Süddeutsche Zeitung

Museum:Kinderstuben

Das Jexhof-Museum widmet sich Räumen für die Jugend

Von Valentina Finger, Schöngeising

In einem Zimmer hängt ein Heiligenbild, in einem anderen ein Poster von Johnny Cash. Dort strahlt Emmas typisches Mädchen-Zimmer in sattem Pink, daneben herrscht Chaos in Bens blau-grüner Jungen-Höhle. Die Ausstellung "Jugendzimmer - Kinderkammer: Wie die Jugend wohnt(e)" erinnert sehr an eine Kinderabteilung im Möbelhaus. Man schlendert vorbei an Modellzimmern aller Art, nur, dass sie in diesem Fall nicht bloß Beispiel-Räume darstellen, die die Fantasie der Käufer anregen sollen. Hingegen illustriert die neue Sonderausstellung im Jexhof, wie Kinder und Jugendliche im Landkreis in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich gewohnt haben.

Bevor es das Kinderzimmer in der heute üblichen Kombination aus Schlaf-, Spiel-, Rückzugs- und Arbeitsraum gab, gab es im 18. Jahrhundert lediglich das Kinder-Studierzimmer. Der spielerische Aspekt kam später dazu. "Die Menschen im Biedermeier waren die ersten, die die Kinderstube gefeiert haben", sagt Museumleiter Reinhard Jakob. Auf dem Land stellte sich die Situation jedoch oft anders dar als im bürgerlichen Milieu: Neben anderem historischen Material ist das Zimmer der Riedl-Kinder in die Ausstellung integriert, deren Familie den Jexhof seit 1862 bewohnte. Darin zu sehen sind zwei Betten, zwei Nachttöpfe und ein Kleiderkasten. Als reine Schlafkammern unterschieden sich solche Zimmer kaum von den Erwachsenen-Räumen.

Als Christine Haas ein Kind war, sah das schon anders aus. Ihr Kinderzimmer, das sie seit ihrer Geburt 1966 bis zu ihrer Heirat bewohnte, dient als Beispiel für die Siebzigerjahre. Vieles, von den "Hanni und Nanni"-Büchern, die sie so gerne im Bett gelesen hat, bis zu der Märchenlampe an der Decke, hat sie später an ihre eigenen, mittlerweile erwachsenen, Kinder weitergereicht. Alles wieder so wie damals aufgebaut zu sehen, weckt viele Erinnerungen in der Landsberiederin: Die Stofftiere habe ihre Mutter bei der Lotterie auf dem Brucker Volksfest gewonnen, die Marienbilder stammen von den jährlichen Ausflügen nach Altötting. Obwohl sie auf dem Bauernhof ihrer Familie noch ein separates Spielzimmer hatte, wollte sie ihre Lieblingssachen bei sich haben. "Alles, was mir im Leben wichtig war, war in meinem Zimmer", sagt Haas.

In den Neunzigern hat auch Anton Reinhardt viel Zeit in seinem Zimmer verbracht. In seinem Elternhaus in Eichenau diente es dem heute 31-Jährigen als Rückzugsort vor dem Trubel, den man mit fünf Geschwistern täglich erlebt. Geliebt hat er Comics und seine Schreibmaschine, auf der er ganze Bücher geschrieben hat. Außerdem gehören Briefmarkenalben und ein Post-Schalter dazu, den seine Mutter für ihn gebastelt hat. "Ich habe als Kind so gerne Post gespielt, dass ich später sogar mal einen Sommer lang Briefträger war", erzählt Reinhardt. Das Zimmer von Elena Spiridon ist schließlich eines der Jugendzimmer der Gegenwart, die in der Ausstellung zu sehen sind. Bei der 17-Jährigen, in deren Schrank sich Schachteln voller Andenken stapeln, sieht es momentan genau so aus, zumindest fast: Nach ihrer Leihgabe an den Jexhof zieren ihre Wände zuhause in Fürstenfeldbruck erstmal einige Fotos weniger.

Ausstellung "Jugendzimmer - Kinderkammer: Wie die Jugend wohnt(e)" im Jexhof, Vernissage: Donnerstag, 16. Mai, 19.30 Uhr; geöffnet Dienstag bis Samstag von 13 bis 17 Uhr, Sonntag von 11 bis 18 Uhr; bis 3. November

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Quelle:
SZ vom 16.05.2019
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