Nach Abzug der Bundeswehr:Fliegerhorst wird zum Museum

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Die Stadträte wollen die Geschichte der Fürstenfeldbrucker Kaserne dokumentieren und dabei auch die NS-Zeit beleuchten. Nötig sind aber wohl zwei Museen.

Peter Bierl

Die Geschichte des Fürstenfeldbrucker Fliegerhorstes soll nach dem Willen von Stadträten verschiedener Fraktionen in einem Dokumentationszentrum aufgearbeitet werden. Der Opfer des Olympia-Attentats von 1972 soll davon räumlich getrennt gedacht werden. Als Standorte kämen der Tower, die Hauptwache, das Offizierskasino oder das Torhaus in Frage. Die Luftwaffe hat schon ein Konzept erarbeitet, es aber aufgrund der Debatte um das Gedenken an die Attentatsopfer wieder zurückgezogen. Unabhängig von der Stadt hat sich eine "Interessengemeinschaft Fursty" gegründet, eine Bürgerinitiative, die ein Museum aufbauen möchte, um die Erinnerung an den Fliegerhorst wachzuhalten.

Kulturreferentin Birgitta Klemenz (CSU) fordert allerdings, dass die Stadt und der Landkreis die Initiative ergreifen. Wie sie betont, wollen die Stadträte, dass die NS-Zeit in der Dokumentation nicht ausgeklammert, sondern auch aufgearbeitet wird. "Die Architektur ist eindeutig, der Fahnensaal, der Kilometer-Bau, das ist alles ohne den Nationalsozialismus nicht verständlich", sagte SPD-Fraktionssprecher Axel Lämmle. Er möchte insbesondere, dass Zusammenhänge zwischen der Stadterhebung Brucks 1935 und dem Bau der "Luftkriegsschule" erhellt werden.

An Material wird es nicht scheitern. Der Wirtschaftshistoriker und Kulturreferent Klaus Wollenberg (FDP) sagte der SZ, dass ein Offizier viele Dokumente zur NS-Zeit gesammelt habe, darunter ein Tagebuch vom ersten bis zum letzten Kriegstag, Uniformstücke und Objekte aus dem früheren "Traditionssaal" der Luftwaffe. Die Objekte lägen in Kisten verpackt im Keller der Offizierschule oder in Gatow, im Museum der Luftwaffe. Beim Umbau der Generalsvilla, die heute die Kinderhilfe nutzt, habe man auf dem Schutt einen über vier Meter hohen Stützbalken aus Eichenholz gefunden mit geschnitzten Verzierungen aus der NS-Zeit. "Es wäre jammerschade, wenn diese Gegenstände für die Ortsgeschichte verloren gingen", warnte Wollenberg.

Dazu haben ehemalige Flieger Unterlagen, Fotos und technisches Gerät, darunter Schleudersitze, aus der Bundeswehr-Zeit ab 1956 gesammelt, die in einer kleinen ständigen Ausstellung in Räumen der ehemaligen Kommandantur gezeigt werden. Damit wäre ein großer Fundus vorhanden, der politische, militärgeschichtliche, aber auch technische und ästhetische Aspekte abdeckt, sagt Wollenberg.

Seiner Kollegin Klemenz ist wichtig, dass dieses Projekt kein "lokaler Arbeitskreis" zu stemmen versucht. Sie will Experten, etwa aus dem Institut für Zeitgeschichte in München und den Reihen der Militärhistoriker in Potsdam einbeziehen, um ein überregional relevantes Zentrum zu schaffen. Das wäre auch von Vorteil, um Fördermittel zu gewinnen.

Zum Standort gibt es verschiedene Vorschläge. Die Hauptwache findet Stadtbaumeister Martin Kornacher städtebaulich geeignet, "weil sie an der Grenze zwischen drinnen und draußen liegt". Außerdem werde dieses Gebäude wohl als eines der ersten von der Luftwaffe abgegeben werden. "Die Wache ist vom Tisch", sagte dagegen Wollenberg. Der Platz sei zu klein, die Räume ungeeignet.

Beim Tower stellt sich das Problem, dass die Israelitische Kultusgemeinde die Fliegerhorst-Geschichte nicht mit dem Gedenken an das Attentat vermengt haben möchte. Das respektieren die Brucker Stadträte, wobei Wollenberg darauf hinweist, dass dieses Gebäude viel Platz böte, und Lämmle betont, dass man in dem Bereich durchaus separat ein Denkmal und ein Museum unterbringen könnte. Wollenberg denkt an einen räumlich getrennten "Dreiklang" von Dokumentation, Luftwaffenehrenmal und Gedenkstätte. Der Stadtbaumeister könnte sich die Dokumentation auch im Offizierskasino oder im Zentrifugen-Gebäude, wo Piloten auf die Beschleunigung eingestimmt wurden, vorstellen. Die Räume im Obergeschoss des Offiziersheimes findet Wollenberg zu klein, das Kasino im Erdgeschoss sei ungeeignet.

Sehr viel Raum böte dagegen das Torhaus, sagen Wollenberg und Klemenz. Die Architektur und die Ausstattung mit den Nibelungen-Fresken vermitteln die Atmosphäre der faschistischen Gründungszeit. Allerdings will eine private Hochschule das gesamte Gebäude-Viereck einschließlich Torhaus und Offizierskasino haben. "Das ist eine ernsthafte und konkrete Bewerbung, aber noch nicht sicher", erklärte Kornacher. Darum will auch keiner den Namen der Schule verraten.

Im Rathaus gebe es in der Gruppe, die sich mit der Umwandlung des Fliegerhorstes befasst, verschiedene Vorschläge, erzählte Wollenberg. Die Bundeswehr hat ein Konzept erarbeitet und verteilt. "Aber das ist alles überholt durch die Aussage des Ministerpräsidenten", sagte Pressesprecher Andreas Jensvold. Horst Seehofer hatte eine Erinnerungsstätte für die Opfer des Olympia-Attentats angekündigt.

Bereits im Juni haben Klemenz und ihr Fraktionskollege Andreas Lohde einen Antrag eingereicht. Sie schlagen eine Gedenkstätte am Tower und ein Dokumentationszentrum etwa in der Hauptwache vor. Die Dokumentation soll als "Klammer zwischen unterschiedlichen Formen des Gedenkens" dienen, sagte Klemenz. Das Luftwaffen-Ehrenmal könnte man "einfach stehen lassen und in der Dokumentation erklären".

Der Antrag für das Dokumentationszentrum wird demnächst im Stadtrat behandelt. "Wir müssen endlich eine erste Gesprächsrunde mit allen Interessenten einberufen", sagte Kulturreferentin Klemenz der SZ.

© SZ vom 27.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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