Süddeutsche Zeitung

München/Olching:Prozessauftakt wird wiederholt

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Staatsanwältin wird schwummrig, Schöffin erklärt sich für befangen

Freitagmorgen, 9.15 Uhr, Sitzungssaal A 101 - der Saal am Strafjustizzentrum München, in dem der NSU-Prozess stattfand. Auf der Anklagebank sitzen zwei Heranwachsende. Beide 20 Jahre alt. Der eine aus Olching, der andere aus Gröbenzell. Der dritte Angeklagte ist bereits 23 und von Beruf Maurer. Er war zuletzt ohne festen Wohnsitz. Den zwei 20-Jährigen wird eine Reihe zum Teil schwerer Straftaten zur Last gelegt: gefährliche Körperverletzung, besonders schwerer Raub, Nötigung und Sachbeschädigung. Hauptangeklagter ist der 20-jährige Olchinger. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, er habe seine 16-jährige, schwangere Verlobte mehrfach geschlagen, vergewaltigt und bedroht. Der 23 Jahre alte Maurer ist unter anderem wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung angeklagt. Zudem soll er Marihuana an einen erst zwölfjährigen Buben verkauft haben. Die drei jungen Männer befinden sich seit ihrer Festnahme Anfang Oktober vergangenen Jahres in Untersuchungshaft.

Als der Vorsitzende der 4. Strafkammer, Richter Martin Hofmann, die Verhandlung eröffnet, befinden sich etwas mehr als zwanzig Personen im Saal A 101. Die drei Berufsrichter, zwei Schöffen, eine Staatsanwältin, sechs Verteidiger, Sachverständige sowie Justizwachtmeister und Polizisten zur Bewachung der drei Angeklagten.

Eine Stunde benötigt die Vertreterin der Staatsanwaltschaft für die Verlesung der umfangreichen Anklage. Dazwischen wird ihr einige Male schwummrig. Sie macht Pausen setzt sich, trinkt etwas und fährt fort. Als sie nach etwas mehr als einer Stunde die Prozedur der Anklageverlesung hinter sich gebracht hat, passiert, was nicht passieren sollte: Die Schöffin, links von Richter Hofmann, bekundet, sie sei befangen. Sie sei mit der Pflegefamilie des Hauptangeklagten bekannt gewesen. Den 20-Jährigen kenne sie. Dessen Bruder sei mit ihrem Sohn in der Grundschule in einer Klasse gewesen. Die Richter zogen sich daraufhin zur Beratung zurück und verkündeten, was abzusehen war. Die Schöffin, die sich selbst als befangen erklärte, werde "wegen Besorgnis der Befangenheit" von der Sitzung ausgeschlossen, so das Gericht. Warum sie erst nach der Verlesung der Anklage sagte, dass sie den Angeklagten kenne, blieb unklar. Richter Hofmann erklärte, die Laienrichterin habe zuvor lediglich gesagt, dass ihr der Name des Hauptangeklagten "etwas sage". Am kommenden Dienstag beginnt der Prozess nun noch einmal - mit einem Ersatzschöffen.

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SZ vom 15.05.2021 / sal
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