Nicht wegschauen:Herrmann mahnt Kommissare zu Wachsamkeit in eigenen Reihen

Nicht wegschauen: Weil im Stadtsaal viel mehr Platz ist als im Churfürstensaal, findet die Diplomierungsfeier am Montag dort statt.

Weil im Stadtsaal viel mehr Platz ist als im Churfürstensaal, findet die Diplomierungsfeier am Montag dort statt.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Bayerns Innenminister spricht bei der Diplomierungsfeier der Polizeischule in Fürstenfeldbruck Rechtsextremismus und Kriminalität unter Polizeibeamten an

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Es ist erst ein paar Tage her, als der Studienort angehender bayerischer Kommissare zum Schauplatz einer größeren Ermittlung wird. Kriminalbeamte durchsuchen im ehemaligen Kloster Fürstenfeld die Unterkunft eines Beamten des Münchner Polizeipräsidiums, der sich dort zum Studium aufhält. Es geht darum, Beweise zu sichern in einem Ermittlungsverfahren gegen Münchner Kollegen. Unter anderem Verstöße gegen das Betäubungsmittel- und das Antidopinggesetz sowie die Verfolgung Unschuldiger und Strafvereitelung wirft man ihnen vor. Beamte, die sich nach den Worten von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) "über Recht und Gesetz stellen", wo sie es doch einhalten und verteidigen müssten. An diesem Montagvormittag steht Herrmann im Fürstenfeldbrucker Stadtsaal auf der Bühne und spricht mahnend auf 183 frisch gebackene Kommissare der bayerischen Polizei ein. "Schauen Sie nicht weg, widersprechen Sie", sagt Herrmann eindringlich zu den neuen Führungskräften.

Denn das werden die jungen Frauen und Männer vom 1. Oktober an sein, wenn sie nach ihrem Studium an der Hochschule für den öffentlichen Dienst, Fachbereich Polizei, wie die Polizeischule Bruck heißt, in ihre Dienststellen zurückkehren oder auf anderen neuen Posten verwendet werden. Herrmann will von den Kommissaren, die alle besonders gute Abschlussnoten bekommen haben, dass sie "in die Dienstgruppen hineinhören", um rechtzeitig mitzubekommen, wenn Kolleginnen und Kollegen auf die schiefe Bahn geraten. Aber nicht nur kriminelle Handlungen gelte es zu unterbinden, auch politische Fehlentwicklungen. "Lassen Sie nicht zu, dass einige wenige Unbelehrbare die weit übergroße Mehrheit rechtschaffener, fleißiger, erfolgreicher und absolut gesetzestreuer Polizistinnen und Polizisten in Misskredit bringen", sagt der Innenminister. Es sei zwar ein Teamgeist zu fördern, aber ein falsch verstandener Korpsgeist nicht zu dulden. Herrmann sorgt sich darum, dass das Vertrauen in die Polizei verloren geht, auch wenn er weiß, dass der allergrößte Teil der Bevölkerung noch hinter der Polizei steht.

Aber dieses Vertrauen ist auch durch die rechtsextremistischen Beamten jüngst in Nordrhein-Westfalen beschädigt worden, und Herrmann vergisst bei der Diplomierungsfeier nicht zu sagen, dass es auch in Bayern rechtsradikale Vorfälle gegeben hat. Wenn Beamte "rote Linien" überschritten, dann bedeute das, dass "man sich von den Kollegen wieder trennen muss", betonte Herrmann. Es könne auch nicht angehen, dass ein Beamter, der der "Reichsbürger"-Ideologie anhänge, den Staat in Frage stelle, ihm gleichzeitig aber als Beamter dienen wolle.

Herrmann versucht in seiner Rede die neuen Führungskräfte zu sensibilisieren, vergleicht die Polizeiskandale der jüngsten Zeit mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. "Die Gesamtorganisation hat darauf nicht reagiert", es sei verharmlost und verheimlicht worden."

Die neuen Kommissarinnen und Kommissare kommen aus ganz Bayern und haben ihr zwei- beziehungsweise dreijähriges Studium an den Schulstandorten Fürstenfeldbruck und Sulzbach-Rosenberg absolviert. Die Schwerpunkte reichen von polizeilichem Management wie beispielsweise Kriminalistik, Führungslehre oder polizeiliches Einsatzverhalten, bis hin zu Rechtswissenschaften wie Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, polizeiliches Eingriffsrecht oder Verkehrsrecht. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der engen Verknüpfung von Theorie und Praxis: "Unsere Polizistinnen und Polizisten müssen das Gelernte notfalls in Sekundenbruchteilen umsetzen, dafür braucht es einen kühlen Kopf, ganz viel Fingerspitzengefühl und Teamgeist", sagt Hermann im erstmals für die Diplomfeier genutzten Stadtsaal. Üblicherweise finden die Abschlussfeiern im Churfürstensaal des Klosters statt. Im Stadtsaal aber ist mehr Platz, damit die Absolventen weit genug voneinander entfernt sitzen können und die Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden.

Wie gut die Studentinnen und Studenten trotz der wegen Corona ab Mitte März immer schwieriger werdenden Lehr- und Lernbedingungen dennoch sind, zeigt der Notendurchschnitt von 9,55, den Schulleiter Ingbert Hoffmann besonders hervorhob. Das entspricht "befriedigend". Es sei das zweitbeste Ergebnis der vergangenen 20 Jahre gewesen, alle hätten bestanden. Das Anfangssemester sei noch normal verlaufen, aber am 13. März sei der Präsenzlehrbetrieb von jetzt auf gleich eingestellt worden und eine Home-Office-Phase habe sich bis 18. Mai hingezogen. Doch nach einigen Anlaufschwierigkeiten habe der digitale Distanzunterricht funktioniert, so Hoffmann. "Wir waren auf diese Situation nicht darauf vorbereitet", räumte Herrmann ein, es sei aber im "Rahmen des bisher Möglichen gut gelungen" und man habe daraus viel gelernt.

Auch Fürstenfeldbrucks Landrat Thomas Karmasin (CSU) zeigt sich beeindruckt von der Leistung der Kommissare, die ihr Studium "unter nicht leichter werdenden Bedingungen" erfolgreich absolviert hätten.

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