Luftreinigung:"Die Schüler saßen in Winterklamotten im Klassenzimmer"

Luftfilter

Kai Sannwald gründete vor 30 Jahren das Münchner Mietwagenunternehmen Sunny Cars. 2020 kam Sunny Air Solutions hinzu, dessen Geschäftsführer er neben Thorsten Lehmann ist.

(Foto: Alice Vogel/Sunny Air Solution)

Wie findet man den richtigen Raumluftreiniger für Schule und Büro? Kai Sannwald berät zu den richtigen Geräten und erklärt, welche Anforderungen sie erfüllen müssen.

Interview von Heike A. Batzer

Wie kann man sich in Innenräumen vor einer Virusübertragung schützen? Eine Frage, die angesichts der Corona-Pandemie und der Hoffnung auf die Rückkehr des Präsenzunterrichts Schüler, Eltern und Lehrer bewegt vor dem neuen Schuljahr, aber auch die Kommunen, die über die Anschaffung technischer Filtergeräte für die Klassenzimmer nachdenken. An diesem Donnerstag wird der Ferienausschuss des Kreistags das für die weiterführenden Schulen im Landkreis entscheiden. Kai Sannwald von der Münchner Firma Sunny Air Solutions ist darauf spezialisiert, Firmen, medizinische Einrichtungen, Restaurants, Schulen, Einzelhandel bei der Wahl des Lüftungssystems herstellerunabhängig zu beraten. Im SZ-Interview erklärt er, worauf man bei der Auswahl der Geräte achten muss.

SZ: Wie muss Luft in Innenräumen gereinigt werden, damit man virensicher zusammenkommen kann? Erklären Sie doch bitte in diesem Zusammenhang, was Luftfilter, Luftreiniger, Luftentkeimer und raumlufttechnische Anlagen sind.

Kai Sannwald: Die Königsklasse sind die raumlufttechnischen Anlagen, bekannt als RLT-Anlagen. Sie sehen einen permanenten Luftaustausch vor. Will man Bestandsimmobilien damit nachzurüsten, ist man bei den Kosten aber sofort in einem sechsstelligen Bereich, weil es ein massiver baulicher Eingriff ist. Die anderen sind mobile Luftfilter oder Luftreiniger, sie zielen darauf ab, Staub, Pollen oder Gerüche zu absorbieren. Die dritte Kategorie sind Luftentkeimer. Sie denaturieren - so nennt man das - Bakterien, Schimmelpilze, Hefen, Sars-CoV-2-Viren.

Luftreinigung: Welcher Luftreiniger ist der richtige? Die Grundschule in Neubiberg im Landkreis München war eine der ersten, die ihre Klassenzimmer mit entsprechenden Geräten ausgestattet hat. Ende vergangenen Jahres war das bereits.

Welcher Luftreiniger ist der richtige? Die Grundschule in Neubiberg im Landkreis München war eine der ersten, die ihre Klassenzimmer mit entsprechenden Geräten ausgestattet hat. Ende vergangenen Jahres war das bereits.

(Foto: Claus Schunk)

Warum reicht es nicht, in regelmäßigen Abständen die Fenster zu öffnen?

Das relevanteste Kriterium ist ja die Entkeimung der Luft, und dafür braucht es eben einen Luftumschlag. Das machen RLT-Anlagen perfekt, in der Theorie funktioniert auch Lüften. Aber Sie können ja etwa an Schulen nicht permanent stoßlüften. Ich erinnere mich an den Unterricht meiner Tochter, da saßen die Schüler in Winterklamotten im Klassenzimmer. Und das Fenster nur zu kippen reicht nicht, da findet kein Luftaustausch statt.

Welche Art von Luftentkeimern ist für Schulen geeignet?

Es gibt die Hepa-Filtersysteme, bei denen die angesaugte Raumluft durch einen engen Filter gepresst und dann wieder hinausgeblasen wird. Hier entsteht aber ein Lärmproblem, denn diese Systeme brauchen starke Lüfter und die sind dann laut. Auch dürfen die Filter, wenn sie voll sind, wegen der Virenbelastung nicht im Hausmüll entsorgt werden. Bislang hatte das Umweltbundesamt nur solche Hepa-Filtersysteme empfohlen. Nun hält es auch den Einsatz von Luftentkeimern mit UV-C-Lichtröhren für gerechtfertigt. Seit 20 Jahren wird diese Technik in OP-Sälen zur Oberflächendesinfektion verwendet. Sie wurde jetzt in geschlossene Geräte übernommen. Sie sind leiser als Hepa- Filter.

Worauf kommt es bei der Auswahl der Geräte an?

Wichtig ist die Raumsituation. Es geht dabei um zwei Fragen: Wie viele Leute halten sich in dem Raum auf? Und: Wie groß ist das Raumvolumen? Davon hängt ab, welcher Luftwechsel sinnvoll ist. Auch davon, ob etwa ein Büro von Trennwänden verstellt ist, die sich negativ auf die Luftzirkulation auswirken. Nehmen wir den Musiksaal an der Schule als Beispiel: Dort müssen Sie, weil gesungen wird, mit deutlich höherem Luftwechsel planen als in einem normalen Klassenzimmer mit Frontalunterricht.

Was muss man noch beachten?

Ein wichtiger Faktor ist eben die Lautstärke der Geräte. Ich habe erlebt, dass ein Gerät im Lehrerzimmer stand - aber nicht am Strom war, weil es sonst so laut war, dass niemand mehr arbeiten konnte. Oder in der Gastronomie: Da ist es ein Unterschied, ob ich das Gerät an der Bar aufstelle oder etwa in der Großküche, wo es ohnehin laut ist. Zu beachten sind auch die Sicherheit der Aufstellung - besonders etwa in einer Kita -, das Design, die Sicherheit der Geräte selbst und ihre Leistungsfähigkeit. Denn das einzelne Gerät kann eine Superleistung haben, aber trotzdem ungeeignet sein, wenn die Lüfter zu schwach sind und die gereinigte Luft nicht richtig rausblasen.

Woher nehmen Sie ihre Expertise?

Man muss sich damit beschäftigen. Wichtig ist vor allem, dass in der jeweiligen Raumsituation getestet wird. Wir haben eine Zertifizierungsgesellschaft an der Hand, mit der wir Testszenarien ausarbeiten. Unser Anspruch ist: Wir kümmern uns mit herstellerneutraler Beratung um die individuelle Situation.

Was muss eine Firma oder Kommune ausgeben, damit sie ordentliche Qualität an Luftentkeimern bekommt?

Für ein durchschnittliches Klassenzimmer, in dem, sagen wir 20 Schüler Frontalunterricht erhalten, müssen sie etwa 3500 Euro kalkulieren.

Seit die Politik die Anschaffung fördert, ist die Nachfrage stark gestiegen. Kriegt man die vielen Geräte jetzt überhaupt her? Das neue Schuljahr beginnt bereits in dreieinhalb Wochen.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat ja Ende des Schuljahres verkündet, bis Ende der Sommerferien sollten alle Klassenzimmer ausgestattet sein. Das geht doch nicht! Wir haben derzeit eine globale Rohstoffknappheit, und so Belüftungsanlagen setzen sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Und wenn die Nachfrage völlig explodiert, so wie jetzt, kann man die Produktion nicht einfach mal schnell ver-x-fachen. Ein großer Anbieter zum Beispiel sagt, dass die Lieferzeit für Schulen derzeit schon bei acht Wochen liegt.

Wenn die Pandemie dann hoffentlich besiegt ist, werden die Geräte dann wieder nutzlos sein?

Entkeimung macht immer Sinn, beispielsweise bei Grippeviren. Denken Sie an das Jahr, als es 25 000 Grippe-Tote gab. Mit solchen Geräten kann es für Unternehmen auch darum gehen, krankheitsbedingte Fehlzeiten zu reduzieren. 4,8 Prozent der Krankentage in den Betrieben rühren von Virus- und Bakterieninfektionen her. Entkeimung ist Bestandteil eines sauberen Hygienekonzeptes und macht schon deshalb Sinn.

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