Nominiert für den "Tassilo-Preis":Trommeln für die Integration

Bruck: Trommel-Gruppe Diappo / Tassilo-Preis

Einmal pro Woche treffen sich die Mitglieder von Diappo zum gemeinsamen Üben. Immer dabei: Helmut Heins vom Asylhelferkreis (Dritter v. r.).

(Foto: Johannes Simon)

Die Gruppe "Diappo" besteht aus senegalesischen Flüchtlingen und begeistert seit mehr als zwei Jahren die Brucker. Aber das Projekt leistet wesentlich mehr als nur Unterhaltung

Von Edith Schmied, Fürstenfeldbruck

"Mal schauen ob sich da nicht was machen lässt", dachte sich Helmut Heins und marschierte mit seiner Trommel in die Containersiedlung in der Fürstenfeldbrucker Hasenheide. Der pensionierte Siemensingenieur gehört zum Brucker Asylhelferkreis und weiß wie apathisch sich Arbeitsverbot und enge Unterkünfte auswirken können. Damals, vor rund zweieinhalb Jahren, konnten gerade zwei der Asylbewerber mit dem Instrument umgehen. Heute ist daraus eine in jeder Hinsicht schlagkräftige Gruppe entstanden. Die Trommler aus dem Senegal nennen sich "Diappo". Das bedeutet in ihrer Heimatsprache "Wolof" so viel wie "gemeinsam". Mit ihren zahlreichen öffentlichen Auftritten, bei Sportveranstaltungen, bei Workshops in Kindergärten und Schulen, sind sie hautnah an der heimischen Bevölkerung dran. Integration und Inspiration ergänzen sich dabei auf besondere Weise. Was Helmut Heins und seine Kollegin Stefanie Keller vom Olchinger Helferkreis in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben ist das beste Beispiel für gelebte Integration. Deshalb ist "Diappo" für den diesjährigen Tassilo-Preis nominiert.

Wer bei den Proben zuhören will, nimmt sich am besten Ohrstöpsel mit. Wobei sich der Geräuschpegel damit auch nur bedingt senken lässt. Allasane Diop schlägt mit atemberaubender Geschwindigkeit auf die Djembe ein, während seine langen Rastalocken durch die Luft wirbeln. Welch eine Klangfülle er dieser Bechertrommel entlockt. Der erfahrene Vollblutmusiker erfindet immer wieder neue Rhythmen. Helmut Heins, selbst nicht ganz ungeübt, versucht da mitzuhalten - und stellt leicht resigniert fest, dass sich deutsche und afrikanische Trommelkunst ganz gewaltig unterscheiden. "Wir sind da viel zu steif, ähnlich wie beim Tanzen"; "Na ja, die Meisten", schiebt er hinterher. Dennoch ist er fester Bestandteil der Gruppe, ebenso wie der aus Mazedonien stammende Basstrommelspezialist Aki Demirov. Die Integration beruht gewissermaßen auf Gegenseitigkeit.

Die große Schar der Interessierten war für die beiden Asylhelfer zunächst kaum zu bewältigen. Wegen der vielen unterschiedlichen Charaktere gab es Reibereien, das Projekt war gefährdet. Schließlich verteilten Keller und Heins die beiden Alphatiere auf zwei Gruppen. Rund acht Trommler haben sich unter dem Namen "Diappo" zusammen gefunden. Jeder ist wichtig für die Band. Leadsänger Ibrahima Ngom, sie nennen ihn "Professor", treibt die Gruppe mit seiner Stimme und seinen Trommelkünsten an. Moustapha Thlam, genannt Siny, ist der Clown. Mit seinem Charme animiert er bei Workshops Kinder und Erwachsene zum Tanzen. Nogaye Ciss begeistert das Publikum mit ihren typischen senegalesischen Tanzbewegungen und schrillen Rufen. An diesem Abend lässt sie ihr Temperament an der Basstrommel aus. Moustapha Fall ist eigentlich gelernter Karosserielackierer, liebt Sport, und sorgt mit seinem intelligenten Witz für viel Lockerheit. Mit seinen guten Deutschkenntnissen ist er der ideale Ansprechpartner für Heins. Ibrahim Balde ist so etwas wie die gute Seele im Team, der Kümmerer. "Ich lerne den ganzen Tag Deutsch", scherzt er.

Wie gefragt "Diappo" mittlerweile ist, zeigt sich an der großen Anzahl von Buchungen und Auftritten. 2014 waren es 20, ein Jahr später 55, Tendenz steigend. Allein im laufenden Monat sind es schon acht. Gage verlangen die Musiker nicht. Auf Spenden sind sie freilich angewiesen. "Wir haben quasi mit null angefangen" erzählt Heins. Mit den Spenden finanzieren sie ihre Instrumente, die sind rund 6000 Euro wert, und die Fahrten zu den Auftritten. Durch den amtierenden Bürgermeister Erich Raff kam der Kontakt zu den Brucker Handballern zustande. Die vor allem beim Gegner gefürchtete Geräuschkulisse, verfehlte ihre Wirkung seit dem ersten Einsatz nicht. Seither haben die "Panther" fast alle ihre Spiele gewonnen. Zufall? Egal, jedenfalls genießen die Senegalesen die Stimmung in der Halle, das Abklatschen mit den Spielern.

Seit sie gemeinsam trommeln hat sich für die Flüchtlinge viel verändert. Die regelmäßigen Übungsstunden und die Auftritte geben ihrem Alltag Struktur. Sie haben Selbstbewusstsein getankt. Nicht von ungefähr sind alle Bandmitglieder mittlerweile aus den Unterkünften in eigene Wohnungen umgezogen.

"Diappo" sind die letzten Nominierten für den Tassilo-Preis. In den kommenden Wochen berät nun die Jury über die Preisträger, die dann im Juli ausgezeichnet werden.

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