Nominierung für den Tassilo-Preis:Singen über alle Grenzen hinweg

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Der Projektchor "Oh Happy Day" ist ein Paradebeispiel für die Gesellschaft: Er zeigt, wie man Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und von verschiedener Herkunft zusammen bringt - und dabei eine Menge Spaß hat

Von Katharina Knaut, Fürstenfeldbruck

Es ist gelebte Inklusion - anders kann man den Projektchor "Oh Happy Day" nicht beschreiben. Es ist egal, ob man eine körperliche oder geistige Behinderung hat, aus einem anderen Land kommt oder einfach nur Spaß am Singen hat, beim Chor "Oh Hppy Day" wird alles so gestaltet, dass jeder die Möglichkeit hat, sich seinen Fähigkeiten entsprechend einzubringen und seine Leidenschaft auszuleben - unabhängig von körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen. Es ist die Botschaft in jedem seiner Konzerte: Inklusion ist möglich, zu jeder Zeit und in jeder Situation. Aus diesem Grund ist der Chor "Oh Happy day" für den Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung nominiert.

"Eine Teilnehmerin mit MS meinte einmal nach einem Konzert: Das ist wie Medizin für mich", erzählt Thilo Wimmer, Gründer und Projektleiter des Chors. Vor dem Auftritt habe sie große Schmerzen gehabt, danach waren sie verschwunden. "Das ist die Energie unseres Chors." Eine Energie, die sich auch auf das Publikum überträgt. "Nicht selten fließen bei unserem Auftritt Tränen, aber es sind keine Tränen des Mitleids." 2013 hat Wimmer zusammen mit der Sängerin Ulrike Buchs-Quante das Projekt ins Leben gerufen. Die Idee: Ein Chor, in dem Menschen mit und ohne Behinderung zusammen singen sollten und in dem jeder die gleichen Chancen erhält, egal ob er eine Beeinträchtigung hat, oder nicht. Am Anfang sei er sehr unsicher gewesen, ob diese Idee auch bei den Menschen ankommen würde, erklärt Wimmer. "Ich dachte es wäre Glück, wenn sich auch nur 30 Personen dazu anmelden."

Letztendlich waren es dann 130. Ein Drittel davon waren Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung. "Ich war sehr überrascht." Das erste große Konzert veranstalteten sie dann im April 2014 vor rund 800 Zuschauern. "Ich dachte eigentlich, dass es bei dieser einmaligen Veranstaltung bleibt", meint Wimmer. "Dann war die Begeisterung aber so groß, dass ich nicht mehr nein sagen konnte." So entwickelte sich schließlich der Projektchor, bestehend aus einem Kern von 80 Menschen, die bei jedem Konzert dabei sind, sowie einem variablen Teil, der sich immer wieder verändert. Der Chor habe sich auf diese Weise enorm weiterentwickelt, so Wimmer. Mittlerweile setzt er sich neben den klassischen Stimmen zusätzlich aus einem Aktionschor, einer Percussiongruppe und Tänzern zusammen. Dazu wurden auch schon eine Schauspielerin und eine professionelle Band gebucht.

Die Proben finden jeweils an ein paar Wochenenden in Form von Workshops statt "Wir haben nur diese Gelegenheiten, in denen wir uns auf die Auftritte vorbereiten." Im Vorfeld koordinierten sie aber schon, welches Stück am besten zu den Sängern passt. Das sei ebenfalls etwas, was den Chor so besonders mache, erklärt die musikalische Leiterin Ulrike Buchs-Quante. Sie singt selbst professionell in Chören und hat lange Zeit and er Musikhochschule unterrichtet. Normalerweise sei die Musikbranche ein Hochleistungsbetrieb. Auch beim Programm gebe es normalerweise keine Flexibilität. Wenn die Stücke ausgesucht seien, müssten da alle durch. Schwächen bedeuten den Ausschluss. "Entweder bist du perfekt, oder du fliegst." Beim "Oh Happy Day" Chor sei es genau andersherum. "Hier schauen wir: was passt zu den Leuten." Danach wird dann das Programm zusammen gestellt. Auf diese Weise werden Räume und Möglichkeiten geschaffen, damit sich jeder seinen Fähigkeiten entsprechend verwirklichen kann, so Wimmer. So haben beispielsweise auch Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, Soli zu singen.

Das gebe ihnen die Chance, an ihre Grenzen zu gehen, erklärt Andrea Herzl. Seit der Gründung ist sie Mitglied des Chors. Ihrer Meinung nach würden Menschen mit Behinderung im Alltag in ihren Fähigkeiten häufig unterschätzt. Der Chor gebe ihnen die Möglichkeit, das Beste und Äußerste zu geben. Und sollte es doch einmal Schwierigkeiten geben, sei der Zusammenhalt so groß, dass diese leicht zu bewältigen seien. "Ich übe auch zu Hause mit ein paar anderen Mitgliedern", erzählt Herzl. Sie erinnert sich dabei an eine Frau, die ein Solo singen sollte und große Probleme damit hatte. "Wir haben zusammen geübt und irgendwann ist der Knoten geplatzt." Als die Frau es dann bei den Proben geschafft habe, seien alle 150 Mitglieder spontan aufgestanden und haben geklatscht. "Es war unglaublich." Genau diese Botschaft werde auch bei Auftritten transportiert: Es gibt Inklusion, sie kann überall stattfinden und jeder kann mit dazu beitragen.

Mit dieser Einstellung hat der Chor auch für das Jahr 2016 wieder mehrere Auftritte geplant. Dieses mal stehen sie unter dem Motto "We are the World". Das Programm bekommt dabei noch einmal ganz neue Einflüsse, denn es werden zum ersten Mal Asylbewerber im Chor mitsingen und dabei ihre Heimatmusik mit einfließen lassen. "Wir wollen zeigen, dass das auch eine Art der Inklusion ist", meint Wimmer. Diese Menschen seien in Zukunft ein Teil der Gesellschaft und darüber hinaus sehr kulturfördernd. "Inklusion heißt nicht nur mitmachen, sondern auch einbringen." Die Konzerte finden im November und Dezember in Fürstenfeldbruck, Erding und München statt.

Vorschläge für den Tassilo-Preis können per Post, Fax oder E-Mail an die Lokalredaktion Landkreis Fürstenfeldbruck geschickt werden. E-Mail: tassilo@sueddeutsche.de, Fax: 089/2183-96-8753. Einsendeschluss ist Samstag, 21. Mai.

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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