Neue SZ-Serie Energiewende 2030 (Teil 2):Puchheim verfehlt das Klimaziel

Der Abschied von Kohle, Gas und Atomkraft fällt Puchheim schwer. Die Stadt kann nicht alle regenerativen Energien nutzen. Helfen könnten nur ländliche Gebiete mit Windkraft.

Von Peter Bierl

Puchheim: Strommasten

Puchheim wird wohl noch länger auf Strom aus herkömmlichen Quellen angewiesen sein.

(Foto: Johannes Simon)

Die Vorgabe des Kreistages, bis 2030 auf Energie aus Kohle, Gas und Uran zuverzichten, wird Puchheim nicht erfüllen. Im Unterschied zu anderen Kommunen gehen die Verantwortlichen damit offen um, statt Luftschlösser zu bauen. "Das ist nicht realistisch", sagt Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) der SZ. In seinem Wahlprogramm hat er sogar 2020 als Termin versprochen. "Die Umsetzung ist zäher als ich dachte", sagt er nach knapp elf Monaten im Amt. Wie die anderen Kommunen verfügt die Stadt noch nicht einmal über exakte Daten zum aktuellen Verbrauch.

"Jein" antwortet Katharina Dietel, die Umweltbeauftragte der Stadt, auf die Frage nach dem Überblick. Den Energieverbrauch der Autos könne man "schwer bis überhaupt nicht" berechnen. Was die Heizung betrifft, verfüge man nur über Daten von kommunalen Liegenschaften sowie Anschlüssen am Fernwärmenetz. Der Energieträger ist Gas, zum Teil Biogas, insgesamt werden im Jahr etwa 28 Gigawattstunden Energie benötigt, um Haushalte im Neubaugebiet Wohnpark Roggenstein, in der Planie, an der Bäumlstraße, etliche Gewerbebetriebe sowie öffentliche Gebäude wie Jugendzentrum, Kulturzentrum Puc und Rathaus zu versorgen.

Den Stromverbrauch hat Helmut Müller mit 59,492 Gigawattstunden für 2010 berechnet, Tendenz steigend. Vor vier Jahren hatte der Elektroingenieur ausgerechnet, dass allein die rund 2100 Straßenlampen in der Stadt mit 500 Megawattstunden soviel Strom verbrauchen wie sämtliche Fotovoltaikanlagen im Ort liefern. Gestützt auf Müllers Angaben hat der Puchheimer Stadtrat das Klimaschutzkonzept des Landkreises als zu allgemein, oberflächlich und teilweise veraltet gerügt. Bundesweite Durchschnittswerte einfach runterzurechnen, sei wenig hilfreich. Auch Müller, der Mitglied im Verein Ziel 21 ist, der die Energiewende vorantreiben soll, glaubt nicht mehr an die Vorgabe 2030. Zwar brauchen neue Laptops weniger Strom als Computer und die Komm-Energie GmbH baue systematisch sparsamere LED-Leuchten bei den Straßenlaternen ein, lobt Müller. Dennoch sei der Stromverbrauch zwar "nicht merklich gestiegen", sollte aber "eigentlich sinken". Einsparungen würden durch neue Elektrogeräte aufgefressen, sagt Müller. So ist im Rathaus der Stromverbrauch trotz Energiemanagement nur um zwei Prozent gesunken.

Externe Firmen untersuchten die Sportgaststätte oder den Schulkomplex am Gerner Platz mit Schwimmbad und Turnhalle und stellten im Altenheim Haus Elisabeth fest, dass sich ein Blockheizkraftwerk anstelle der überdimensionierten Gasheizung rentieren würde. Im Gebäudekomplex von Feuerwehr und Bauhof in Puchheim-Bahnhof konnte der Verbrauch von Erdgas um 32 Prozent gesenkt werden. Oft geht es um Details. So hörten die Experten bei der Inspektion des Heizkellers ein dauerndes Geräusch: Die Abwasserhebepumpe sprang ständig an und lief rund um die Uhr, weil die Leitung undicht war. Im Rathaus konnte der Verbrauch um 18 Prozent reduziert werden und dabei müssen manche Mitarbeiter nicht mehr frieren wie früher. Die Energiemanager stellten fest, dass etliche Heizkörper nur 50 Prozent der Leistung brachten, weil sie nie gereinigt worden waren. Die Heizanlage wurde neu programmiert und schaltet sich jetzt etwa über die Weihnachtsfeiertage aus. Außerdem unterhält die Stadt ein Förderprogramm für Bürger mit 40 000 Euro pro Jahr für Energiesparmaßnahmen.

Der Bürgermeister glaubt, dass allenfalls bei Strom und Heizung bis 2030 die Wende in Puchheim zu schaffen sei, sofern das Geothermie-Projekt klappt. Öl und Gas würden weiter verwendet, sagt Seidl. Diese Energieträger müssten aber besser und effektiver als heute eingesetzt werden, wesentlich teuerer sein und dürften die Versorgung nicht mehr dominieren.

Städtische Gebiete können nicht energieautark werden, sondern brauchen den Verbund mit ländlichen Regionen, argumentieren Müller und Seidl. In Sachen Windkraft müsse dazu im Landkreis "noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden", findet der Bürgermeister. "Wieso müssen wir Windräder in Gerolsbach aufstellen, statt in Moorenweis?", fragt er. Puchheim beteiligt sich in Gerolsbach bei Pfaffenhofen an einem Windkraftwerk. Müller favorisiert ein Windrad auf Germeringer Flur, nahe dem Puchheimer Altdorf. Der Bürgermeister hat nichts dagegen, findet den Standort aber schwierig: "Die Windprognose ist nicht ergiebig und es gibt den Einflugtrichter des Flughafens Oberpfaffenhofen."

Den interkommunalen Teilflächennutzungsplan für Windräder rügt Müller als zu einschränkend, große Freiflächen-Fotovoltaikanlagen, wie bei Puchheim-Ort geplant, habe die Bundesregierung verhindert, in dem sie die Einspeisevergütung abschaffte. Im Ergebnis sei der regenerative Anteil beim Strom in Puchheim mit vier Prozent "mickrig". Bayernweit seien es acht Prozent. Der 74-Jährige ist ein Pionier, der 2003 die erste und einzige Bürgersolaranlage in Puchheim auf der Schule am Gerner Platz mit durchsetzte. "Wir mussten drei Mal in den Gemeinderat, um die Dachflächen zu kriegen", sagt er. Die Anlage liefert rund 34 000 Kilowattstunden im Jahr, das reicht für etwa zehn Haushalte. Die einzige Perspektive für Müller sind Dachanlagen. Die Module seien inzwischen so billig, dass sich auch ungünstige Standorte, die etwa nicht genau nach Süden ausgerichtet sind, rechnen, zumal für den Eigenverbrauch, wie beim neuen Kinderhaus Süd. Seidl verspricht, dass es kein öffentliches Gebäude mehr ohne eine solche Anlage geben wird.

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