Neues Angebot für Lehrlinge:Halbe Kraft voraus

Weil der Fachkräftemangel weiter zunimmt, will das Jobcenter in Fürstenfeldbruck Firmen dazu bewegen, Auszubildenden auch Teilzeit-Arbeitsplätze anzubieten. Wie das geht, zeigt ein Schöngeisinger Wirt

Von Peter Schelling

Schoengeising: Ludwig Adolis - Koch-Azubi im Gastaus Braumiller (Unterer Wirt)

Als Praktikant hat Ludwig Adolis herausgefunden, dass ihm die Arbeit in der Küche Spaß macht und beschlossen, eine Ausbildung zum Koch zu beginnen. Weil er alleinerziehender Vater ist, kann er dies in einem Teilzeit-Arbeitsverhältnis tun. Im nächsten Frühjahr steht er vor seiner Abschlussprüfung.

(Foto: Johannes Simon)

Am liebsten kocht er "Jägerschnitzel mit frischen Spätzle", womit er ziemlich genau auf Linie des Hauses liegt. Ludwig Adolis, 26 Jahre alt und alleinerziehender Vater einer siebenjährigen Tochter, absolviert gerade eine Lehre als Koch beim Schöngeisinger "Unterwirt", einer traditionsreichen Gaststätte mit kleinem Biergarten direkt an der Amper. Das ist soweit nichts Ungewöhnliches. Sehr wohl ungewöhnlich ist aber, dass Adolis seine Ausbildung mit allem Drum und Dran in Teilzeit absolvieren kann. Möglich gemacht hat ihm das sein Arbeitgeber, der Unterwirt-Inhaber Tom Braumiller. Und für den war ausgerechnet die Tatsache, dass Adolis nicht mehr ganz so jung ist und den Alltag mit seiner Tochter, die gerade in die Schule gekommen ist, im Alleingang organisieren muss, eines der Hauptargumente, ihn überhaupt einzustellen.

Solche Arbeitgeber würde sich Carolin Hufnagl, die Geschäftsführerin des Jobcenters bei der Fürstenfeldbrucker Agentur für Arbeit, häufiger wünschen. "Der Arbeitsmarkt", sagt sie, "muss flexibler werden und immer mehr Angebote dieser Art bereit halten." Nur so lasse sich dem Fachkräftemangel in vielen Branchen, der jetzt schon erheblich sei und in nächster Zukunft noch deutlich zunehmen werde, wirksam entgegenwirken. Zwar gibt es schon seit 2005 eine Novelle im Berufsbildungsgesetz, die es beispielsweise jungen Eltern erlaubt, sich in Teilzeit ausbilden zu lassen, davon Gebrauch machen aber nur wenige. Lediglich 0,2 Prozent aller Auszubildenden in Deutschland stehen derzeit in einem Teilzeit-Arbeitsverhältnis. Für den Landkreis Fürstenfeldbruck gibt es zwar keine detaillierten Zahlen, Hufnagl geht aber davon aus, dass sie sich nicht nennenswert vom bundesweiten Wert unterscheiden dürften.

Dabei würde nach Ansicht der Jobcenter-Chefin gerade die Teilzeitausbildung die besten Möglichkeiten bieten, um Bewegung in einen Arbeitsmarkt zu bringen, auf dem es einerseits noch immer viele Lehrstellensuchende, andererseits aber auch jede Menge unbesetzte Lehrstellen gibt. Von mehr Ausbildungsplätzen auf Teilzeitbasis, ist sich Hufnagl sicher, würden ganz schnell beide Seiten profitieren - die der Arbeitgeber ebenso wie die der Arbeitnehmer. Warum viele Betriebe dennoch große Scheu davor haben, einen Auszubildenden in Teilzeit zu beschäftigen, kann sie sich nur damit erklären, dass häufig immer noch die Meinung vorherrsche, Teilzeitkräfte seien eher eine Belastung denn eine Hilfe. "Genau das Gegenteil ist aber der Fall", sagt Carolin Hufnagl. Gerade junge Erwachsene mit Kindern, denen eine Chance für eine Berufsausbildung in Teilzeit gegeben werde, seien hoch motiviert, äußerst zuverlässig und brächten einiges an Lebenserfahrung mit in den Job. Lauter Kriterien, die von Arbeitgebern eigentlich sehr geschätzt werden.

Um noch mehr Betriebe zu motivieren, Ausbildungsplätze auch auf Teilzeitbasis anzubieten, will das Jobcenter in Fürstenfeldbruck jetzt in die Offensive gehen. "In vielen Unternehmen ist überhaupt nicht bekannt, dass es das gibt", sagt Carolin Hufnagl, "und genau das müssen wir ändern." So sollen in den nächsten Wochen und Monaten möglichst viele Firmen im Landkreis über die Möglichkeit, junge Leute in Teilzeit auszubilden, informiert und beraten werden. In den Jobcentern hat der Umdenkungsprozess längst begonnen. So soll es künftig nicht mehr nur den klassischen Schulabgänger geben, der eine Ausbildung beginnt, sondern mehr und mehr auch den Späteinsteiger, der es - aus welchen Gründen auch immer - versäumt hat, einen Beruf zu erlernen. "Für jemanden, der schon um die 30 ist", sagt Hufnagl, "ist eine fundierte Berufsausbildung noch lange nicht zu spät."

Auch Johanna Maria Stein, als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt im Jobcenter beschäftigt, sieht in einer Teilzeitausbildung den idealen Weg, um beispielsweise alleinerziehenden Müttern und Vätern den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Ihre Hauptaufgabe sieht sie darin, Lobbyarbeit zu leisten und Vorurteile in den Unternehmen abzubauen. "Wenn das gelingt", sagt sie, "wird der Arbeitsmarkt ganz erheblich auch von Arbeitskräften profitieren, die ihre Ausbildung in Teilzeit absolviert haben." Eines stehe für sie in jedem Fall fest: "Männer und Frauen, die in Teilzeit arbeiten, sind äußerst gut organisiert und motiviert."

Genau das kann der Schöngeisinger Wirt Tom Braumiller nur bestätigen. Er hat Ludwig Adolis eine Lehrstelle angeboten, nachdem der ein Praktikum in seiner Gaststätte absolviert hatte. Mittlerweile wohnt Adolis mit seiner kleinen Tochter sogar in dem Wirtshaus, das erspart ihm die Anschaffung eines Autos und ermöglicht ihm einen kurzen Weg zu seinem Arbeitsplatz. Das ist wichtig, denn ein gewisses Maß an Flexibilität ist gerade in der Gastronomie nicht ganz unwichtig. Im Frühjahr nächsten Jahres wird Ludwig Adolis seine dreijährige Ausbildung zum Koch beenden. Die Aussichten, dass er dann weiter in Teilzeit beim Unterwirt am Herd stehen wird, sind schon jetzt ziemlich gut.

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