Mythos:Sagenumwobener Übersetzungsfehler

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Ein Olchinger Archäologe glaubt, dass das trojanische Pferd in Wirklichkeit ein phönizisches Schiff war

Von Peter Bierl, Olching

Die Frühgeschichte und etliche Drehbücher müssen umgeschrieben werden. Denn das trojanische Pferd war in Wirklichkeit ein phönizisches Lastschiff. So jedenfalls lautet die These von Hans-Joachim Gregor, einem Geologen, Paläontolgen und Archäologen aus Olching. Er glaubt, dass es sich um eine Verwechslung handelt, weil der altgriechische Begriff "hippoi" sowohl für Pferde als auch für einen Schiffstyp verwendet wurde, der im 9. Jahrhundert vor Christus im Mittelmeer verbreitet war.

Unterstützung hat Gregor von Francesco Tiboni bekommen, einem italienischen Kollegen, der auf antiken Schiffsbau spezialisiert ist. Tiboni nimmt an, dass der römische Schriftsteller Vergil, der im ersten Jahrhundert vor Christus die Aeneis verfasste, den entscheidenden Fehler machte. Sein Epos enthält eine Art Gründungsmythos von Rom. Demnach wäre die ewige Stadt von Flüchtlingen aus Troja gegründet worden, die wegen des Dublin-Abkommens nicht in die düsteren Wälder Germaniens ziehen durften. Klingt komisch, weil es damals noch weniger Grund gab, sich diesen Barbaren auszusetzen, wenn Italien lockte, wo längst schon Wein, Fußbodenheizung und Bäder erfunden waren. Jedenfalls soll dieser Vergil das griechische hippos mit dem lateinischen equus für Pferd übersetzt haben, meint Tiboni. Ein Fehler, den in den folgenden Jahrtausenden alle Kopisten, Übersetzer, Künstler und Drehbuchschreiber übernahmen.

Gregor fand die Story von Homer (nicht zu verwechseln mit Homer Simpson) schon als Kind faszinierend. Er geht davon aus, dass dieser Dichter wirklich gelebt hat und für die Ilias reale historische Vorgänge als Vorlage nutzte. Dafür sprechen seiner Ansicht nach viele Details, die der Autor in seinem Epos schließlich verarbeitet hat.

Was Gregor aber immer komisch fand, war der letzte Akt des Dramas mit dem Pferd. Warum sollten die Griechen, die diese Tiere allenfalls vor Streitwagen spannten, ausgerechnet ein solches Symbol gewählt haben? Und was für ein Ungetüm hätte ein Holzpferd sein müssen, das in seinem Rumpf etwa 30 bis 50 Kriegern in voller Rüstung Unterschlupf bot? Allein die statischen Probleme wären enorm gewesen und das Teil vermutlich umgekippt, als die ahnungslosen Trojaner es vom Strand in die Stadt zogen.

Widersprüchlich findet Gregor auch Passagen, in denen Homer schreibt, dass das Stadttor erweitert werden musste, um die Beute zu bergen: Ein Holzpferd mit sechs bis acht Meter hohen Beinen wäre doch oben angestoßen - und nicht etwa an den Seiten. Und Helena hätte kaum die Flanken des Gebildes streicheln können, allenfalls wenn sie auf eine Leiter gestiegen wäre.

Der Text von Homer werde stimmig, wenn man annimmt, dass es sich um ein Schiff gehandelt habe, sagt Gregor. Dafür spricht, dass es in der Antike schwere Lastenkähne gab, mit Lagerräumen unter Deck. Auf einem assyrischen Steinrelief aus dem Palast von Sargon II aus dem frühen 8. Jahrhundert vor Christus sowie auf einigen anderen antiken Kunstwerken aus der Region sind solche Schiffe ohne Mast und Ruder zu erkennen. Und als Galionsfigur weisen diese auch noch Kopf und Hals eines Pferdes auf, ähnlich den Drachen der Wikingerschiffe.

Solche Befunde stützen die Hypothese von Gregor, dass eine Bedeutungsverschiebung stattgefunden hat, so wie heute etwa der Begriff "Trojaner" als Bezeichnung für einen fiesen Computervirus gebraucht wird, obwohl die echten Trojaner seinerzeit ja die Opfer waren und das Objekt, das sie in ihre Stadt zogen, das Werkzeug ihres Untergangs.

Ob Pferd oder Schiff, die metaphorische Bedeutung bleibt. Sprechen wir also künftig vom trojanischen Schiff. Gar keine Konsequenz hat die Erkenntnis auf das Sprichwort: Ich fürchte die Griechen, auch wenn sie Geschenke bringen. Außer dass eine Bedeutungsverschiebung angemessen wäre: Heute müssen sich die Griechen vor Geschenken in Acht nehmen, die ihnen die Troika bringt.

© SZ vom 14.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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