CSU-Neujahrsempfang:Schelte für die Politik

CSU-Neujahrsempfang: Im Mittelpunkt: Gastredner Jürgen Kirner beim Neujahrsempfang der CSU Egenhofen. Im Hintergrund CSU-Grandseigneur Thomas Goppel (links) und Albert Aumüller, Eigentümer der Furthmühle, wo der Abend stattfindet.

Im Mittelpunkt: Gastredner Jürgen Kirner beim Neujahrsempfang der CSU Egenhofen. Im Hintergrund CSU-Grandseigneur Thomas Goppel (links) und Albert Aumüller, Eigentümer der Furthmühle, wo der Abend stattfindet.

(Foto: Johannes Simon)

Der Kabarettist und Volkssänger Jürgen Kirner teilt beim CSU-Neujahrsempfang in der Furthmühle kräftig aus und gibt ein Bekenntnis zum Besten.

Von Heike A. Batzer, Egenhofen

Mit dem Ausmisten macht jeder so seine eigenen Erfahrungen. Bisweilen tut man sich schwer damit, "sich von Sachen zu trennen", weiß Jürgen Kirner. Unter dem Motto "Politik ist wie ein Kleiderschrank: Er gehört von Zeit zu Zeit entrümpelt" betreibt der bekannte Volkssänger, Kabarettist und Moderator beim Neujahrsempfang der CSU Egenhofen kräftige Politik-und Politikerschelte - nicht bösartig, aber doch deutlich in der Aussage. Sein Vortrag wird zum wilden verbalen Ritt bis hin zum Bekenntnis: "Ich bin schwul."

Etwa 60 Gäste - darunter Bezirksrätin Gabriele Off-Nesselhauf und die ehemaligen Staatsminister Thomas Goppel und Reinhold Bocklet - sind ins ehemalige Café Mahlgang an der Furthmühle bei Egenhofen gekommen, diesem Juwel, das für öffentliche Besichtigungen nicht mehr zur Verfügung steht, seit der Vertrag zwischen der Eigentümerfamilie Aumüller und dem Landkreis Fürstenfeldbruck nach 30 Jahren ausgelaufen ist. Seit mehr als einem Jahr sucht man nach einer neuen Form des Zusammenwirkens, bislang ohne Ergebnis. Die Aumüllers bewirten an diesem Abend. An ein paar Stehtischen kommt man nach Kirners Vortrag zu Harfenklängen und Häppchen, Getränken und Gesprächen zusammen, und die CSU-Ortsvorsitzende Gabriele Dietrich lässt angesichts der ungeklärten Lage um das Mühlenmuseum durchblicken, dass nicht sicher ist, wie oft man sich in diesem Ambiente noch treffen könne.

CSU-Neujahrsempfang: Immer noch aktive Beobachter der politischen Landschaft: der ehemalige Staatsminister Reinhold Bocklet und Ehefrau Rosemarie beim Neujahrsempfang in der Furthmühle.

Immer noch aktive Beobachter der politischen Landschaft: der ehemalige Staatsminister Reinhold Bocklet und Ehefrau Rosemarie beim Neujahrsempfang in der Furthmühle.

(Foto: Johannes Simon)

Oben im ersten Stock ist es kühl, und so mancher Anwesende behält seinen Mantel lieber an, als zuvor Jürgen Kirner seine Rede hält. Der 62-Jährige, einer größeren Fangemeinde bekannt als Gastgeber der TV-Sendung "Brettl-Spitzen" und auch als Krüglredner bei Starkbierfesten, macht keinen Hehl aus seiner CSU-Mitgliedschaft ("Ich bin der einzige bekennende Kabarettist in Bayern, der sagt, dass er ein CSU-ler ist"). Das hindert ihn nicht daran, sich den Politikbetrieb vorzuknöpfen und sich an einer Zustandsbeschreibung zu versuchen, die auch als Krüglrede hätte durchgehen können.

Sorge um Demokratie

Beim Blick in den Kleiderschrank rät er gleich mal zur Trennung von den Maskendealern Sauter und Tandler. Er lästert über Söder und über Grünen-Wähler, "die mit dem SUV in die Pitztaler Gletscherskiarena fahren", zuvor aber mit ihrem Wahlverhalten ihr Gewissen beruhigt hätten, und wünscht sich für Bayern eine Ministerpräsidentin. Er sorgt sich um die Demokratie ("wird weltweit immer rarer") und beobachtet, dass Politiker "mehr und mehr zu Marionetten werden", die sich weniger dem Gemeinwohl denn dem "mein Wohl" verpflichtet fühlten. Er kommt auf die Flüchtlingskrise zu sprechen ("Wir leben in einer Völkerwanderung, das sollte uns bewusst werden"), auf rechtsradikales Gedankengut ("Man traut sich wieder, Nazi zu sein") und auf die Tendenz, den Staat für alles und jedes verantwortlich zu machen. Der moderne Instagram-Mensch verkomme zur Hülle: "Wer sich da nicht optimal präsentiert, fällt durch." Er sorgt sich wegen zu beobachtender gesellschaftlicher Verwerfungen und fordert die Politik auf, Rahmenbedingungen zu schaffen. "Wir verlieren Werte und vergessen das Menschsein."

Die Politik würde seit geraumer Zeit Menschen nominieren, "die nicht geeignet sind für politische Ämter", sagt Kirner. An die anwesenden CSU-Vertreter appelliert er deshalb, "gute Leute aufzustellen. Versucht es!" Es gibt Applaus am Schluss und als Geschenk einen Korb mit Senf, und Kirner nimmt wieder seinen Platz in der ersten Reihe ein - neben Thomas Goppel. Der ehemalige Minister hat während Kirners Auftritt einen eigenen: Er kommt, zu spät, durch einen Seiteneingang, der mitten auf die Bühne führt. Nun, am Ende des Vortrags, steht Goppel wieder auf und leitet eine Zugabe ein: Ein munterer, spontaner Dialog zwischen ihm und Kirner entspinnt sich. Es geht um Scholz und um das "Scholzen", wie Goppel des Bundeskanzlers Agieren despektierlich nennt, und noch einmal um Söder. Das Publikum ist amüsiert.

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