Nachwuchsschauspieler:Schweighöfers Erbe

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Mit 13 Jahren ist Nico Liersch zum ersten Mal als Hauptdarsteller in einer Hollywood-Produktion zu sehen. Am Set von "Die Bücherdiebin" drehte er mit Oscar-Gewinner Geoffrey Rush und Emily Watson. Sein größtes Vorbild ist trotzdem ein anderer.

Von Florian J. Haamann

Nach den anstrengenden Dreharbeiten zu "Die Bücherdiebin" entspannt Nico Liersch mittlerweile wieder im heimischen Garten. (Foto: Stephan Rumpf)

Deutschlands vielleicht coolster Nachwuchsschauspieler ist an diesem Tag heiser. Das liegt weniger an irgendwelchen Dreharbeiten, als an einem Pop-Konzert, bei dem der 13-jährige Nico Liersch am Abend zuvor als Zuschauer offensichtlich alles gegeben hatte. "Eigentlich darf man da erst ab 14 rein, aber ich hatte einen Kumpel dabei, der war 16, und wir haben gesagt, er ist mein großer Bruder. Dann hat das geklappt. Außerdem waren da noch kleinere", sagt Liersch in seiner einnehmenden Art. Dabei rutscht er auf seinem Stuhl hin und her, grinst und lacht ununterbrochen. Dieses Hibbelige und Unbeschwerte zieht sich durch das ganze Gespräch, die Energie und Neugierde, die er dabei ausstrahlt, sind ansteckend.

Seit Donnerstag tobt Liersch nicht nur durch seinen Heimatort Olching im Landkreis Fürstenfeldbruck, wo er am liebsten mit seinem Longboard fährt oder mit Freunden am See abhängt, wenn er denn gerade keinen Sport macht - sondern auch über die deutschen Kinoleinwände; die internationalen hat er schon längst erobert. Liersch ist in der Hollywood-Produktion "Die Bücherdiebin" als Rudi zu sehen, eine Hauptrolle. Der Charakter ist ihm wie auf den Leib geschrieben: Rudi ist ein aufgedrehter Junge, immer fröhlich, der am liebsten den ganzen Tag mit seinen Freunden rumtollen würde.

"Auch wenn der Film in einer schwierigen Zeit spielt, konnte ich mich gut in die Rolle versetzen. Rudi ist sehr nah an mir dran." Die schwierige Zeit, von der Liersch spricht, ist die des Nationalsozialismus in Deutschland. Da er erst in die achte Klasse geht, hat er in der Schule noch nichts von den damaligen Gräueltaten gehört. "Aber meine Mum und mein Dad haben mir vieles erklärt. Auch, was mit den Juden in Olching passiert ist und dass sie von hier nach Dachau getrieben wurden. Es ist wichtig zu wissen, wie schlimm die Zeit war", sagt Liersch, "aber man muss sich auch klar machen, dass ein Film nicht die Realität ist, das ist auch wichtig." Immer spricht er einen Tick zu hastig, stets ist sein Körper in Bewegung, seine Arme suchen ständig ein neues Ziel, das sie aber nie finden werden. In jedem Augenblick rechnet man damit, dass er aufspringen und erst einmal einen Runde durch den Garten rennen wird, um überschüssige Energie loszuwerden.

"Die Bücherdiebin" handelt von einem jungen Mädchen namens Liesl Memminger, die von ihren Eltern ins fiktive Molching geschickt wird, wo sie bei Pflegeeltern lebt. Dabei entdeckt sie ihre Liebe zu Büchern und ihre Freundschaft zu Rudi. Das reale Vorbild für Molching ist Olching, die Heimatstadt der Mutter von Markus Zusak, dem Autor des Romans, der dem Film als Grundlage dient.

Dass Nico Liersch die Rolle bekommen hat, hatte nichts damit zutun, dass er aus Olching kommt. Er konnte sich vielmehr in einem weltweiten Casting durchsetzen - das muss nicht erstaunen: Nico Liersch hatte bereits 2008 seine erste Filmrolle. Seine Agentin hatte gelesen, dass ein blonder Junge in seinem Alter gesucht wird und ihn gefragt, ob er sich bewerben wolle. Die erste Castingrunde hat in einem Hotel am Münchner Flughafen stattgefunden, er musste zwei Probeszenen spielen. Aufregend sei es dann in der letzten Runde in Berlin gewesen. Vor den Augen des Regisseurs musste er mit den vier möglichen Darstellerinnen der Liesl spielen und sich gegen einen Konkurrenten beweisen. Die Rolle der Liesl bekam die Kanadierin Sophie Nélisse. Die beiden waren sich gleich sympathisch, erzählt Liersch: "Das war total witzig, wir haben uns vom ersten Tag an super verstanden und waren wie Bruder und Schwester. Wir schreiben uns immer noch ganz oft bei Facebook." Während er spricht, rückt er immer wieder seine Uhr, die er am linken Arm trägt und die viel zu groß für sein zierliches Handgelenk ist, zurecht.

Aber nicht nur mit Sophie Nélisse hat er sich sofort verstanden. Auch Oscar-Preisträger Geoffrey Rush und Emily Watson waren ihm gleich sympathisch. "Es ist eine tolle Erfahrung, jemanden wie Geoffrey kennenzulernen, den man aus ,Fluch der Karibik' kennt. Er hat mir viel gezeigt. Zum Beispiel, dass man sich nicht zu ernst nehmen darf und immer locker sein muss." Auch wenn er anfangs großen Respekt gehabt habe, sei es irgendwann "ganz normal" gewesen, mit Rush zu reden und mit ihm Mittagessen zu gehen. Liersch erzählt von seinen Erfahrungen am Hollywood-Set, als ob er vom letzten Kick mit den Kumpels berichtet. Ohne jegliche Eitelkeit, ohne Stolz oder gar Überheblichkeit. Dabei immer dieses freche Grinsen im Gesicht, das das Gegenüber in den Bann zieht.

Mittlerweile ist er trotz seiner jungen Jahre schon fast ein Routinier im Filmbusiness. 2007 wurde er beim Einkaufen entdeckt - für einen Werbesport mit Kai Pflaume. 2008 spielte er seine erste Filmrolle in "Der Einsturz", es folgten mehrere Auftritte in ARD-Spielfilmen, wie "Das Traumhotel - Brasilien". Sein Höhepunkt, zumindest vor der Rolle als Rudi, war die des Max in Till Schweigers "Kokowääh 2". Auch mit Schweiger habe er sich sofort verstanden. "Der war auch total witzig und immer sehr nett zu mir." Sein Lieblingsschauspieler und Vorbild ist allerdings Matthias Schweighöfer. "Ich freue mich immer richtig, wenn ich ihn auf der Leinwand sehe. ,Vaterfreuden' habe ich mir schon zweimal im Kino angeschaut, und alle anderen Filme von ihm habe ich auch gesehen", sagt Liersch aufgeregt. Es sei die Art zu spielen, die ihm an Schweighöfer gefällt. "Es wäre cool, wenn es bei mir auch mal in die Richtung gehen würde." Und bei dem bisherigen Karriereverlauf wäre es nicht verwunderlich, wenn dieses Energiebündel in ein paar Jahren tatsächlich in die Fußstapfen seines Idols tritt.

Auch wenn der Schauspielerberuf das große Ziel ist, versucht Liersch, die Schule nicht zu vernachlässigen. "Es ist wichtig, eine Absicherung zu haben", sagt er. Und auch wenn man weiß, dass er Sätze wie diesen wohl oft von seinen Eltern zu hören bekommt, hat man sofort das Gefühl, dass er das verinnerlicht hat und aus tiefer Überzeugung spricht. Trotzdem wissen seine Eltern, wie man solchen Forderungen Nachdruck verleiht. "Meine Mum lässt mich drehen, worauf ich Lust habe, und redet mir überhaupt nicht rein. Sie sagt nur: Wenn es in der Schule schlechter läuft, müssen wir die Schauspielerei für eine Weile aussetzen lassen." Im kommenden Jahr möchte er ein Auslandsjahr in den USA machen, vor allem, um sein Englisch zu verbessern. Dass er schon heute keine Probleme damit hat, konnte er am Set der Bücherdiebin beweisen. Immerhin wurde dort nur Englisch gesprochen und gedreht. "Am Anfang war es schon ein bisschen anders. Aber nach ein paar Tagen ist es ganz selbstverständlich", sagt Liersch. Sollte es mit der Leinwandkarriere nicht klappen, möchte er studieren, "irgendwas mit Medien", und dann vielleicht Journalist werden.

In der Schule hat sich für ihn nach dem Erfolg wenig geändert. "Die meisten gehen mit mir um wie früher, Neid spüre ich nie", sagt Liersch. Nur eines stört ihn: "Manchmal kommen Leute, die ich nicht kenne und fragen, ob ich sie nicht mal einladen will oder ihnen etwas kaufe. Weil ich doch bestimmt reich bin. Da ist es gut, wenn ich ganz ehrlich sagen kann, dass ich es nicht weiß." Denn das Geld verwaltet seine Mutter. Es liegt auf einem Konto, auf das er erst zugreifen kann, wenn er 18 ist. Wie viel das sein könnte, davon hat er wirklich keine Vorstellung. "Schön wäre es, wenn es vielleicht für den Führerschein reicht", sagt Nico Liersch mit fast schon rührender Naivität.

© SZ vom 14.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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