentan - unabhängig von Corona - in die Klinik kommen, deutlich kränker sind als früher. Möglicherweise empfänden kranke Personen wegen des Virus eine Hemmschwelle, zum Arzt zu gehen, sagte Groitl. Die veränderte Arbeit im Krankenhaus schilderte auch Pflegedirektor Wilhelm Huber. So seien Anfang März die Desinfektionsmittel rationiert worden, und auch die Schutzkleidung sei anfangs Mangelware gewesen, sagte er. Mittlerweile hat sich das geändert, auch dank der Spenden von Firmen und Privatleuten, die das Klinikum mit Mund-Nasen-Masken und am Drei-D-Drucker fabrizierten Gesichtsschilden versorgt haben.

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SZ vom 09.07.2020
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