Natur:Wärme und Dünger vertreiben Schwammerl

Pilzsammler

Während Steinpilze und Pfifferlinge immer seltener zu finden sind, sprechen Experten von regelrechten "Maronenwüsten".

(Foto: Peter Endig/dpa)

Wegen des Klimawandels verschiebt sich die Pilzsaison immer weiter in den Herbst hinein. Der Stickstoffeintrag und der Einsatz schwerer Maschinen im Wald gefährden die Vielfalt der Arten, warnen Experten

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Der Klimawandel beeinflusst die Pilzsaison, die industrielle Landwirtschaft die Ausbeute. Experten beobachten seit Längerem, dass die Schwammerl immer später zu sprießen beginnen, weil die Sommer länger und trockener ausfallen. Der Stickoxideintrag durch Kunstdünger gefährdet die Artenvielfalt; Steinpilze, vor allem aber Pfifferlinge werden immer seltener. Dagegen bescherte der Regen in den vergangnen Tagen manchen Suchern schlagartig ein üppiges Angebot.

Ein dritter Faktor ist der Boden. Pfifferlinge vertragen keine kalkhaltigen Böden. Um Bruck seien sie deshalb seit jeher selten, besser sieht es auf Altmoränen wie der Emmeringer Leite aus oder bei Grunertshofen, verrät der Brucker Fachberater und Buchautor Edmund Garnweidner.

Christoph Hahn war im Haspelmoor unterwegs, die Ausbeute war mittelmäßig, im Forstenrieder Park stieß der Präsident der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft hingegen auf eine Pilzschwemme. "Die Tendenz ist, dass die Sommer heißer und trockener werden und länger dauern und die Winter später einsetzen", sagt Hahn. Der Klimawandel beschere ein zunehmend mediterranes Klima, und die Pilzsaison verschiebt sich. Garnweidner und Günter Biermayer, Leiter des Amts für Landwirtschaft und Forsten, bestätigen den Trend. "Man kann das seit Jahren beobachten", sagt Garnweidner.

Gravierender als der Klimawandel sei aber die Wirkung der Landwirtschaft, weil sie das gesamte Ökosystem Wald betrifft. In die Pfanne und den Kochtopf wandern die oberirdischen Fruchtkörper. Das eigentliche Pilzgeflecht liegt unter der Erde und lebt in Symbiose mit dem Baum. Die Pilze nehmen Zucker aus der Fotosynthese der Bäume auf und vergrößern deren Wurzeloberfläche, sie liefern Wasser und gelöste Salze und umgeben die Baumwurzeln mit einer Hülle, die vor Krankheiten schützt. Am besten funktioniere diese Symbiose auf nährstoffarmen Böden, sagt Hahn. Der Stickstoffeintrag von Düngemitteln tut manchen Arten, etwa Steinpilzen und vor allem Pfifferlingen, nicht gut. "Dadurch schwindet die Artenvielfalt und einige Pilzarten dominieren", sagt Hahn. Für Bäume blieben weniger Symbiosepartner übrig. Werden die auch noch von einer Krankheit befallen, sind auch die Bäume anfälliger. Teilweise habe er schon regelrechte "Maronenwüsten" festgestellt, eine Pilzart, die seit der Atomkatastrophe von Tschernobyl radioaktiv belastet ist. Die Werte lägen mit teilweise weit über 600 Becquerel pro Kilogramm über dem Grenzwert für den Verkauf, sagt der Leiter des Landwirtschafts- und Forstamtes.

"Pilze sind sehr empfindlich, allerdings reagieren sie verschieden", sagt Garnweidner. Der Einsatz schwerer Maschinen in der Forstwirtschaft und der Stickstoff verändern den Wald. Es fänden sich immer mehr Holunder, Brennnessel, Seegras und Brombeeren, manche Pilze werden selten, andere häufiger, etwa der Hexenröhrling. Das ist ein wohlschmeckender Speisepilz mit brauner Kappe, unten orange bis rot. Allerdings darf man ihn nicht mit ähnlichen Arten verwechseln. Außerdem müsse man Hexenröhrlinge mindestens eine Viertelstunde gut durchgaren und dürfe sie nie roh probieren, weil das massive Verdauungsprobleme auslöst, warnt er.

Garnweidner und Hahn sind derzeit dauernd wegen Pilzvergiftungen gefragt. "Man sollte nur essen, was man wirklich kennt, oder einen Experten fragen", betont Hahn. Alle anderen Fruchtkörper sollte man im Wald stehen lassen und nicht umhauen. Außerdem gilt, dass jeder nur für den Eigenbedarf ernten darf.

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