Neue Wohnungen:Gelände der Westernstadt wird neu besiedelt

Wo einst Cowboys Besucher nach Grafrath lockten, will die evangelische Kirche sechs Mehrfamilienhäuser errichten

Von Manfred Amann, Grafrath

Auf das zum Teil brach liegende und bewaldete Gelände an der Villenstraße Nord in Grafrath, auf dem einst der Märchenwald und eine Westernstadt standen und Besucher anzogen, soll wieder Leben zurückkehren. Die evangelische Landeskirche als Grundeigentümer möchte das Areal in Abstimmung mit der Gemeinde bebauen. Erst Ergebnisse, wie die Bebauung einmal aussehen könnte, hat ein im Februar in Auftrag gegebener Realisierungswettbewerb ergeben. Elf Architekturbüros hatten sich mit Plänen und Modellen beworben. Zum Sieger hat das Preisgericht, in dem neben Fachleuten Vertreter aller Fraktionen vertreten waren, Anfang Juni den Vorschlag von Architekt Martin Riehl aus München gekürt. Gemäß Beschluss des Gemeinderates wird nun mit dem Siegerkonzept als Grundlage die Bauleitplanung in Auftrag gegeben.

"Mit dem ausgewählten Vorschlag sind noch keine baurechtlichen Vorgaben geschaffen worden, die Preisrichter hätten darin lediglich erkannt, dass die Wünsche der Gemeinde und des Eigentümers damit am besten erfüllt sind", erklärte Bürgermeister Markus Kennerknecht in der jüngsten Ratssitzung. Im Nordwesten des Areals betreibt die Kirche das Hans-Leipelt-Haus, ein Selbstversorgerhaus der evangelischen Jugend München, das für Freizeiten und Seminare gebucht werden kann. Das Haus wurde saniert und soll weitergeführt werden. Wegen Lärmschutz soll die Wohnbebauung zu dem Gebäude etwas Abstand halten.

Modell für Märchenwald

Das Modell der neuen Siedlung.

(Foto: Privat/oh)

Entwurf und Modell zeigen sechs Mehrfamilienhäuser auf drei Quartiere verteilt, die mit einer durchschnittlich 265 Quadratmeter großen Grundfläche und drei Stockwerken bezahlbaren Wohnraum in unterschiedlicher Größe ermöglichen sollen. Laut Preisgericht fügen sich die Baukörper "elegant und mit einer gewissen Lockerheit" in das weitläufige Grundstück ein. Da auf den Baumbestand Rücksicht genommen wird, werde der Wald zum Park, der darin befindliche Teich werde zudem stark aufgewertet und bilde "einen gestalterischen und sozialen Mittelpunkt", heißt es. Außerdem werde das nicht ganz einfache "Höhenprofil spielerisch aufgenommen" und dem Lärmschutz große Bedeutung beigemessen. Für den Lärmschutz soll auf der Südseite des Geländes zur Villenstraße Nord und der Eisenbahnlinie hin eine Tiefgarage mit Parkdeck und Eingrünung sorgen. "Die Lösung, ein Parkdeck als Schallschutz zu verwenden, damit das gesamte Areal von Autos frei zu halten und überdies auf eine umfassende Verkehrserschließung verzichten zu können, halte ich für sehr gelungen", würdigte Kennerknecht.

Die evangelische Landeskirche will auf dem Gelände auch eine Kindertagesstätte verwirklichen. Deren Situierung, etwas abgesetzt von der Wohnbebauung, fanden die Preisrichter lobenswert, weil der Wald als Spielfläche einbezogen werden könne. Außerdem werde die bestehende Wohnbebauung am Finkenweg vom Lärm etwas abgeschirmt. Auch die Seniorenwohngemeinschaft Grafrath, die ursprünglich im Nachbarort Kottgeisering ein genossenschaftliches Wohnprojekt plante, bekommt auf dem Gelände Platz für etwa 25 Wohneinheiten. Im Nordosten schlägt der Planer einen Dreiflügelbau vor, der wegen seiner Nähe zum Wald und zum Teich laut Jury hohe Wohnqualität bieten werde.

Neue Wohnungen: Wenig märchenhaft sieht das ehemalige Märchenwald-Gelände aus.

Wenig märchenhaft sieht das ehemalige Märchenwald-Gelände aus.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Peter-Michael Kaifler (Grüne) regte Verbesserungen der Siegerplanung an, zog sich dann aber auf Drängen von Bernd Traut (Grafrather Einigkeit) von der Beratung zurück. "Es könne nicht sein, dass ein Architekt, dessen Vorschlag nicht genommen wurde, weiter mitmischt", befand Traut. Burkhard von Hoyer (Bürger für Grafrath) mahnte an, sich nicht nur auf die Siegerplanung zu versteifen, sondern auch Vorschläge anderer zu berücksichtigen. "Die Gemeinde ist frei in der Planung, und wir können uns nun das Beste aussuchen", sagte dazu Kennerknecht.

Der Geländename Märchenwald erinnert an die Attraktion, die bis Anfang der Siebzigerjahre Besuchermassen anzog. Der Märchenwald war 1961 von dem früheren Rossschlächter Toni Lötschert eröffnet worden und zeigte Szenen aus den Märchen der Gebrüder Grimm. Daneben richtete der Freizeit-Unternehmer aus Köln später eine "Westernstadt" ein. Die schießenden Cowboys waren vielen jedoch ein Dorn im Auge. Am 10. Juli 1973 ging die Westernstadt in Flammen auf, Brandstiftung nicht ausgeschlossen, und Lötschert zog sich zurück.

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