München/Emmering:Rabiate Rentnerin

Autofahren im Alter

Die Reaktionszeit am Steuer steigt in hohem Alter. Schlechte Manieren schienen bislang aber ein Problem der Jüngeren zu sein. Archivfoto: Felix Kästler/dpa

Eine 73 Jahre alte Autofahrerin soll Radfahrer beleidigt und genötigt haben und steht vor Gericht - mal wieder

Von Andreas Salch, München/Emmering

Zuletzt musste sie sich im Juli dieses Jahres vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck verantworten. Margit M. (Name geändert) wurde verurteilt und das Gericht attestierte ihr in seinem Urteil überdies "charakterliche Mängel". Margit M. ist 73 und nicht weniger als 18 Mal vorbestraft. Unter anderem wegen Sachbeschädigung und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung. Vor allem aber wegen Beleidigung, insbesondere auch von ausländischen Mitbürgern. Im Juli hatte ihr das Brucker Amtsgericht eine Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro (150 Tagessätze à 20 Euro) aufgebrummt. Dagegen legte sie jetzt vor dem Landgericht München II Berufung ein. Die Höhe der Geldstrafe erschien ihr zu hoch - der Staatsanwaltschaft indes zu niedrig, weshalb auch sie Berufung eingelegt hatte.

Am ersten April dieses Jahres überholt Margit M. kurz vor 13 Uhr in der Roggensteiner Straße in Emmering mit ihrem Auto zwei Rennradfahrerinnen und bremst unmittelbar danach dreimal ohne Grund abrupt ab, so dass auch die Radfahrerinnen bremsen müssen, um eine Kollision mit dem Fahrzeug der Seniorin zu verhindern. Als die 73-Jährige wenig später an einem Zebrastreifen anhalten muss, fährt eine der beiden Radlerinnen vor ihr Auto. Margit M. steigt aus und beleidigt die Frau mit den Worten: "Was wollt ihr zwei dreckigen Schlampen?" Nötigung und Beleidigung in zwei Fällen, urteilt das Amtsgericht. Die Angeklagte habe sich darüber geärgert, dass die Rennradfahrerinnen auf der Straße unterwegs waren und nicht auf dem Radweg fuhren, heißt es im Urteil. Wegen ihres "völlig unangebrachten und indiskutablen Verhaltens" zieht das Gericht darüberhinaus auch noch den Führerschein von Margit M. für die Dauer von acht Monaten ein.

Im Vorfeld der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht München II hatte die Seniorin über ihren Verteidiger der Vorsitzenden Richterin ausrichten lassen, dass sie eine "geständige Einlassung" machen werde. Als die Richterin die 73-Jährige in der Verhandlung jedoch fragt, ob sich alles so zugetragen habe an jenem 1. April in der Roggensteiner Straße, kann Margit M. nicht mehr an sich halten. Sie spricht von angeblichen "Vorverurteilungen", von "zwei Damen, die frustriert waren" und sie "Wildsau" genannt haben sollen. Die Vorsitzende Richterin stutzt. Wenn sie darauf bestehe, dass die Zeuginnen doch geladen werden, werde der Termin verlegt, sagt die Richterin zu Margit M. In der Zwischenzeit werde sie sie außerdem auch noch von einem Psychiater begutachten lassen. Denn es gebe genügend Anhaltspunkte, die nahelegten, dass "Sie nicht voll schuldfähig" sei. Außerdem hält die Richterin der Seniorin vor, dass inzwischen schon wieder ein neues Verfahren gegen sie eingeleitet worden sei. Diesmal wegen Fahrens ohne Führerschein am 1. Oktober dieses Jahres. Der Anwalt von Margit M. ringt um Fassung und raunt von seinem Platz hinter ihr: "Um Gottes Willen!" Die Richterin indes sagt zur Angeklagten nur: "Das ist bodenlos" und empfiehlt ihr, ihre Berufung gegen das Urteil aus der ersten Instanz zurückzunehmen. Die Geldstrafe würde seine Mandantin nun akzeptieren, trägt der Verteidiger vor. Aber ihren Führerschein hätte sie gerne wieder. Nach dem Vorfall vom 1. Oktober - "keine Chance", entfährt es der Richterin. Im Fall einer psychiatrischen Untersuchung stünden die Chancen, dass die 73-Jährige ihren Führerschein überhaupt noch einmal bekommt, sowieso schlecht, befindet sie. Margit M. bittet das Gericht noch um "Gnade".

Es hat keinen Zweck. Schließlich nimmt sie ihre Berufung doch noch zurück. Und auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft ist bereit, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Die Verhandlung ist zu Ende. Margit M. steht von ihrem Platz von der Anklagebank auf und geht. "Es wird ein weiteres Verfahren geben. Das sage ich Ihnen gleich", gibt ihr die Richterin noch mit auf den Weg.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: