Nachbarn stören sich am Musikunterricht:Schutz vor der Tuba

Frau B. liebt Musik, "aber sie muss perfekt sein". Weil sich ein Paar über die Blechbläser ärgert, die seit vielen Jahren in der Schule gegenüber proben, muss eine bayerische Gemeinde knapp 100.000 Euro teure Schallschutzfenster einbauen. Dabei sind die B.s noch nicht einmal eingezogen.

Von Erich C. Setzwein

Lärm, in jeglicher Form, ist auf Dauer belastend. Wer sich in der Münchner Innenstadt eine nette Wohnung teuer gekauft hat und nun neben einer Dauerbaustelle leben muss, weiß das. Auch manche, die aufs Land gezogen sind - wegen der Stille natürlich! - wehren sich gern mit anwaltlicher Hilfe gegen den Lärm der Glocken und Gockel. In der beschaulichen Gemeinde Eichenau (Kreis Fürstenfeldbruck) haben sich nun die neuen Nachbarn einer Grundschule gegen die Klänge übender Blechbläser gewehrt. Weil ansonsten eine Klage drohen könnte, hat die Gemeinde als Eigentümerin der Schule nun klein beigegeben und muss fast 100.000 Euro für Umbauten bezahlen, damit die Nachbarn den Musikunterricht nicht mehr hören müssen.

Das Eichenauer Problem ist auch für die damit befassten Behörden bislang einzigartig, aber es könnte auch andere Gemeinden betreffen - und zwar dann, wenn sie, wie in Eichenau, örtlichen Vereinen ihre Schulen zur Verfügung stellen. Dafür müssten sie nach dem Baurecht eigentlich eine Nutzungsänderung beantragen. In Eichenau sind es der Akkordeon-Club und der Musikverein, die nachmittags die Räume in der Josef-Dering-Schule für den Einzelunterricht belegen.

Die Akkordeonspieler fühlen sich schon seit 20 Jahren im Dachgeschoss recht wohl; die Ergebnisse, die sie in ihren Konzerten abliefern, sind hörenswert. Auch der Musikverein - ein sinfonisches Blasorchester - bildet seine Mitglieder selbst aus und legt viel Wert auf Nachwuchsförderung. Als einer der "besten Klangkörper im weiten Umkreis um München", wie Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet die Blechbläser bezeichnete, tourten die Eichenauer im vorigen Jahr 16 Tage durch China.

Doch manchmal quietscht und brummt es beim Üben. Das stört Frau B., die ihr neu gebautes Haus gerne beziehen möchte, aber nicht kann, weil in der Schule gegenüber bis 22 Uhr geprobt wird. Sie liebe Musik, sagt sie, "aber sie muss perfekt sein". Freilich ist das, was von Tubas und Trommeln zu hören ist, laut - und deshalb werden dadurch in dem weiterhin leer stehenden Einfamilienhaus die Immissionswerte überschritten. Lärmprotokolle, die Herr B. in seiner von ihm selbst so bezeichneten "Rollator-Residenz" akribisch führt und dem Landrat per Mail zuschickt, sollen das belegen.

Weil sich der Neubau der Familie B. im reinen Wohngebiet befindet, will die Gemeinde Eichenau, wenn sie keinen Prozess riskieren will, den Lärmschutz gewährleisten. Daher blieb den Gemeinderäten nichts anderes übrig, als dem Einbau von Schallschutzfenstern in der Schule zuzustimmen.

Da beim Üben der hochgelobten Klangkörper die Fenster nicht mehr aufgemacht werden dürfen, benötigen die Räume auch eine Lüftungsanlage. Alles in allem wird sich die Gemeinde dies fast 100.000 Euro kosten lassen. Und weil sich mit der Investition in den Lärmschutz auch Heizkosten sparen lassen, wird das Ganze als "energetische Sanierung" verkauft.

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