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Oberhaching/Fürstenfeldbruck:Kommunen lehnen Fußfesseln beim Flächenfraß ab

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Planungsverband legt Alternativvorschlag zum Gesetzentwurf der Staatsregierung vor

Von Iris Hilberth, Oberhaching/Fürstenfeldbruck

Der Regionale Planungsverband München sieht erheblichen Änderungsbedarf am neuen Bayerischen Landesplanungsgesetz. Der Verband findet, der Gesetzesentwurf, den der Ministerrat vor der Sommerpause gebilligt hat, werde den unterschiedlichen Bedürfnissen der Städte und Gemeinden nicht gerecht und verstoße gegen die kommunale Planungshoheit. Vor allem lehnen die Vertreter der Kommunen die darin festgelegte Richtgröße von nur noch fünf Hektar Freifläche ab, die von 2030 an pro Tag landesweit für Siedlungs- und Verkehrszwecke in Anspruch genommen werden soll. In seinen Forderungen, auf die der Planungsausschuss sich jüngst verständigte, macht das Gremium klar: "Der Umgang mit Flächennutzung darf nicht mittels eines einzigen Kriteriums, scheinbar einfach, geregelt werden." Der Verbandsvorsitzende und Oberhachinger Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) sprach von einer gewissen "Weltfremdheit" in dem Gesetzesentwurf, die aus dem Volksbegehren "Betonflut eindämmen" komme.

Bei Flächenfraß und Betonflut dächten die meisten an große Gewerbegebiete, an riesige Hallen von Logistikunternehmen, an versiegelte Parkflächen von Discountern auf der grünen Wiese und an Autobahnkreuze. "Natürlich gibt es schwarze Schafe auch bei den Kommunen", sagte Schelle. Als Beispiel nannte er etwa die Pläne Neubibergs, die Frischluftschneise im Grünzug Hachinger Tal zu bebauen. "Das müssen wir bremsen." Auch das Gewerbegebiet Grünwalder Weg in Unterhaching hält der CSU-Politiker für einen "Betriebsunfall". Gleichwohl ist Schelle insgesamt der Ansicht, dass in der Region München verantwortungsvoll und flächensparend in der Stadt-, Orts- und Regionalentwicklung umgegangen wird. Bis auf den Münchner Stadtrat Herbert Danner (Grüne) teilten die anderen Verbandsmitglieder diese Ansicht. Sie halten daher eine staatlich verordnete Obergrenze für den Flächenverbrauch nicht für zielführend und sprachen sich stattdessen dafür aus, das Augenmerk auf versiegelte Flächen zu legen.

Denn als problematisch sehen die Kommen es an, dass Siedlungs- und Verkehrsflächen auch Bereiche wie Freiflächen, Parks und Grünanlagen einschließen, also alles, was in einem Bebauungsplan dargestellt ist. "Auch die Streuobstwiese und der Englische Garten", verdeutlichte Schelle das Anliegen. Daher hält man es für falsch, die Steuerung im Flächennutzungsplan an Siedlungs- und Verkehrsflächen zu knüpfen. Verbandsgeschäftsführer Christian Breu warnte davor, dass dadurch der Druck auf Grünflächen innerhalb der bestehenden Bebauung noch stärker wachsen würde.

Für besser geeignet, um Trinkwasser- und Hochwasserschutz sowie Klimaschutz und Biodiversität zu gewährleisten, hält der Verband eine Begrenzung der versiegelten Fläche. In Bayern ist etwa die Hälfte der Siedlungs- und Verkehrsfläche versiegelt. "Der Freiraum ist uns viel wert", so Schelle. "Er wird die Lebensqualität der Siedlungen bestimmen."

In seinem Papier fordert der Planungsverband einen Bestandsschutz für aufwendig erstellte Flächennutzungspläne. Diese Flächen seien Ausdruck kommunaler Planungshoheit, die Pläne seien vom Staat genehmigt. Bei der zukünftigen Versiegelung müsse zudem eine Gewichtung erfolgen. Für Gemeindebedarfsflächen wie Kitas, Radwege, Nahverkehr, Feuerwehreinrichtungen oder Schulen müsse ein geringerer Faktor gelten als etwa für den geförderten und den allgemeinen Wohnungsbau. Am höchsten soll dieser Faktor nach den Vorstellungen des Verbands für Gewerbeflächen sein. Auch müssten die sehr unterschiedlichen städtebaulichen Strukturen berücksichtigt werden. "Die Größe einer Kommune allein macht es nicht aus, eine Gemeinde im Bayerischen Wald kann ich nicht mit einer stadtnahen Gemeinde im Großraum München vergleichen", sagte Schelle. Die bestehende Nutzungseffizenz soll bei neu versiegelten Flächen nicht unterschritten werden.

Trotz der aufgestellten Forderungen gibt Schelle zu: "Wir haben keine Patentlösung." Man wolle aber auf die Fußfesseln in dem Gesetzentwurf aufmerksam machen. Für Kirchheim zum Beispiel, wo viel Fläche für die Ausrichtung der Landesgartenschau benötigt wird, hätte das Gesetz laut dem Verbandsvorsitzenden 40 Jahre Baustopp zur Folge.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2019
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