Münchner Vorbild:Viel mehr als nur Lückenfüller

In zwei Monaten ziehen die Stadtwerke in den Westen. Bis über die Bebauung des alten Standorts entschieden ist, wird es Jahre dauern. Zwei Stadträte schlagen nun eine Zwischennutzung vor. Dort wäre Platz für Start-ups und Teile der Bauverwaltung

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Münchner Vorbild: Mitte des Jahres dürften viele Gebäude auf dem Grundstück an der Lände frei werden. So auch das weiße, dreistöckige Bürogebäude mit grauem Flachdach aus den Siebzigern (links), das in einigen Jahren abgerissen werden soll. Verdeckt wird durch das Gebäude die rückwärtige Werkstatthalle, die an den lang gestreckten Stadel mit dem roten Ziegeldach angrenzt.

Mitte des Jahres dürften viele Gebäude auf dem Grundstück an der Lände frei werden. So auch das weiße, dreistöckige Bürogebäude mit grauem Flachdach aus den Siebzigern (links), das in einigen Jahren abgerissen werden soll. Verdeckt wird durch das Gebäude die rückwärtige Werkstatthalle, die an den lang gestreckten Stadel mit dem roten Ziegeldach angrenzt.

(Foto: Stadt Fürstenfeldbruck)

Der Kunstpark Ost in München könnte in gewisser Weise als Blaupause dienen für Bruck - wenn auch ein paar Nummern kleiner: Die beiden Brucker Stadträte Klaus Wollenberg (FDP) und Georg Jakobs (CSU) sprechen sich in einem Antrag an OB Erich Raff (CSU) für eine Zwischennutzung von Häusern auf der Lände aus - im ersten Schritt geht es um zwei Gebäude. Die werden voraussichtlich im Juni durch den Umzug der Stadtwerke an die Cerveteristraße frei und gehen dann in den Besitz der Igewo-Wohnbaugesellschaft über. Die beiden Politiker glauben, dass es gut und gerne fünf bis zehn Jahre dauern wird, bis der Bebauungsplan für den Bereich ausgearbeitet ist und die Baupläne der Igewo genehmigt sind. Und es wäre doch schade, Räume in so guter Lage so lange Zeit leer stehen zu lassen.

Was man mit solchen Altbauten machen kann, wurde von 1996 an im Münchner Osten bewiesen: Die Gebäude des ehemaligen Pfanni-Werks wurden damals für Jugend- und Klubkultur sowie Bars und Diskos genutzt und lockten an Wochenenden bis zu 20 000 Partygänger in den Kunstpark-Ost sowie die Kultfabrik sowie die Optimolwerke als Nachfolger - bevor 2016 die Bagger anrückten, um Platz für Wohnungen und Büros zu schaffen. Ein ähnliches Schicksal wird die beiden Gebäude der Stadtwerke an der Bullachstraße ereilen. Im Gegensatz zum sogenannten Taubenhaus und den beiden Villen wurden das dreigeschossige Bürogebäude sowie die benachbarte Werkhalle mit insgesamt etwa 1100 Quadratmeter Nutzfläche erst in den Siebzigerjahren errichtet. Sie stehen also nicht unter Denkmalschutz.

Wollenberg und Jakobs schlagen nun vor, das Bürogebäude für Start-ups beziehungsweise ein möglichst informelles Gründerzentrum zu öffnen, vorzugsweise aus den Bereichen Kultur- und Kreativwirtschaft. Auch der Verein Turmgeflüster, der dringend Räume benötigt, ließe sich dort unterbringen. Zudem könnte bis zur Fertigstellung des geplanten Rathausanbaus der vorübergehend in der alten Niederbronnerschule untergebrachte Teil der städtischen Bauverwaltung untergebracht werden. Das hätte den schönen Nebeneffekt für die Stadt, dass das Grundstück am Niederbronnerweg schneller als geplant versilbert und dort dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden könnte.

Relativ schnell machbar wäre die Zwischennutzung der beiden Häuser, die der Igewo gehören. Denn eine private Firma kann Entscheidungen schneller treffen als eine Stadt, in der so etwas die Gremien durchlaufen muss und rechtliche Fragen zu klären sowie Fristen einzuhalten sind. Die Igewo hat Wollenberg zufolge bereits signalisiert, dass sie Häuser vorübergehend vermieten würde. Die Teile auf der Lände, die sich noch im Besitz der Stadtwerke befinden, aber von der Stadt übernommen werden sollen, wären für eine Zwischennutzung ebenfalls geeignet. Wollenberg und Jakobs wollen "insbesondere das Geschäftsführerhaus, Sitzungssaal und Taubenhaus mit historischer Schaltstelle" schon mal im Hinterkopf behalten.

Auch für andere Häuser wie die denkmalgeschützten Villen und die große Scheune interessieren sich SZ-Informationen zufolge für die Übergangszeit mehrere Brucker Unternehmer, Verbände sowie Behörden. Somit scheint gesichert, dass bis zum Bau des neuen Wohn- und Gewerbegebiets keine Bauruinen entstehen, sondern der Innenstadtbereich mit Leben gefüllt ist. Wollenberg hofft, dass damit ein "gordischer Knoten" durchschlagen wird und gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden können. Der FDP-Politiker würde es begrüßen, möglichst ohne allzu große Hürden "die Türen zu öffnen" für spannende Nutzungsformen. Die Stadt solle interessierten Startups möglichst viel Freiraum lassen, die sollten sich weitgehend selbst organisieren. Improvisationskunst statt Perfektionismus wäre Trumpf. In ihrer Antragsbegründung werben Wollenberg und Jakobs nachdrücklich für ihre Idee: Ziel der Kreisstadt müsse es sein, im Zuge der Wirtschafts- und Strukturförderung "zielgerichtet Existenz- und Betriebsgründungen zu unterstützen". Auf diese Weise "würden Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen, zukunftsfähige und nachhaltig wirkende Wirtschaftsstrukturen aufgebaut, kommunale Steuereinnahmen generiert, Perspektiven für Wohnen und Arbeiten vor Ort für die Betroffenen sowie die Stadtgesellschaft zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung geleistet".

Bereits vor zehn Jahren sei das Gebiet zwischen Leonhardikirche und dem Aumühlengelände als Sondergebiet "Kreativwirtschaft" ausgewiesen worden. Vor allem Wollenberg hatte sich immer wieder dafür stark gemacht, die Zahl der Auspendler möglichst durch die Neuansiedlung innovativer Betriebe zu reduzieren. Als geeignete Branchen nennt er Laser und Photonik, Medizintechnik, Logistik- und Navigationssysteme, Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau, regenerative Energien, Design, Software- und Games-Industrie, aber auch Werbemarkt sowie darstellende Künste. Die Kreativ- und Kulturwirtschaft, so die Hoffnung der beiden Antragsteller, könne sich "zu einem bedeutenden Segment des örtlichen Unternehmensmixes entwickeln.

Den Verein Turmgeflüster gelte es ebenfalls zu unterstützen. Dieser Theater- und Kreativverein leistet nach Überzeugung des Kulturreferenten Wollenberg in Kooperation mit der Stadtbibliothek Aumühle vor allem wertvolle Jugendarbeit und habe es verdient, gefördert zu werden.

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