Neues Präventionsprojekt:Fortbildung in einem Tabuthema

Im Landkreis werden nun alle Kita-Mitarbeiter geschult, Opfer von sexuellen Übergriffen besser zu erkennen

Von Gerhard Eisenkolb

Ein neues Präventionskonzept für Opfer sexueller Übergriffe im Landkreis ist dem Jugendhilfeausschuss des Kreistages in der jüngsten Sitzung am Montagnachmittag vorgestellt worden. Die Mitarbeiter aller Kindertagesstätten sollen speziell für das Thema sexuelle Gewalt an Mädchen und Jungen sensibilisiert werden und vor allem lernen, richtig und sofort zu reagieren und vor allem Hilfe zu suchen. Das Konzept verfolgt zwei Ziele. Den Erzieherinnen und Erziehern soll die Angst vor einem heiklen Tabuthema genommen werden. Zudem soll ihnen auch vermittelt werden, dass sie in einer solchen problematischen Situation nicht allein gelassen sind, sondern dass es Hilfseinrichtungen gibt, an die sie sich vertrauensvoll wenden können.

Vorgesehen sind noch in diesem Jahr acht bis zehn Fortbildungsveranstaltungen mit maximal 30 Teilnehmern, die entweder im Landratsamt oder in einer Kindertagesstätte stattfinden werden. Das Angebot gilt für alle Krippen, Kindergärten und Horte im Landkreis. In einem zweiten Schritt soll die Fortbildungsmaßnahme des Jugendamtes auch auf solche Mittagsbetreuungen an Schulen ausgeweitet werden, in denen keine ausgebildeten Erzieher arbeiten.

Andrea Bergmayr von der Beratungsstelle für Mädchen und junge Frauen IMMA in München und Ulrike Tümmle-Wanger von der Kontakt-, Informations- und Beratungsstelle für männliche Opfer sexueller Gewalt kibs erläuterten dem Jugendhilfeausschuss das Konzept. Sie wiesen darauf hin, dass es auch in Kitas unter Kindern zu Übergriffen kommen kann. In solchen Situationen sei die Verunsicherung unter den Erziehern relativ hoch, weil zwischen solchen Verhaltensweisen zu unterscheiden sei, die zur normalen kindlichen Entwicklungen gehörten, und solchen, die einen sexuellen Übergriff darstellten. Die Fachberaterinnen rieten dazu, solche Vorfälle nicht gleich zu skandalisieren, sondern zum Telefon zu greifen und sich Expertenhilfe zu holen.

Zurzeit wenden sich pro Jahr rund 100 Buben und Mädchen aus dem Landkreis an Imma und kibs in München, die mit dem Jugendamt des Landratsamtes kooperieren. Andrea Bergmayr und Tümmler-Wanger betonten, wie wichtig es sei, dass die Buben und Mädchen sich an zwei geschützte und anonyme Beratungsstellen in München wenden können. 2010 war in Fürstenfeldbruck die Beratungsstelle Kim Kinder, für Opfer von sexueller Gewalt, aufgelöst worden, weil angeblich die Hemmschwelle zu hoch war, ein solches Angebot im eigenen Lebensumfeld anzunehmen. Mit der größeren Distanz zum Wohnort steige die Anonymität, argumentierten die Befürworter der Schließung. Der Landkreis unterstützt die beiden Beratungsstellen in München pro Jahr mit einem Zuschuss von jeweils 25 000 Euro.

Bereits seit der Jahrtausendwende hatte sich eine Arbeitsgruppe mit dem Thema sexuelle Gewalt beschäftigt und eine eigene Fachberatungsstelle für Kinder und Jugendliche im Landkreis gefordert. Auch das Jugendamt und Einrichtungen der Jugendhilfe hatten wiederholt auf die Notwendigkeit einer solchen Stelle hingewiesen. Der Bedarf ist unstrittig. Im Jahr 2008 war dann die Einrichtung Kim in Fürstenfeldbruck eröffnet worden. Die bereits zweieinhalb Jahre später überraschend verfügte Schließung wurde damals von den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses mit Befremden zur Kenntnis genommen.

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