Neubau bei den Nachbarn:Eine Nummer zu groß

Aubinger Politiker kritisieren, dass die Landeshauptstadt in Freiham mehr Wohnungen bauen will als geplant und damit die Verkehrsprobleme vergrößert

Von Ellen Draxel, Freiham

Aubings Lokalpolitiker kritisieren vehement die Planungen für den zweiten Realisierungsabschnitt Freiham-Nord. Sie plädieren für eine "vernünftige, verträgliche und maßvolle Entwicklung der letzten freien Flächen Münchens". Der Grundsatz- und Eckdatenbeschluss, der dem Gremium jetzt im Entwurf zur Anhörung vorgelegt wurde, widerspricht ihrer Ansicht nach dieser zentralen Forderung. Besonders der Bau von 5000 bis 6000 Wohnungen werfe neuerliche Fragen auf, die bereits für den ersten Bauabschnitt, der derzeit umgesetzt wird, "nicht oder noch nicht plausibel beantwortet" wurden. Bislang waren Stadtteilvertreter und Anwohner nur von 4000 neuen Wohnungen für den zweiten Bauabschnitt ausgegangen.

Noch geht der Bezirksausschuss Aubing-Lochhausen-Langwied nicht so weit, sein Veto einzulegen. Sollten die Kritikpunkte der Lokalpolitiker aber im weiteren Genehmigungsverfahren nicht berücksichtigt werden, behalten sich die Bürgervertreter ausdrücklich vor, künftige "Vorlagen wie Billigungs- und Satzungsbeschlüsse abzulehnen". So steht es in einer einstimmig beschlossenen, sechsseitigen Stellungnahme des Stadtteilgremiums.

Unerwartet kommt der Protest der Ortskenner nicht. Bereits im Dezember, als das Planungsreferat bei einer Präsentation erstmals die Zahl von bis zu 25 000 Einwohnern für Freiham nannte, reagierten die Politiker wenig erfreut angesichts dieser Korrektur nach oben. Bis zu diesem Zeitpunkt war immer von 20 000 Menschen die Rede gewesen, die in Freiham einmal leben sollten. Massive Probleme vor allem beim Verkehr sahen Anwohner und Bürgervertreter schon damals auf sich zurollen.

Eines ist der befürchtete Transitverkehr. Die Autobahn A 99, betonen die Politiker in ihrer aktuellen Erklärung, habe ihre Belastungsgrenze mittlerweile "weit überschritten" - auch die von der Autobahndirektion Südbayern versprochenen Verbesserungen seien da auf Dauer nicht ausreichend. Wegen der permanenten Staus im Westen der A 99 plant die Autobahndirektion, den Bereich um den Aubinger Tunnel sechsspurig und um den Allacher Tunnel achtstreifig, später sogar noch mit einer zusätzlichen Röhre, auszubauen.

Gewofag Freiham

An der Aubinger Allee plant die Wohnungsbaugenossenschaft Gewofag das Zentrum des neuen Stadtviertels mit Läden, Geschäften und 240 Wohnungen.

(Foto: 03 Architekten (Simulation))

Schleichverkehr wird von den Aubingern dennoch erwartet. Er würde sich über das Einfallstor Bodenseestraße ergießen. Laut den Bewohnern aber stößt die Hauptverkehrsader in Richtung Stadt schon heute an ihre Kapazitätsgrenzen. Zwar wurde die Straße in Höhe Freiham inzwischen ausgebaut. In Richtung Neuaubing verengt sie sich dann aber wieder. "Mögliche Szenarien dieses Trichtereffekts waren während der Baustellenphase leidlich erfahrbar", kritisieren die Bürgervertreter.

Die Wiesentfelser Straße, die parallel zur Bodenseestraße verläuft, kann aus Sicht der Lokalpolitiker jedenfalls nicht als Alternativroute dienen: "Eine prognostizierte Zunahme von fast hundert Prozent beim Autoverkehr ist der Bevölkerung dort nicht zuzumuten." In der Gegend leben viele Menschen in mehrgeschossigen Wohnblocks, es gibt Schulen, Pfarreien und zahlreiche soziale Einrichtungen. Der neue Autobahnanschluss, kritisieren die Lokalpolitiker, erreiche Neuaubing "nur mit wenigen Abbiegungen".

Ein zentraler Punkt ist für den Bezirksausschuss außerdem die künftige Anbindung Freihams an Aubing. Die beiden Stadtteile allein über die Georg-Böhmer-Straße miteinander zu verknüpfen, lehnt das Gremium "kategorisch" ab. Stattdessen wird eine zusätzliche Verbindung nach Germering gefordert. Denn langfristig sehen die Planungen eine endgültige Sperrung des Germeringer Wegs vor - und welche Folgen das für die Verkehrsbelastung der Bodenseestraße hat, konnten die Anwohner vergangenen Herbst erfahren, als der Germeringer Weg für einige Wochen nicht passierbar war.

Sitzung

Die Entwicklungen am Westrand der Landeshauptstadt sind auch Themen in den benachbarten Kommunen wie Germering, Puchheim oder Gröbenzell. So wird sich Gröbenzeller Gemeinderat zusammen mit dem Bezirksausschuss 22 am Dienstag, 21. März, in einer gemeinsamen Sitzung im Rathaus an der Danziger Straße in Gröbenzell unter anderem mit der Entwicklung in den Münchner Stadtteilen Lochhausen und Freiham beschäftigten. Die Sitzung beginnt um 19.30 Uhr.ecs

Dass ein neues Wohngebiet, das so viele Einwohner wie die Stadt Olching haben wird, im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs nur mittels U-Bahn und Bussen sinnvoll erschlossen werden kann, proklamieren die Bürgervertreter nun seit fast zwei Jahren. Bei einer Unterschriftenkampagne konnten sie mehr als 10 000 Unterstützer für eine Weiterführung der U 5 bis nach Freiham mobilisieren. Trambahnen, wie sie die Stadt vorschlägt, halten die Politiker hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit für "unterdimensioniert" und deshalb "ungeeignet". Zumal Freiham nicht das einzige Neubaugebiet im Münchner Westen ist. Die bereits heute überfüllte S 4 stellt für das Gremium keine Alternative zur Anbindung Freihams dar, auch nicht im Falle eines möglichen dreigleisigen Ausbaus der Strecke. Zur Entlastung beitragen könnten aber Fahrradschnelltrassen und Radtangentialen.

Neben dem verkehrlichen Aspekt befürchtet der Bezirksausschuss bei dem Bau von bis zu 2000 zusätzlichen Wohnungen auf engstem Raum aber auch sozialen Sprengstoff. "Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist sicherlich ein wichtiges Ziel in einer rasant wachsenden Großstadt", heißt es in der Stellungnahme. Dabei sollte allerdings nicht die "Wohn- und Lebensqualität mit ihren Auswirkungen auf die soziale Struktur im Viertel" aus den Augen gelassen werden. Die Stadt wird deshalb gebeten, das Förderprogramm München-Modell-Eigentum "angemessen zu berücksichtigen" sowie Plätze und Aufenthaltsflächen mit markanten Bäumen, schmalen Alleen, grünen Wegen und Treffs wie Biergärten einladend zu gestalten. Auch sollten Anreize zu innovativen Bau- und Wohnformen mit ökologischer Akzentuierung geschaffen werden. Nach den derzeitigen Plänen vermuten die Bürgervertreter eine stark verdichtete und damit hochgeschossige Struktur, die "nicht sonderlich einladend" aussehe.

Das Planungsreferat wirbt für Freiham stets mit dem Begriff des "Weiterbauens der Stadt". Eine "Mehrung von bis zu 2000 Wohnungen" für den zweiten Realisierungsabschnitt stuft die Verwaltung als "verträglich in Bezug auf Flächengröße, Nutzung und Verkehr" ein.

Die Lokalpolitiker hingegen sind der Überzeugung, Freiham werde sich, eingebettet zwischen der A 99 und einem Grünband, das den Stadtteil von Neuaubing trennt, in "Insellage" entwickeln. "Eine Vernetzung zum bestehenden Stadtbezirk sieht der Bezirksausschuss nicht." Dabei wäre genau das wichtig: "Für uns", sagt Gremiums-Chef Sebastian Kriesel (CSU), "geht es um die Zukunft unseres gesamten Stadtteils und des Münchner Westens". Freiham werde das Gesicht des Viertels nachhaltig verändern.

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