Neue SZ-Serie Energiewende 2030 (Teil 3):Vermeiden, verringern, umsteigen

Lesezeit: 4 min

In Fürstenfeldbruck soll der Ausstoß von CO2 stark reduziert werden. Ein ehrgeiziges Ziel. Jetzt müssten nur noch die Hausbesitzer mitmachen

Von Stefan Salger

Die Energiezentrale der Stadtwerke in Fürstenfeldbruck-West liefert Wärme, Kälte und Strom. Abnehmer sind unter anderem Industriebetriebe. (Foto: Johannes Simon)

Für eine Stadt ist es nicht leicht, die vom Landkreis bis 2030 anvisierte Energiewende zu schaffen. Es gibt keinen Platz für Windräder, Biogas- oder Freiflächensolaranlagen. Und doch sehen sich sowohl Oberbürgermeister Sepp Kellerer als auch Marco Schwentzek, dessen Stelle als Klimaschutz- und Energiebeauftragter sich Stadt und Stadtwerke teilen, auf einem guten Weg. Fürstenfeldbruck sei schon sehr weit, heißt es, jedenfalls deutlich weiter als viele andere Kommunen. Und der OB kann sich einen Seitenhieb auf den Landkreis nicht verkneifen: Der will bis 2030 allein 50 Prozent der Energie einsparen. Über Lippenbekenntnisse hinaus kann Kellerer da aber "kaum Fortschritte erkennen".

Fürstenfeldbruck hat ein paar Pfunde, mit denen es wuchern kann: Da ist nicht nur ein eigener Klimabeauftragter, der sich der Bestandsaufnahme annimmt und geeignete Maßnahmen entwickeln soll. Es sind vor allem die Stadtwerke. Die sollen der Stadt mit ihrem Versorgungsgebiet helfen. Dort ist Platz für die Nutzung von Sonnen- und Windkraft und für Blockheizkraftwerke. Und den Stadtwerken ist eine bedeutsame Rolle zugedacht, wenn es um die Technik geht für Fernwärme, mit Biomethan betriebene Blockheizkraftwerke und Windräder sowie um den Bezug von auswärtigem Ökostrom, beispielsweise durch Beteiligungen an Windparks in Norddeutschland oder durch Lieferungen aus Österreich. Pro Kilowattstunde emittieren die Stadtwerke nach eigener Berechnung zurzeit 268 Gramm Kohlendioxid, das ist lediglich etwas mehr als die Hälfte des Bundesdurchschnitts.

Diesen Herbst wird die CO2-Bilanz für 2012 vorgelegt. Auch sie wird nur Näherungswerte enthalten, denn wo welche Häuser, Gewerbebetriebe oder Autos wie viel Kohlendioxid ausstoßen, lässt sich nicht wirklich genau messen. Zumindest aber gibt es in Fürstenfeldbruck ganz ordentliche Anhaltspunkte. So verteilen sich die Emissionen auf die Bereiche Wärme (51 Prozent), Strom (34 Prozent) und Verkehr (15 Prozent). Nur wer in etwa weiß, wo er steht, kann da ansetzen, wo fossile Brennstoffe am aussichtsreichsten eingespart oder ersetzt werden können. Das gilt auch für Maßnahmen der Effizienzsteigerung, wie im Fall der Wärmedämmung. Denn die Energiewende ist lediglich mit einer Stromerzeugung durch Windkraft und Sonnenenergie gar nicht zu schaffen, das hat auch ein jüngst vom Landkreis in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigt.

Fürstenfeldbruck hat seit zwei Jahren einen 80 Seiten dicken Energienutzungsplan, der gefüllt ist mit Grafiken, Tabellen, thematischen Karten, Szenarien und Einschätzungen (Download als pdf unter www.solarportal-ffb.de). Ausgearbeitet wurde er von der Technischen Universität München, begleitet von Schwentzeks Vorgängerin Ulrike Strauch. In den Blick genommen wurde dafür nicht das weit entfernte Ziel des Landkreises, seinen Energiebedarf aus regenerativen Quellen zu decken. Fürstenfeldbruck orientiert sich vielmehr an den konkreter formulierten Zielen des Klimabündnisses. Dessen Mitglieder wollen die CO2-Emissionen alle fünf Jahre um zehn Prozent reduzieren. Und durch den Beitritt zum Konvent der Bürgermeister hat sich die Stadt zudem verpflichtet, die CO2-Emissionen bis 2020 um mindestens 20 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu reduzieren. Im vergangenen Jahr folgte die Stadt der Empfehlung der Energieexpertin und heutigen Ziel-21-Vorsitzenden Alexa Zierl und hob dieses Einsparziel auf 35 Prozent an. 2012 waren erste Fortschritte immerhin sichtbar: Im Vergleich zu 2005 war der CO2-Ausstoß um zehn Prozent reduziert worden.

Was aber kann eine Stadt tun? "Selbst nicht allzu viel", so Zierl. Immerhin kann sie mit gutem Beispiel vorangehen, kann etwa eigene Gebäude über die gesetzlichen Anforderungen hinaus dämmen so wie dies etwa bei der Fassadensanierung der Schule Nord geschehen ist und bei der Generalsanierung des Alten Graf-Rasso-Gymnasiums. Im Zuge der Städteplanung kann nachverdichtet werden. Und mit städtebaulichen Verträgen kann erreicht werden, dass etwa Neubaugebiete wie Hochfeld-West oder die künftige Siedlung östlich des Alten Graf-Rasso-Gymnasiums ans Fernwärmenetz angeschlossen werden. Sowohl Fernwärme als auch Sanierung entfalten allerdings die weitaus größte Wirkung im Altbaubestand. Denn Neubauten sind bereits gut gedämmt und benötigen wenig Heizenergie. Deshalb wollen Stadt, Stadtwerke und Geldinstitute im September gemeinsam informieren und möglichst viele Bürger aus den bereits in die Jahre gekommenen Wohnquartieren südlich und westlich des Zentrums dazu gewinnen, ihren Teil beizutragen zum Aufbau "einer nachhaltigen Struktur". Ein Haus aus den siebziger oder achtziger Jahren zu dämmen, lohnt sich vor allem dann, wenn ohnehin saniert wird und bereits ein Gerüst steht.

Der Oberbürgermeister räumt ein, dass das Programm, mit dem der Austausch von Fenstern und die Dämmung von Wänden und Dächern mit bis zu 2500 Euro gefördert wird, eher "ein Tropfen auf den heißen Stein" ist. In Verbindung mit Förderungen und zinsgünstigen Krediten, etwa der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), rechne sich eine Investition ins Energiesparen und in den Klimaschutz aber in wenigen Jahren, versichert Schwentzek. Nicht zuletzt die stetig steigenden Energiepreise sorgen dafür, dass sich so etwas über kurz oder lang amortisiert. Das gilt trotz reduzierter Einspeisevergütungen auch für die Nutzung der Sonnenenergie. Um Impulse zu geben für eine vermehrte Montage von Fotovoltaikanlagen, hat die Stadt ein Solarkataster ausgearbeitet. Jeder Hausbesitzer kann mit einem Blick auf den thematischen Stadtplan (www.solarportal-ffb.de) sehen, ob seine Dachfläche geeignet ist für eine effizient arbeitende Solaranlage oder wegen Ausrichtung, Neigung, Verschattung oder denkmalschutzrechtlicher Einschränkungen eher nicht.

Idealismus und Eigenverantwortung kann bei allem Interesse an der Wirtschaftlichkeit nicht schaden. "Jeder kann bei sich zu Hause bestimmt zehn bis 15 Prozent Energie einsparen", schätzt Schwentzek. Immer sei es ein Dreisprung aus "Vermeiden, Verringern und Umsteigen auf regenerative Energiequellen". Dazu gehört auch der Verkehr. Mal auf Fahrrad, Bus oder Zug umsteigen, spart sehr schnell Benzin und damit Emissionen. Und zumindest auf diesem Feld läuft in der Stadt nach Ansicht von Thomas Brückner noch nicht alles rund. Der Sprecher des Verkehrsforums und kommissarische Geschäftsführer der Bund-Naturschutz-Ortsgruppe mahnt mehr Anstrengungen an. Die vom Landratsamt unterstützte Einführung eines Citybusses und ein Zehn-Minuten-Takt der Buslinie 840 in die Buchenau seien durchaus Schritte in die richtige Richtung. Aber die Stadt müsse attraktiver und sicherer für Radfahrer werden, da herrsche Stillstand. Auch Brückner weist den Bürgern eine entscheidende Rolle zu: "Der Einzelne muss auch mitmachen" und dürfe sich nicht darauf verlassen, dass die Politiker es schon richten werden.

© SZ vom 05.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: