Moorenweis:Mit Kunstnebel und Krawall

Moorenweis feiert im Jubiläumsjahr lautstark und mit rekordverdächtigen Teilnehmerzahlen. Thematisiert werden sowohl die Weltpolitik wie auch örtliche Probleme

Von Ingrid Hügenell, Moorenweis

Eine "Zugaufsicht" begleitet das Faschingstreiben in Moorenweis: Gestandene Männer mit Fahrrädern, deren Reifen grün bemalt sind. Die Männer tragen gelbe Friesennerze, graue Mützen und Perücken mit langen Zöpfen. Auf den gelben Jacken steht, wofür sie sich einsetzten: "Fasching for Future".

Der Faschingszug in Moorenweis findet normalerweise alle vier Jahre statt. Weil sich heuer aber die Gründung des TSV zum 100., die der Garde zum 70. und die des Faschingszugs zum 60. Mal jährt, gibt es außer der Reihe einen Umzug mit rekordverdächtigen 66 Teilnehmer-Nummern und mehreren tausend Zuschauern.

Viele große Wägen sind dabei, hoch wie zweistöckige Häuser, die mit Drucklufthörnern einen ohrenbetäubenden Lärm fabrizieren. Dazu passen die drei Hexengruppen, die "Schwoambacher Weiherhexen", sowie Kolleginnen aus Moorenweis und Burgselberg (Gemeinde Wörthsee). Vor allem die Burschenvereine aus Moorenweis und den umliegenden Gemeinden haben sich viel Mühe mit den Wägen gegeben. Nebelmaschinen sind bei ihnen offenbar sehr in, auf praktisch jedem Wagen steht die junge, tanzende und singende Besatzung in den künstlich erzeugten Schwaden. Dazu, dass man den Faschingszug in ganz Moorenweis auf gar keinen Fall überhören kann, tragen die Musikanlagen bei. Sie sind so laut, dass die Moorenweiser und die Walleshausener Blaskapelle dagegen kaum zu hören sind.

Moorenweis: Die Turner des TSV Moorenweis sind als ballonfangende Bananen dabei.

Die Turner des TSV Moorenweis sind als ballonfangende Bananen dabei.

(Foto: Günther Reger)

Dicht gedrängt stehen in der Römerstraße die Zuschauer, die meisten mehr oder weniger originell verkleidet, sie wippen oder tanzen zu den Technobeats und Schlagerklängen. Sie sehen viel Nostalgie für die Siebziger, Achtziger und Neunziger Jahre sowie eine veritable Hippie-Gruppe etwas gealterter Blumenkinder, die noch einmal den "Summer of Love" und Woodstock heraufbeschwören. Nicht mehr ganz jung sind auch die Musiker auf dem Wagen der "Bläserjugend Paartal". Die älteren Herren intonieren von "Rolling on the River" von Creedence Clearwater Revival .

Die Weltpolitik ist in Form von Donald Trump und Kim Jong Un vertreten, und auch der Coronavirus ist da, allerdings hoffentlich nur als Faschingsscherz einer Gruppe, die als Chinesen im Ganzkörper-Kondom mitläuft. Der Burschenverein Adelshofen feiert den Fußball, die Wilden Kerle und den Teufelstopf, der Katholische Burschenverein Moorenweis erinnert an 85 Jahre Monopoly, und ein weiterer Wagen stellt klar, dass seine Erbauer ein Tempolimit auf jeden Fall ablehnen. Eine Fußgruppe thematisiert den Pflegenotstand, eine andere, dass es in Moorenweis an Angeboten für Senioren mangelt und diese deshalb mit dem "Alten-Express" nach Adelshofen fahren müssen. Adelshofen selbst präsentiert sich mit vielen echten Blumen und solchen aus Papier als aufblühende Gemeinde, die "Gärtner" tragen aufgeschnittene Gießkannen als Helme. Die Turner des TSV sind in Bananenkostümen als Ballonjäger unterwegs.

Moorenweis: Die Theatergruppe mit Bürgermeister Joseph Schäffler vermisst den Schnee.

Die Theatergruppe mit Bürgermeister Joseph Schäffler vermisst den Schnee.

(Foto: Günther Reger)

Selbst ein veritables Prinzenpaar ist da. Melanie II. und Michael I. aus Schmiechen (Landkreis Aichach-Friedberg) fahren im offenen Sportwagen durch die Straßen, begleitet von ihrer Garde, die immer wieder eine kurze Tanzeinlage darbietet.

Die Theatergruppe Moorenweis als Fußgruppe von Schneeleuten, darunter Bürgermeister Joseph Schäffler, beklagt den schneelosen Winter. Nicht nur sie und die bezopften Zugbegleiter thematisieren den Klimawandel. Eine Fußgruppe schlägt vor, statt Schlitten lieber Achterbahn zu fahren. Ein Batmobil, von Hand gezogen, versichert, sieben Tage pro Woche und nicht nur freitags für die Gerechtigkeit zu kämpfen. Die Dünzelbacher Burschen posieren als Nasa und versprechen, an der Rettung der Welt mitzuwirken.

Gleich zwei Gondeln im Zug erinnern an die außergewöhnlichen Hochwasser in Venedig im November. "Moorenweis traumhaft schön - Venedig nimmer lang zu sehen", heißt es da, es folgt eine Gruppe in venezianischen Kostümen und Masken. Und falls die Dünzelbacher das mit der Rettung der Welt doch nicht schaffen sollten, gibt es einen Trost, er steht auf der Gondel geschrieben: "Land unter in Venedig - Moorenweis gibt's ewig".

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