Musik:Positiver Lebensrausch

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Auftritt der Band Cheerio Joe. Die Lokalmatadore aus Fürstenfeldbruck beim Halt-Festival im Alten Schlachthof. (Foto: Günther Reger)

Bei guter Musik ohne Alkohol feiern: Dass das geht, lehrt das Halt-Festival

Von Raphael Knipping, Fürstenfeldbruck

Ganz Bruck stillt am Samstagabend seinen Kulturhunger auf der Kulturnacht. Ganz Bruck? Nein. Eine kleine Gruppe Musikbegeisterter trifft sich auf dem Gelände des Alten Schlachthofs Auf der Lände, um bei der sechsten Ausgabe des Halt-Festivals zu feiern. Schon vor den Bauzäunen, die das Konzertgelände vom Parkplatz abgrenzen, versuchen immer wieder Passanten einen Blick auf die große Bühne zu erhaschen. Vermutlich angelockt durch die Musik, die schon auf dem Parkplatz des Klosters zu hören ist und zu der vor der Bühne etwa 250 Gäste ausgelassen tanzen und feiern. Doch das "Halt" ist kein normales Festival. Auf dem ganzen Gelände wird kein Alkohol verkauft, die Besucher sollen neben dem Spaß und der Freude an den Bands auch auf den verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol aufmerksam gemacht werden.

Denn Halt (Hart am Limit) ist ein bundesweites Alkoholpräventionsprojekt, das aus zwei unterschiedlichen Bausteinen besteht, die sich gegenseitig ergänzen und verstärken. "Wir unterscheiden zwischen dem reaktiven Bestandteil und dem proaktiven", erklärt Rita Friedrich, Jugendschutzexpertin vom Amt für Jugend und Familie im Landratsamt. Der reaktive Bestandteil besteht zum Beispiel daraus, Jugendliche mit riskantem Alkoholkonsum oder nach einer Alkoholvergiftung mit dem sogenannten "Brückengespräch" meist noch im Krankenhaus anzusprechen. Während der reaktive Baustein die Zielgruppe der riskant Alkohol konsumierenden Jugendlichen anspricht, geht es beim proaktiven Bestandteil darum, Jugendliche und Erwachsene präventiv für einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol zu sensibilisieren. So können die Besucher an einem Stand eine "Rauschbrille" ausprobieren, die das Blickfeld unter Alkoholeinfluss simulieren soll oder am Pavillon des Stadtjugendrats über jugendpolitische Themen diskutieren. Kulinarische Höhepunkte sind der Wagen des Hirschstadls, der mit alkoholfreien Cocktails dazu beiträgt, dass man am nächsten Tag höchstens einen Muskelkater vom Tanzen hat. Außerdem bietet das Brucker "Klubhouse" frisch gebratene Burger, die es auch in einer vegetarischen Variante gibt.

Auf einer Bierbank daneben sitzen zwei junge Erwachsene Anfang 20 und unterhalten sich. Louis Brenner und Lukas Kellerer haben es sich gerade gemütlich gemacht, als schon zwei Mitarbeiter der Initiative "Kenn dein Limit" auf sie zukommen. Auf einem iPad können die beiden verschiedene Fragen zu Alkoholmissbrauch beantworten und merken dabei schnell, wie viele Gerüchte zum Thema Alkohol existieren. Dass ein Bier ebensoviele Kalorien enthält wie eine Portion Pommes, konnten die beiden zunächst gar nicht glauben. Für Louis, der schon seit einigen Jahren das Halt-Festival besucht, ist die Sache klar: Bei gutem Essen, guter Stimmung und noch besserer Musik zusammen mit Freunden am Schlachthof das Leben zu genießen, erfülle einen mit einem so "positiven Lebensrausch", dass Alkohol zweitrangig bleibt.

Dass das Landratsamt den Alten Schlachthof nun schon zum fünften Male als Veranstaltungsort ausgewählt hat, freut Aline Pronnet, die Vorsitzende des Subkultur-Vereins. Für sie ist es "ein Vertrauensbeweis" und ein Zeichen dafür, dass die Subkultur als Veranstalter ernstgenommen wird. Schließlich biete der Alte Schlachthof mit seiner zentralen Lage, der Infrastruktur und dem nötigen Wissen auf Seiten des Subkulturteams "ideale Voraussetzungen" für derartige Events. Auch wenn die Subkultur auf ihren Konzertabenden keine Probleme mit Alkoholmissbrauch habe, sei es wichtig, die Jugend zu "sensibilisieren" und zu zeigen, dass es auch "ohne geht".

Und das stellen die Besucher auch den ganzen Abend unter Beweis: Ob bei Cheerio Joe, den Lokalmatadoren aus Fürstenfeldbruck, bei ROOM77, der Electro-Pop-Rock-Band mit Frontmann Fußballprofi Andreas Görlitz oder bei KATZE BLAU mit dreckigem Rock und frischem Blues. Es wird ausgelassen in die Nacht hinein gefeiert. Selbst ein Regenschauer beim Auftritt der Indieband Cosby tut der Stimmung keinen Abbruch. Für Organisatorin Friedrich hat das Halt-Festival damit seine Aufgabe erfüllt und möglichst viele Menschen "auf positive Weise" erreicht. Denn "feiern ist immer ein schöner Grund, um zusammenzukommen".

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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