München/Althegnenberg:Fahrgast schlitzt Zugbegleiter den Hals auf

Wegen eines Angriffs im ICE muss sich ein 26-Jähriger vor dem Landgericht wegen versuchten Mordes verantworten

Von Andreas Salch, München/Althegnenberg

Michael K. arbeitet schon mehr als 40 Jahren als Zugbegleiter bei der Bahn. Verbale Auseinandersetzungen, ja, die gebe es immer wieder sagt er. Aber tätlich angegriffen worden sei er noch nie, so der 61-Jährige am Freitag vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II. Bis zum 16. August vergangenen Jahres.

An jenem Tag war Michael K. mit dem ICE 702 von München Richtung Berlin unterwegs. Der Zug fuhr damals noch über Augsburg. Auf Höhe von Althegnenberg bemerkte er einen jungen Mann, der allein in einem Abteil saß und keinen Mund-Nasen-Schutz trug. K. sprach ihn an, sagte zu ihm er solle in Augsburg aussteigen und sich eine Maske besorgen. Michael K. verließ daraufhin das Abteil wieder, schloss die Schiebetüre hinter sich. Doch kurz darauf riss der 26-Jährige sie wieder auf und griff ihn mit einem Cuttermesser an. Als K. sich abwendete und mit dem Rücken zu dem Mann stand, zog dieser ihm das Messer über den Hals. Michael K. erleidet eine zehn Zentimeter lange Schnittverletzung. Die Haut und das darunterliegende Fettgewebe werden durchtrennt. Der 61-Jährige hatte dennoch unwahrscheinliches Glück. Denn die nur etwa einen Zentimeter unter der Schnittwunde liegende Halsschlagader blieb unversehrt.

Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um Jan L., 26 aus München. Die Staatsanwaltschaft legt ihm unter anderem versuchten Mord zur Last. Jan L. machte zum Auftakt der Verhandlung keinerlei Angaben. In einer Erklärung, die sein Verteidiger, Rechtsanwalt Peter Pospisil, vortrug, räumte er die Tat im Großen und Ganzen ein. Zwar könne er sich an die mutmaßliche Tat nur "sehr bruchstückhaft erinnern", heißt es darin. Gleichwohl, so L., wisse er noch, dass es zu einem Streit mit einem Kontrolleur gekommen sei und er diesen mit seinem Messer "am Hals getroffen" habe. Zur Tatzeit habe er sich in einem "Drogensumpf" befunden. Ob er vor der Messerattacke Drogen konsumiert habe, daran könne er sich nicht mehr erinnern. Allerdings habe er seinerzeit oft Entzugserscheinungen gehabt. Er sei "sehr froh", so L. in seiner Erklärung, dass er dem Kontrolleur "nicht schlimmere Verletzungen" zugefügt habe. Er bitte das Opfer um Entschuldigung. Seine Tat, so L., wolle er nicht mit seinem Drogenkonsum entschuldigen. Aber ohne Betäubungsmittel hätte er so etwas nie gemacht.

Nach der Messerattacke auf Michael K. waren ihm zwei Fahrgäste zu Hilfe geeilt. Erst jetzt, so der 61-Jährige, habe er die klaffende und stark blutende Schnittwunde am Hals bemerkt. Jan L. war unterdessen in ein anderes Abteil gelaufen und hatte dort mit einem Nothammer die Scheibe eingeschlagen. Der ICE fuhr zu diesem Zeitpunkt etwa mit Tempo 250. Michael K. war dennoch in der Lage die Notbremse zu ziehen. Nachdem der Zug nach etwa einer Minute auf offener Strecke zum Stehen bekommen war, sprang Jan L. aus dem Fenster und floh. Zwei Tage später gelang es der Polizei ihn festzunehmen.

In der Untersuchungshaft hatte er gegenüber einer Psychiaterin Angaben zu seiner Person gemacht. Auf die Frage, wie er sich seine Zukunft vorstelle, erklärte Jan L. unter anderem, er wolle nach der Haft wieder bei seiner Mutter einziehen. Außerdem möchte er als erstes einen Schweinebraten essen und ein Bier trinken. Michael K. ist aufgrund der Tat traumatisiert und arbeitsunfähig.

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