Süddeutsche Zeitung

Nahverkehr:Sorge um den Ruf des Ruftaxis

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Die Fahrzeuge können dann gebucht werden, wenn keine Busse fahren. Kreisräte monieren, dass sie unzuverlässig sind. Die Nachfrage sei nicht genau planbar, heißt es aus dem Landratsamt

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Das Ruftaxi erfreut sich Jahr für Jahr größerer Beliebtheit. Es fährt dann, wenn keine Busse mehr unterwegs sind: abends, nachts, an Wochenenden und Feiertagen. Nun wurde Kritik an dem System laut. Als "extrem unzuverlässig" werde das Ruftaxi gerade von Jugendlichen erlebt, erzählt Kathrin Sonnenholzner. Die SPD-Kreisrätin berichtet davon, dass Haltestellen nicht eingehalten oder Kunden am Wochenende für eine Fahrt von 0.38 auf 2.38 Uhr vertröstet würden. Im Landratsamt weiß man um die Kritikpunkte. Monika Beirer von der Stabstelle Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) verweist darauf, dass das Ruftaxi zwar ein "Angebot rund um die Uhr an allen Tagen der Woche" ist, sich aber am Bedarf orientiere. Dieser sei nicht immer planbar.

Das Thema Ruftaxi kam kürzlich in einer Kreistagssitzung im Rahmen der Diskussion um den Nahverkehrsplan auf. Kathrin Sonnenholzner, im Jesenwanger Ortsteil Pfaffenhofen lebende Kreisrätin, brachte es zur Sprache. Ihr zufolge soll es zuletzt vor allem beim Volksfest Mammendorf "extreme Probleme" mit dem Ruftaxi gegeben haben. Auch Olchings Bürgermeister Andreas Magg (SPD) ergänzte, dass er "vermehrt solche Rückmeldungen" erhalten habe, und forderte: "Da müssen wir uns was überlegen." Denn das ÖPNV-Angebot im Landkreis befinde sich "auf gutem Niveau". Auch Sonnenholzner sagte: "Es wäre schade, wenn dieses Angebot an Glaubwürdigkeit verlieren würde."

Monika Beirer räumt auf Nachfrage der SZ ein, dass es vereinzelt entsprechende Beschwerden gebe, betont aber, dass es sich beim Ruftaxi um ein "bedarfsorientiertes Angebot" handle. Bei besonders großem Andrang seien deshalb die Mitfahrplätze in den Ruftaxis schon vorab vergeben, und die Kunden müssten deshalb auf die nächste oder übernächste Fahrt warten. Beirer zufolge sind dies aber "sehr große Ausnahmefälle". Sie wirbt auch um Verständnis dafür, dass das Ruftaxi "kein Taxi im eigentlichen Sinne" sei, sondern ein Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs. Es könne "niemals passgenau sein". Auch sei die Nachfrage nicht genau vorhersehbar, sondern abhängig von der Anzahl an Veranstaltungen, dem Wetter oder auch Problemen bei der S-Bahn, etwa einer nächtlichen Stammstreckensperrung.

Gerade Jugendliche nutzen das Ruftaxi gerne, um nachts von einer Partylocation nach Hause zu kommen. Sie könnten das Ruftaxi für eine bestimmte Uhrzeit buchen. Das aber machen sie oft nicht, weil sie sich nicht vorher festlegen wollen, wann sie heimgehen. Kurzfristig können dann aber alle Taxis vorübergehend ausgebucht sein.

Mit dem nächsten Fahrplanwechsel zum 15. Dezember wird mit dem Münchner Busunternehmen Geldhauser ein neuer Betreiber das Ruftaxi übernehmen. Einen Zusammenhang zur aktuellen Kritik verneint ÖPNV-Fachmann Hermann Seifert. Ausschreibungsverfahren für neue Verträge hätten in der Regel einen langen Vorlauf, erläutert er. Den Zuschlag erhalte dann der wirtschaftlichste Bewerber. Erstmals werden künftig Fahrzeugbetrieb und Betrieb der Rufzentrale getrennt. Um die Rufzentrale wird sich dann die Leipziger Firma Omniphon kümmern.

Fast 100 000 Fahrgäste zählte das Ruftaxi allein im Vorjahr, 300 000 sind es seit dem Jahr 2015, in dem es das frühere Anruf-Sammel-Taxi (Ast) abgelöst hat und in den MVV integriert wurde. Seither wird an dem Angebot regelmäßig nachjustiert. Werden bestimmte Uhrzeiten und Strecken mit dem Ruftaxi besonders nachgefragt, werden sie in reguläre Buslinien überführt. Damit fahren diese Busse dann abends länger. Auch in die Nachbarlandkreise fährt das Ruftaxi zwischenzeitlich: in einige Kommunen im Kreis Dachau und seit vorigen Dezember auch in den Landkreis Starnberg nach Inning, Herrsching und Starnberg. Auch die Wartezeiten bei der Buchung am Telefon konnten Beirer zufolge vor einiger Zeit reduziert werden.

Auch im jetzt fortgeschriebenen Nahverkehrsplan des Landkreises Fürstenfeldbruck, der die Maßnahmen für die künftige Entwicklung des ÖPNV zusammenfasst, wird der Ausbau des Ruftaxi-Systems noch einmal explizit empfohlen. Das Ruftaxi, sagt Monika Beirer, gebe durch seine Nutzerzahlen auch gute Hinweise darauf, wo möglicherweise neue oder verstärkte Nachfrage nach neuen Busverbindungen entsteht. Und auch auf Seiten der Kunden kann es wie ein Gradmesser wirken. So mancher Fahrgast könne beispielsweise über eine Ruftaxifahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bekannt gemacht werden. Man habe in einer Untersuchung festgestellt, dass "auch klassische Autofahrer damit angesprochen werden konnten", sagt Beirer.

Mit dem nächsten Fahrplanwechsel kann man das Ruftaxi dann auch über die MVV-App buchen und dabei auch - ähnlich einer Postsendung, deren Weg man online nachvollziehen kann - verfolgen, wo sich das Fahrzeug gerade befindet.

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Quelle:
SZ vom 05.09.2019
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