"Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Dieser Satz klingt vermutlich in den Ohren jener Menschen, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geboren sind, so selbstverständlich - zum Glück - dass sie nicht weiter darüber nachdenken müssen. Und dennoch war er, als er 1949 in Artikel 3 Absatz 2 des neu geschaffenen Grundgesetzes so klar und unmissverständlich auftauchte, eine kleine Revolution. Die auf vier Frauen zurückgehende Formulierung, so sagen Expertinnen und Experten ein Dreivierteljahrhundert später, habe die Gleichberechtigung von Frauen und Männern vorangetrieben - auch wenn diejenigen, die die Kinder bekommen und zum ganz überwiegenden Teil die Care-Arbeit leisten, auch im Jahr 2024 noch deutlich weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Darauf weist Gabriele Off-Nesselhauf im Rahmen einer Ausstellungseröffnung über die vier "Mütter des Grundgesetzes" hin. Die Germeringer Bezirks- und Kreisrätin ist Trägerin des Helene-Weber-Preises der ersten Stunde, einer Auszeichnung für herausragendes kommunalpolitisches Engagement, benannt nach einer eben jener vier Frauen im Parlamentarischen Rat.
Der Parlamentarische Rat wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auf Betreiben der Alliierten in den drei westlichen Besatzungszonen gegründet. Wie Anna Ulrike Bergheim bei der Eröffnung der Wander-Ausstellung "Mütter des Grundgesetzes" in der Aula der Hochschule der Polizei im Kloster Fürstenfeld erläutert, sollte dieses Gremium nach den Vorstellungen von Großbritannien, USA und Frankreich für den westlichen Teil der Republik eine Verfassung ausarbeiten. Da man allerdings auch schon 1948 eine Wiedervereinigung Deutschlands erhofft habe, "sollte das Grundgesetz nur ein Provisorium sein", deshalb wurde es Grundgesetz genannt, nicht Verfassung. "Der Kalte Krieg tobte", gibt die geschichtsinteressierte Juristin und frühere Vorsitzende des historischen Vereins Fürstenfeldbruck, dem Veranstalter der seit 15 Jahren existierenden Ausstellung, den etwa 50 Zuhörerinnen und Zuhörern einen kurzen Abriss der politischen Verhältnisse in Deutschland nach 1945.
"Alle Mitglieder des Parlamentarischen Rates wurden demokratisch gewählt", betont Bergheim. Obwohl damals als Folge des Krieges rund sieben Millionen mehr Frauen im Land lebten, schafften es nur vier in das 65-köpfige Gremium. Umso bemerkenswerter sei der Verdienst dieser vier Frauen, in einigen entscheidenden Punkten ihren Wunsch nach Gleichberechtigung durchgesetzt zu haben, unterstreicht Off-Nesselhauf. "Vier unerschrockene Frauen haben im Grundgesetz den Grundstein gelegt", hebt die frühere Germeringer Stadträtin die Bedeutung des Einflusses von Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel auf die Gestaltung des Grundgesetzes hervor.
Am Beispiel von Artikel 3 Absatz 2 macht die Germeringerin die kleinen, aber bedeutsamen Unterschiede deutlich. Insbesondere Elisabeth Selbert kämpfte im Parlamentarischen Rat für die Formulierung "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", während die Mehrheit die Formulierung der Weimarer Reichsverfassung von 1919 übernommen hätte: "Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten." "Das ist ein großer Unterschied", findet Off-Nesselhauf, die 2009 - aus Anlass des 60. Geburtstags des Grundgesetzes - zu den ersten 15 Frauen gehörte, denen für ihr Engagement in der Kommunalpolitik der Helene-Weber-Preis verliehen wurde. Nebenbei sei erwähnt, dass sie mit den anderen Preisträgerinnen das Helene-Weber-Kolleg gegründet hat zur Förderung von Frauen in der Kommunalpolitik.
In der Hochschule der Polizei skizziert Off-Nesselhauf (CSU) die Biografien von Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel. Alle wurden Ende des 19. Jahrhunderts geboren und waren politisch aktiv, bis ihnen ihr Engagement durch die Nazis verboten wurde. Selbert etwa gehörte der SPD an, machte im Selbststudium mit zwei kleinen Kinder Abitur und studierte als einzige Frau in den 1920er-Jahren Jura. Helene Weber war etwa zur gleichen Zeit die erste Frau im Ministerialdienst. Die ausführlicheren Biografien von Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel sowie eine Zusammenfassung über Gleichberechtigung und das Frauenwahlrecht sind nun in der Wanderausstellung "Mütter des Grundgesetzes" zu sehen. Auf 17 Stelltafeln und Plakaten hat das Familienministerium 2009 diese Geschichte(n) aus Anlass des 60. Geburtstags des Grundgesetzes sowie der ersten Verleihung des Helene-Weber-Preises als Ausstellung zusammentragen lassen. 15 Jahre später ist sie jetzt in Fürstenfeldbruck zu sehen.
Die Ausstellung "Mütter des Grundgesetzes" ist bis Montag, 10. Juni, während der Öffnungszeiten in der Sparkasse Fürstenfeldbruck (Hauptstraße 8) zu sehen; der Eintritt ist frei.