Obdachlosigkeit:Plötzlich ohne Dach überm Kopf

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In Puchheim haben im vergangenen Jahr etwa 100 Menschen ihre Wohnung verloren. Betroffen sind Einheimische, EU-Ausländer und Flüchtlinge. Die Hauptursachen sind hohe Mieten und niedrige Löhne

Von Peter Bierl, Puchheim

Etwa 100 Menschen sind im vergangenen Jahr in Puchheim obdachlos geworden, die Tendenz ist steigend. Die Ursachen dafür sind hohe Mieten in Kombination mit niedrigen Löhnen, Erwerbslosigkeit, Überschuldungen, aber auch familiäre Krisen und Trennungen. Die städtische Obdachlosen-Unterkunft ist überbelegt, weswegen die Kommune Wohnungen und Häuser anmietet. Außerdem sitzen in den vier Flüchtlingsunterkünften 107 anerkannte Asylbewerber, die eigentlich auch eine neue Bleibe suchen müssen. "Die sind auf dem Wohnungsmarkt chancenlos", sagte Jens Tönjes, der geschäftsleitende Beamte im Rathaus.

Das Sozialamt der Stadt legte am Montag einen Bericht über Obdachlosigkeit in Puchheim vor. Demnach hatte die Behörde im vergangenen Jahr mit 61 Fällen zu tun. Hinter vielen dieser Einzelfälle verbergen sich mehrere Menschen, manchmal ganze Familien. Weitere 80 Fälle hat die Fachstelle Wohnen in Puchheim registriert, die Beratungen anbietet, Hilfen bei Zwangsräumungen und Vermittlungen mit anderen Behörden und Vermietern. Nach Angaben von Andre Ameri vom Sozialamt sind derzeit 17 Personen in der städtischen Obdachlosenunterkunft "Die Brücke" untergebracht. Sie ist nur für zwölf Menschen gedacht ist. Für elf Menschen hat die Stadt Wohnungen gemietet. Bei den Obdachlosen handelt es sich um alleinerziehende Frauen mit Kindern. Weitere sechs Personen sind in Mehrbettzimmern in Pensionen einquartiert.

Die Caritas kümmert sich um Obdachlose und lässt sie unter anderem in ihrer Einrichtung in Fürstenfeldbruck wohnen. (Foto: Günther Reger)

In den ersten Wochen des Jahres hat das Sozialamt bereits dreizehn Fälle registriert. Sechs Personen mussten untergebracht werden, in drei Fällen waren Zwangsräumungen angekündigt. In 28 weiteren Fällen wurden der Fachstelle angekündigt, berichtete Ameri. "Es werden nicht weniger, eher mehr", warnte er. Tönjes wies darauf hin, dass es neben diesen offiziellen Zahlen noch eine verdeckte Obdachlosigkeit gebe.

Bei den Betroffenen handelt es sich um Einheimische und Ausländer sowie neun syrische Flüchtlinge, die im Zuge des Familiennachzuges kommen, erklärte Klaus Winter, der Leiter des Sozialamtes, der SZ. Nach Angaben der Fachstelle Wohnen der Caritas sind sowohl Familien als auch Alleinerziehende und Rentner betroffen. "Es sind oft Dramen mit vielfältigen Ursachen, die sich da abspielen", sagte Irmgard Ales von der Fachstelle. Zwei Faktoren sind jedoch maßgeblich: zum einen die hohen Mieten, zum anderen niedrige Löhne für Vollzeit- wie Teilzeitarbeit. Bei Alleinerziehenden reichen die Minijobs plus Kindergeld nicht zum Leben. In etlichen Fällen lägen die Einkommen unter Hartz-IV-Niveau, so dass das Jobcenter aufstockt, in etlichen Fällen handelt es sich dabei allerdings um kleine Beträge. Häufig geraten die Betroffenen in Mietrückstand und nach zwei bis drei Monaten kündige der Eigentümer, erzählt die Sozialpädagogin.

Ein weiteres Problem sind hohe Nebenkosten vor allem für die Mieter, bei denen das Jobcenter nicht einspringt. In der Puchheimer Planie sind davon viele Menschen betroffen, weil Immobilienfirmen seit Jahrzehnten die Hochhäuser nicht saniert haben. Es gibt oft keine Wärmedämung und die Heizanlagen sind 40 Jahre alt. Für Rentner bedeuten Mieterhöhungen oft, dass ihr Geld nicht mehr reicht. Ihnen droht ebenfalls die fristlose Kündigung. Die Fachstelle versucht, Ratenzahlungen mit den Eigentümern auszuhandeln.

Obdachlosigkeit droht oft nach Trennungen, weil der verbleibende Teil der Familie die Miete nicht mehr bezahlen kann. Für staatliche Zuschüsse ist die Wohnung dann zu teuer und zu groß, die Bewohner können aber auch keine günstigere Bleibe finden. In manchen Fällen haben sich Leute auch zu unüberlegten Anschaffungen mit Ratenzahlungen hinreißen lassen, die ihr Budget übersteigen. So geraten sie in eine Verschuldung. Konflikte gebe es auch, wenn Ausländer Angehörigen helfen wollen und sie aufnehmen, so dass die Wohnung überbelegt sei und der Vermieter schließlich kündige, berichtet Ales.

Ähnlich wie in Puchheim sei die Situation in Germering und Fürstenfeldbruck. "Das sind die Brennpunkte im Landkreis, da haben wie die höchsten Fallzahlen", sagte Ales.

© SZ vom 22.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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